Die Konjunktur stottert, der Immobilienmarkt befindet sich in einer Schwächephase. Wie hat sich das Finanzierungsgeschäft der Raiffeisen Bausparkasse (RBSK) entwickelt?
Hans-Christian Vallant: Nach dem Rekordjahr 2022 folgte ein starker Einbruch bei der Finanzierungsleistung von mehr als 50 Prozent, der durch eine Kombination aus der sogenannten KIM-Verordnung, also der aufsichtsrechtlichen Verschärfung der Kreditvergaberegeln, den stark gestiegenen Zinsen und hohen Immobilienpreisen verursacht wurde. Auch heuer setzte sich dieser Abwärtstrend vor allem im ersten Halbjahr fort. Nun dürften wir das Tal der Tränen durchschritten haben. Es geht wieder bergauf. Bis Ende September lag unsere Finanzierungsleistung bei rund 600 Mio. Euro, bis Ende 2024 sollten es an die 750 Mio. Euro werden. Die Nachfrage steigt, die Zinsen sinken und die Einkommen der Menschen sind durch die Lohnerhöhungen vor allem in den letzten zwei Jahre gestiegen. All das bringt eine Entspannung in den Markt.
Das Hochwasser Mitte September hat vor allem Niederösterreich stark getroffen und dort Schäden in Milliardenhöhe verursacht. Wie ist die RBSK von dieser Naturkatastrophe betroffen?
Markus Tritthart: Von unserem großen österreichweiten Finanzierungsvolumen war durchaus auch ein Teil vom Hochwasser betroffen. In den ersten zwei Wochen hat allerdings nur eine Handvoll Kunden bei uns angerufen. Insoweit bleiben die Folgen für uns überschaubar. Wir wollen den Betroffenen aber helfen und bieten den Geschädigten weitestgehend gebührenfreie Darlehen bis zu 40.000 Euro an. Dafür müssen die Kriterien wie für andere Hochwasser-Hilfen erfüllt sein, wie zum Beispiel der Hauptwohnsitz in einer betroffenen Gemeinde. Natürlich muss auch bei der Bonität alles passen.
Österreich befindet sich seit dem Vorjahr in einer Rezession. Wie ist es um die Kreditqualität Ihres Portfolios bestellt?
Tritthart: Wir beobachten unser Portfolio sehr genau. Der Altbestand im Finanzierungsgeschäft zeigt sich relativ unabhängig von der Wirtschaftsentwicklung. Es gibt kaum Ausfälle. Und auch die sogenannten notleidenden Kredite, also die Non-Performing Loans, sind mit einer Quote von rund 0,6 Prozent am Gesamtbestand sehr gering. Aktuell verzeichnen wir einige Anfragen mehr zu Stundungen.
Vallant: Unser Portfolio ist stabil, weil unsere Kredite hypothekarisch besichert sind, wir stehen im Grundbuch bei der Besicherung im ersten Rang und das Verhältnis des Kreditbetrags zum Verkehrs- oder Marktwert einer Immobilie (Loan-to-Value; LTV) darf maximal einen Wert von 80 Prozent haben. Außerdem wohnen unsere Kunden in den Wohnobjekten, was eine zusätzliche Sicherheit bedeutet. Denn bevor jemand seine eigenen vier Wände verkauft, verkauft er alles andere.
Nach dem Zinsgipfel senkt die Europäische Zentralbank seit Juni die Zinsen – bisher in zwei Schritten. Was bedeutet das für Ihr Geschäft?
Vallant: Für die Finanzierungsleistung ist das eine positive Entwicklung. Sinkende Zinsen helfen mit den steigenden Einkommen, dass Wohnimmobilien wieder leistbarer werden. Die Belastung der Haushalte aus dem Schuldendienst sollte unter die von der KIM-Verordnung vorgeschriebenen Belastungsgrenze von 40 Prozent kommen und damit das Hauptproblem der Verordnung entschärfen. Spätestens ab 2025 sollte sich die Nachfrage und damit auch der Wohnimmobilienmarkt sukzessive erholen.
Tritthart: Die aktuell schwierige Lage am Wohnimmobilienmarkt führt zu einer Delle in der Entwicklung. Langfristig reden wir aber nach wie vor von einer stabilen Wertentwicklung bei Immobilien. Die demografische Entwicklung zeigt in Österreich weiterhin nach oben, wenn auch nicht mehr so stark wie in den letzten Jahren. Das bedeutet, dass die Nachfrage nach Wohnraum auch künftig hoch bleiben wird.
Der Wohnbau wird heuer deutlich zurückgehen und uns wohl die nächsten Jahre beschäftigen …
Vallant: Das ist eine Fehlentwicklung, vor der die Banken und insbesondere der Raiffeisensektor eindringlich gewarnt haben. Vor allem in den Ballungszentren fehlt Wohnraum jetzt schon. Es gibt nun einen gewaltigen Abschwung in der Baukonjunktur. Als Ausfluss davon steigen die Mieten vor allem auf dem größten Wohnmarkt Wien, was absehbar war.
