Keine Alternative zum Optimismus

Reinhard Wolf, Generaldirektor der Raiffeisen Ware Austria, blickt auf das Jahr 2022 zurück. Der Konzernumsatz überschreitet erstmals die 4-Mrd.-Euro-Grenze.

Die RWA Zentrale in Korneuburg
© Romana Fürnkranz

2022 war bekanntlich ein sehr herausforderndes und außergewöhnliches Jahr. Der Krieg in der Ukraine löste einen enormen Anstieg der Energie- und Rohstoffpreise aus. Es folgten Verwerfungen auf den Finanzmärkten und eine nie dagewesene Steigerung der Inflationsrate. Eine Situation, die auch die Märkte für Getreide, Dünger und Pflanzenschutzmittel auf den Kopf stellte. Landwirtschaftliche Betriebe konnten zwar gute Preise für ihre Produkt erzielen, mussten aber auch die stark gestiegenen Produktionskosten decken. Gleichzeitig sorgte die allgemeine Unsicherheit für eine erhöhte Nachfrage nach Energieträgern, Betriebsmitteln und Landtechnik. 

„Also insgesamt enorme Herausforderungen, die wir hier zu meistern hatten“, resümiert RWA-Generaldirektor Reinhard Wolf. Oberste Priorität sei es in dieser Situation gewesen, die Versorgung der Landwirtschaft sicherzustellen. Dank langfristig bestehender Lieferanten-Partnerschaften sei es fast durchwegs gelungen, in allen Bereichen lieferfähig zu bleiben und die Nachfrage zu bedienen. 

„Keine Frage, mit den gestiegenen Treibstoff-, Dünger- und auch Getreidepreisen war auch unser Konzernumsatz größer“, sagt Wolf. Mit 4,03 Mrd. Euro kommt man 2022 erstmals über die der 4-Mrd.-Euro-Grenze. Fast ein Viertel des Konzernumsatzes wird in der CEE-Region erwirtschaftet. Aber die Zuwächse seien nicht allein preisbedingt, sondern auch durch organisches Wachstum und Zukäufe gelungen. Das Ergebnis vor Steuern von 54,2 Mio. Euro ist „sehr zufriedenstellend und ein sehr gutes Ergebnis für unser Haus“, wie Wolf festhält. Auch hier habe es „den einen oder anderen Rückenwind“ gegeben. „Aber der beste Rückenwind nützt nichts, wenn man die Segel nicht richtig setzt“, so Wolf.

Neue Chancen

Im traditionellen Kernsegment der RWA sind im vergangenen Jahr die Preisrisiken und auch der Finanzierungsaufwand extrem gestiegen. Vor allem die Preisentwicklungen bei den Düngemitteln sorgten für Herausforderungen, speziell die Stickstoffdünger brauchen Gas für die Produktion. So sind beispielsweise die Preise für Kalkammonsalpeter im Vergleich zu 2020 zeitweise um fast 600 Prozent gestiegen. Mittlerweile hat sich die Situation etwas beruhigt, die Preise liegen aber immer noch deutlich über dem Ausgangsniveau. 

Im Gegensatz zu stabilen Absatzmengen bei Milch und Geflügel war man 2022 mit nicht zufriedenstellenden Preisen für Schweinefleisch konfrontiert. Das hat die RWA auch beim Futtermittelabsatz zu spüren bekommen, sagt Wolf: „Nichtsdestotrotz gehen wir unseren Weg beim Futtermittel konsequent weiter.“ Die Position als Marktführer in Österreich sei eine unverändert starke. Mit dem Zukauf des Marktführers am Balkan, der Firma Patent Co., und der übergreifenden Zusammenarbeit mit den RWA-Töchtern Garant und Agromed sollen nun neue Wachstums- und Entwicklungschancen ausgeschöpft werden. 

Neue Lösungen

Ein heikles Thema im Spannungsfeld zwischen Gesellschaft und Landwirtschaft ist nach wie vor der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln. 2022 war das erste Jahr ohne eine neue Wirkstoffzulassung. Im Zuge des europäischen Green Deals soll der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zudem noch weiter reduziert werden. „Auf der einen Seite haben wir die Herausforderung, dass die Landwirtschaft immer mehr produzieren muss – für eine wachsende Bevölkerung und auch für mehr Rohstoffe als Ersatz für fossile Treib- und Brennstoffe. Auf der anderen Seite werden die Rahmenbedingungen für die Produktion immer schwieriger“, unterstreicht Wolf die Diskrepanz der Vereinbarkeit und mahnt: „Wir müssen die Dinge schon immer bis zum Ende denken.“

„Wir müssen die Dinge schon immer bis zum Ende denken.“

Reinhard Wolf

Natürlich arbeite man bei der RWA an alternativen bzw. innovativen Lösungen – von organischem Dünger über Bio-Stimulantien bis hin zu einer verbesserten Stickstoffausnutzung durch den Einsatz von Bakterien. Auch technologische Lösungen wie das Spot Spraying werden getestet. Dabei wird eine Pflanzenschutzspritze eingesetzt, die mit Kameras ausgestattet ist und mithilfe einer Bilddatenbank analysiert, welche Pflanze bespritzt wird und welche nicht. Damit lassen sich etwa 90 Prozent des Pflanzenschutzmittels einsparen. Auch Roboter kommen im Bereich der Unkrautbehandlung zum Einsatz. „Das sind alles Puzzlesteine, die dazu dienen, die Landwirtschaft in eine entsprechende Transformation zu bringen und ein neues Bild zu zeichnen“, sagt Wolf.

