Sabine Pfeffer: „Wir haben die Segel gesetzt“

Sabine Pfeffer hat vor zwei Monaten von Klaus Pekarek das Ruder bei der Raiffeisen Versicherung übernommen. Wir sprachen mit der dynamischen Managerin über Führung, Fußstapfen und Fachkräfte – und welche Rolle Ziegen in ihrem Leben spielen.

Sie haben mit 1. April in der Uniqa die Leitung des Ressorts Kunde & Markt Bank Österreich und damit die Verantwortung für die Marke Raiffeisen Versicherung übernommen. Fühlen Sie sich schon angekommen? 
Sabine Pfeffer: Ich bin nicht nur angekommen, wir haben auch schon längstens die Segel gesetzt und es gilt: volle Kraft voraus. Die ersten Wochen waren sehr intensiv. Ich war bereits in allen Landesbanken unterwegs, durfte auch schon Primärbanken und die Landesleitungen im Uniqa Tower begrüßen. Diese vielen wertvollen Gespräche haben mir Gelegenheit gegeben, nicht nur die Raiffeisen Versicherung kennenzulernen, sondern in die ganze Raiffeisenwelt einzutauchen. Es ist kein Onboarding mehr, ich bin schon mitten drinnen und wir haben bereits ordentlich Fahrt aufgenommen. 

Ihr Vorgänger in dieser Funktion, Klaus Pekarek, war mehr als 40 Jahre bei Raiffeisen und ist ein „Urgestein“ im Sektor. Wie schwer ist es, wenn man in so große Fußstapfen tritt, noch dazu als Frau?
Pfeffer: Erstens fühle ich mich in einer Männerdomäne sehr wohl. Aber ich bin auch froh, dass immer mehr Frauen in der doch männergeprägten Versicherungsbranche das Ruder mit übernehmen und am Entscheidungstisch sitzen. Ich habe also keine Berührungspunkte, als Frau in die großen Fußstapfen eines Mannes zu treten. Ich schätze Klaus Pekarek nicht nur als Mensch, sondern als jemand, der in der Bank und bei der Raiffeisen Versicherung vieles bewegt und bewirkt hat. Die Entwicklung der Raiffeisen Versicherung trägt stark seine Handschrift und das Unternehmen wäre nicht dort, wo es jetzt ist. Ich bin auch dankbar für die Zeit, in der er mich noch teilhaben hat lassen an seinen Erfahrungen. Aber ich habe mir vorgenommen – und das entspricht auch meinem Naturell –, mit meinem Team eine neue Spur zu legen und meinen eigenen Footprint zu hinterlassen.

Sie haben seit mehr als 20 Jahren Führungserfahrung in der Versicherungsbranche, jetzt sind Sie im Vorstand eines börsenotierten Unternehmens. Wie würden Sie Ihren Führungsstil beschreiben bzw. welche Prinzipien sind Ihnen wichtig?
Pfeffer: Ich bin jemand, der immer den Menschen in den Mittelpunkt stellt. Ich bevorzuge einen empathisch-intelligenten Führungsstil. Meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen sich wahr- und erstgenommen und wertgeschätzt fühlen. Ich war immer ein ganz großer Teamplayer. Ich habe eine große Leidenschaft für meine Aufgabe und wenn ich es schaffe, einen Funken meiner Begeisterung auf mein Team in der Raiffeisen Versicherung und auf die Bank überspringen zu lassen, um dort Inspiration, Motivation und Vertriebskraft zu entfachen, dann habe ich mein Ziel erreicht und bin zufrieden.