Wofür nehmen Ihre Kunden Finanzierungen am meisten auf?
Vallant: Bis 2022 war der Hauptverwendungszweck für die Finanzierungen der Neubau von Eigenheimen bzw. der Kauf von Eigentumswohnungen. Das hat sich gewaltig gedreht. Jetzt werden mittlerweile rund 40 Prozent der Darlehen für Sanierungen, Renovierungen oder den Um- und Zubau verwendet. Das ist in vielen Fällen eine Konsequenz der geringeren Leistbarkeit von neuen Wohnungen oder Eigenheimen. Dieser Trend wird auch in Zukunft anhalten, weil in diesem Segment die Immobilienpreise vor allem aufgrund der hohen Baukosten wohl hoch bleiben werden. Auch die Politik sollte die Revitalisierung von Altbauten noch stärker unterstützen. Die Sanierungsrate von Immobilien liegt in Österreich mit 1,5 Prozent noch weit unter dem Zielwert von 3 Prozent. Da haben wir noch genug Luft nach oben.
Wie hat sich die durchschnittliche Darlehenshöhe entwickelt?
Tritthart: In den letzten Jahren hat sich das Durchschnittsdarlehen von knapp 220.000 auf rund 160.000 Euro verringert. Wir waren auch schon bei 150.000 Euro und steigen aktuell wieder etwas. In der Regel beläuft sich die vertragliche Laufzeit der aufgenommenen Finanzierungen auf 35 Jahre. Hintergrund ist, dass eine längere Laufzeit die monatliche Belastung verringert und damit den Darlehensnehmern Flexibilität gibt. Im Schnitt laufen die Darlehen tatsächlich aber rund 16 Jahre, da viele Kreditnehmer ihre Schulden vorzeitig tilgen.
Welche Rolle spielt die Nachhaltigkeit?
Tritthart: Zahlreiche Förderungen zielen darauf ab, den Altbestand wieder nutzbar zu machen. Die herausfordernde Marktlage hat diesen Trend weiter vorangetrieben. Aber auch der hohe Bodenverbrauch bzw. die Bodenversiegelung haben das Bewusstsein für die Nachhaltigkeit geschärft. Wir sammeln im Zuge des Finanzierungsprozesses immer mehr Daten über die Nachhaltigkeit der von uns finanzierten Objekte. Ganz oben steht dabei der Energieausweis. Die Daten über die Nachhaltigkeit brauchen wir auch für unsere Berichtspflichten. Vor zwei, drei Jahren war das noch überhaupt kein Thema, mittlerweile haben wir ein gutes Bild über die Nachhaltigkeit der von uns finanzierten Gebäude.
„Heuer werden wir mehr Verträge abschließen als im Vorjahr.“
Christian Vallant
Das eine Bein sind die Finanzierungen, das andere das Bausparen. Wie hat sich das zuletzt entwickelt?
Vallant: 2022 und 2023 haben wir nach einer langen Null- und Negativzinsphase ein echtes Comeback des Bausparens gesehen. Was wir 2024 sehen und auch der Ausblick auf 2025 zeigt, ist, dass es kein kurzes Comeback ist, sondern das Bausparen dank gestiegener Zinsen wieder im Trend liegt. Heuer werden wir mehr Verträge abschließen als im Vorjahr. Aktuell liegen wir bei rund 170.000 Bausparverträgen und gehen davon aus, die Marke von 230.000 zu knacken, was in guten alten Zeiten ein Normaljahr war. Trotz fallender Zinsen bleibt der Bausparer ein attraktives Sparprodukt, um einen Teil der Inflation zu kompensieren. Mit einem Marktanteil von über 40 Prozent sind wir auch dank der guten Zusammenarbeit mit den Raiffeisenbanken mit Abstand Marktführer in Österreich. Daran sieht man, was eine langfristige Strategie im Sparbereich bewirken kann.
Die Entwicklung am Gesamtmarkt zeigt einen Rückgang der Bauspareinlagen im Vorjahr um 2,3 Prozent auf 14,3 Mrd. Euro. Nur knapp etwas über einem Drittel der Österreicher hat einen Bausparvertrag.
Vallant: Während wir weiterhin auf einem Wachstumskurs sind – im Vorjahr legte das Sparvolumen um 200 Millionen Euro auf 6,6 Milliarden Euro zu und auch heuer verzeichnen wir bisher ein ähnliches Plus – schrumpft die Konkurrenz. Das hat mit den Nachwehen der langen Null- und Negativzinsphase zu tun, als der Mitbewerb teilweise Produkte bzw. den Vertrieb zurückgefahren oder eingestellt hat. Ein Neustart von heute auf morgen gelingt dann nicht so einfach.
Wie hat sich das Sparverhalten zuletzt entwickelt?