Neue Preise

Der Bereich der landwirtschaftlichen Erzeugnisse war 2022 vor allem durch eine starke Marktverunsicherung und enorme Preisschwankungen geprägt. Die Getreide-Absatzmenge der RWA belief sich insgesamt auf 3,1 Mio. Tonnen. Die massiven Preisanstiege waren für die produzierenden Landwirte natürlich eine gute Nachricht, aber: „Man muss gleich dazu sagen, die Landwirte hatten auch die entsprechend höheren Preise für Betriebsmittel zu bezahlen. Entscheidend ist am Ende des Tages nicht der Preis, den man bekommt, sondern der Deckungsbeitrag, den man erwirtschaften kann“, unterstreicht Wolf.

Aktuell sind die Preise wieder deutlich niedriger, parallel auch die Preise für die Betriebsmittel. Das führt dazu, dass die Abnehmer zur Zeit sehr zurückhaltend sind beim Einkauf. Am stärksten werde der Preis aber von der Ernte beeinflusst und diese hängt bekanntlich vom Witterungsverlauf ab. „Die aktuelle Trockenheit in Europa ist natürlich keine gute Ausgangsbasis für die Landwirtschaft“, weiß Wolf und hofft auf „Regen bei warmen Temperaturen“.

Neben dem Wetter spielt natürlich auch die weitere Entwicklung in der Ukraine ein wesentliche Rolle am Getreidemarkt. Noch sind keine Tendenzen beim Anbau abzusehen. „Wir werden uns ab Mai, wenn wir objektive Satellitendaten zur Verfügung haben, ein ordentliches Bild machen können“, erklärt Wolf. Von oben lasse sich der genaue Wachstumsverlauf beobachten. 

Die hohen Regale im vollautomatischen Kleinteilelager der RWA in Traun
Für das neue Kleinteilelager in Traun wurden rund 10 Millionen Euro investiert. © RWA/Cityfoto.at

Neue Kanäle

Nach den außergewöhnlich starken Jahren 2020 und 2021, die von den Investitionsanreizen der Corona-Hilfen geprägt waren, habe sich der Landtechnik-Bereich 2022 auf gutem Niveau normalisiert, sagt Wolf. Besonders erfreulich sei, dass man mit der Exklusivmarke John Deere bei den Traktoren über 150 PS die Marktführerschaft übernehmen konnte. Im Herbst seien wieder einige Innovationen zu erwarten, die das Portfolio verbessern würden. 

Zudem habe man 2022 mit der Eröffnung des neuen Lagerhaus-Technikcenter-Standorts in Redlham in Oberösterreich das Servicenetzwerk weiter ausgebaut. Außerdem ging im November der neue Onlineshop für Agrar und Technik auf onfarming.at live. Ein Shop, der speziell auf die Bedürfnisse von landwirtschaftlichen Betrieben zugeschnitten wurde. 

In den nicht agrarischen Bereichen Baustoffe sowie Haus & Garten konnten seit 2019 deutliche Zuwächse verzeichnet werden. Bei den Baustoffen ein Plus von 16 Prozent, bei Haus & Garten plus 23 Prozent. Der Umsatz der Franchisenehmer in beiden Bereichen liegt jeweils bei knapp unter 700 Mio. Euro im Jahr 2022.

Mit dem neuen automatisierten Kleinteilelager für Haus & Garten, Baustoffe und Energie in Traun sei man deutlich effizienter geworden: „Wir können unsere Lagerkapazitäten besser nutzen, fahren auch viel weniger Kilometer mit dem Stapler.“ Außerdem lasse sich damit das gesamte Online-Geschäft wesentlich schneller bedienen. Mit April will man auch einen neuen, einheitlichen Online-Auftritt für alle Lagerhäuser launchen.

Neue Projekte

„Das Segment Energie war im vergangenen Jahr auch von allen Höhen und Tiefen geprägt“, bilanziert Wolf. Ob fossile oder erneuerbare Energie, beide Bereiche waren 2022 von massiven Preissteigerungen und einer gleichzeitigen Mengenknappheit geprägt. Hier habe man dank der langjährigen Partnerschaft mit der ÖMV die Versorgung sicherstellen können: „Es ist kein Traktor am Feld stehen geblieben!“ Der sprunghaften Nachfrage nach Pellets konnte dank der nachhaltigen Strategie der RWA und der Lagerhaus-Genossenschaften zu jeder Zeit nachgekommen werden.

„Besonders stolz sind wir als RWA auf unsere Entwicklung im Bereich der Photovoltaik“, bekräftigt der Generaldirektor. Derzeit sind Projekte mit einer Leistungskapazität von insgesamt 40 MW in Umsetzung. Damit zähle man zu den größten PV-Projektentwicklern Österreichs. Nur der begrenzte Netzzugang bremse den weiteren Ausbau.

„Nach einem sehr spannenden Jahr 2022 liegt nun ein herausforderndes Jahr vor uns“, prognostiziert Wolf. Natürlich hätten sich die Rahmenbedingungen weiter verschärft. „Aber es gibt überhaupt keine Alternative zum Optimismus und mit dem gehen wir in das Jahr 2023.“