Vallant: Die durchschnittliche jährliche Sparleistung eines Bausparvertrages ist deutlich gestiegen. Mittlerweile liegen wir bei weit über 7.200 Euro, vor zwei Jahren waren wir noch bei 6.600 Euro.
Lange Zeit gab es große Unsicherheiten, ob ein Ausstieg aus der ultralockeren Zinspolitik nicht zu Verwerfungen führen wird. Nun im Rückspiegel betrachtet: Wie hat sich dieser vollzogen?
Tritthart: Die von der Europäischen Zentralbank im Juli 2022 eingeläuteten Zinsanhebungen erfolgten in einem rasanten Tempo und haben schon für Unsicherheiten gesorgt. Das Gute daran ist aber, dass die Inflationsrate wieder zurückgegangen ist und zuletzt auch unter das 2-Prozent-Ziel der Zentralbank fiel. Dieser Trend hat den Abstieg vom Zinsgipfel ermöglicht. Spannend wird, ob es jetzt im Oktober einen Zinsschritt geben wird. Im Dezember erwarten wir jedenfalls wieder einen kleinen Zinsschritt nach unten.
Wie hat sich die RBSK in diesem volatilen und herausfordernden Umfeld entwickelt?
Vallant: In den letzten zehn Jahren sind wir stark gewachsen. Im Oktober 2014 hatten wir eine Bilanzsumme von über 6 Milliarden Euro, heute sind es etwas über 9,1 Milliarden Euro. Trotz einer Null- und Negativzinsphase haben wir unsere Kundenanzahl von 1,3 Millionen relativ stabil halten können. Und mit über 40 Prozent Marktanteil sind wir bereits seit mehreren Jahren der klare Marktführer in Österreich. Darüber hinaus konnten wir unser Eigenkapital auf über 526 Millionen Euro ausbauen und damit unsere Kapitalbasis weiter stärken.
Tritthart: Im Vorjahr machte unsere harte Kernkapitalquote (CET1-Ratio) einen Sprung von knapp 14,7 Prozent auf 31,5 Prozent. Hintergrund ist, dass wir unseren Internal Ratings Based Approach (IRB-Ansatz) an dem wir – gemeinsam mit der Raiffeisen Bank International – sieben Jahre gearbeitet haben, von der Aufsicht genehmigt bekamen. Dieser Ansatz ermöglicht uns, die Eigenmittelerfordernisse für das Kreditrisiko nach bankeigenen Ausfallsdaten zu berechnen. Damit verringerten sich die risikogewichteten Aktiva im Vorjahr um knapp 1,9 Milliarden auf rund 1,7 Milliarden Euro. Das war ein Riesenschritt nach vorn.
In den letzten Jahren wurde viel am Thema Digitalisierung gearbeitet. Ist man da weitergekommen?
Vallant: Wir haben mit rund 6.000 Abschlüssen von Bausparverträgen das am meisten nachgefragte End-To-End-Produkt in der digitalen Banking-Lösung „Mein Elba“. Bis zum Jahresende erwarten wir 10.000 solcher Abschlüsse, bei denen der Kunde die ganze Strecke digital zurücklegt. Das ist ein enormer Effizienzschub, der uns zum Vorreiter im Raiffeisensektor macht. Daneben haben wir mit den Raiffeisenbanken die digitale Signatur im Vertrieb integriert. Die Unterlagen werden vom Berater vorbereitet, und der Kunde kann den Vertrag von überall digital signieren. Bisher wurden rund 30.000 Verträge digital signiert. Wir erwarten uns in Zukunft, dass bis zu 50 Prozent bzw. rund 100.000 unserer Bausparverträge über diese Schiene abgeschlossen werden.
Wie sieht es in der Finanzierung aus?
Vallant: Hier ist die Entwicklung eine ganz andere. Die digitale Strecke wird fast ausschließlich als Informationsquelle über die Höhe der Rate und die Leistbarkeit genutzt, zum Abschluss kommen die Darlehensnehmer dann zum persönlichen Gespräch mit ihren Beratern, wo sie die Verträge abschließen.
Wie sieht der Blick aufs Jahr 2025 aus?
Vallant: Bei der Finanzierungsleistung sollte es leicht bergauf gehen in Richtung 800 Millionen Euro. Für 2026 rechnen wir dann mit einer Rückkehr auf eine Finanzierungsleistung von einer Milliarde Euro. Die Bausparverträge sollten sich mit 230.000 Abschlüssen pro Jahr stabil entwickeln. Darüber hinaus hoffe ich, dass es bei den Rahmenbedingungen für die Bausparkassen zu Anpassungen kommen wird und zum Beispiel das Höchstdarlehen pro Person von aktuell 260.000 Euro an den Marktbedarf angehoben wird. Und auch beim Bausparen sollte der prämienbegünstigte Höchstbetrag von derzeit 7.200 Euro deutlich angehoben werden.