Sabine Pfeffer im Interview
© RZ/Roland Rudolph

Sie sind in Ihrer neuen Funktion einerseits Vorständin eines Konzerns und gleichzeitig zuständig für den Bankvertrieb bei Raiffeisen, einem dezentral organisierten Sektor. Wie werden Sie diesen Spagat managen?
Pfeffer: Ich bin überzeugt, wir können enorm voneinander profitieren. Die Uniqa bzw. Raiffeisen Versicherung verfügt über ein umfangreiches Know-how und über Top-Produkte. Die Raiffeisenbanken sind sehr nah an den Kunden, an ihrem täglichen Leben, den Bedürfnissen und Sorgen. Und wir können das eine mit dem anderen kombinieren und daraus eine gemeinsame Kraft entwickeln. Mein Ziel ist es, diese Vertriebskraft – nach den schwierigen Corona-Jahren – wieder zu stärken und unsere Kunden proaktiv persönlich oder digital anzusprechen, zuzuhören und bedarfsgerecht agieren. Der Slogan von Raiffeisen bringt es eigentlich auf den Punkt: „Die Zukunft braucht ein starkes Wir“ – das ist exakt auch mein Credo. 

Die großen Themen bei der Raiffeisen Versicherung waren zuletzt die finanzielle Vorsorge und grüne Investments. Wo werden Sie Ihre Schwerpunkte setzen?
Pfeffer: Ein wesentlicher Schwerpunkt, den ich in meiner Strategie bereits festgelegt habe, ist, die Präsenz der Raiffeisen Versicherung in den Raiffeisenbanken weiter zu erhöhen. Wir wollen sichtbarer werden. Da sehe ich noch viel Luft nach oben, dieses große Potenzial im Bankenvertrieb zu heben. Auf Produktebene ist mir die Gesundheitsversicherung ein großes Anliegen. Gerade die Pandemie hat uns gezeigt, wie wichtig es ist, den richtigen Versicherungspartner an seiner Seite zu haben. Die Uniqa kann hier auf einen großen Erfahrungsschatz zurückgreifen und das möchte ich verstärkt bei den Kunden auch entsprechend platzieren und ansprechen. Auch die finanzielle Absicherung steht stark im Fokus. Wir wollen etwa die Biometrie – das betrifft die Bereiche Ableben, Berufsunfähigkeit, Überleben und Unfall – weiter kräftigen. Dazu haben wir etwa eine eigene Herbstkampagne geplant. Ein weiteres wichtiges Thema ist die langfristige Pensionsvorsorge. 67 Prozent der Österreicherinnen beschäftigen sich intensiv mit dem Finanzthema. Daher werden wir auch hier speziell Initiativen setzen. Ein anderes wesentliches Element ist die Wohnraumbeschaffung. Bei jeder Wohnraumfinanzierung muss auch das Thema Versicherung mit angesprochen werden. Es geht mir gar nicht um ein aggressives Verkaufen. Wir müssen den Kunden darauf hinweisen, welche Möglichkeiten es gibt, entsprechend abzusichern und vorzusorgen. Ich sehe hier einen starken gesellschaftlichen Auftrag und eine Verantwortung, die wir haben. Und schließlich haben wir im März den bestehenden Kooperationsvertrag und die Geschäftsentwicklung mit den Raiffeisen Landesbanken besprochen. Ich habe vor, das Zusammenarbeitsmodell zu optimieren und mit den Landesbanken einvernehmlich zu vereinbaren. Gehen wir in eine starke gemeinsame Zukunft, heben wir unsere Potenziale, mobilisieren wir die Vertriebskraft und sensibilisieren wir dahingehend, dass es um ein Gesamtpaket geht, das neben Bankprodukten auch Versicherung beinhaltet.

Die Corona-Pandemie hat die Digitalisierung in Ihrer Branche massiv beschleunigt. Hat sich dadurch Ihr Geschäftsmodell verändert? 
Pfeffer: Verändert hat es sich nicht, aber wir müssen natürlich immer weiterdenken. Was die Digitallandschaft betrifft, haben wir bereits viel investiert und einige Initiativen gesetzt. Neben dem Versicherungsmanager haben wir 2023 den AbsicherungsCheck im Raiffeisen-Onlinebanking ‚Mein Elba‘ eingeführt, wo Kunden rasch ihre persönlichen Versicherungslücken identifizieren können. Wir sind in der Unfallversicherung online gegangen – das war ein großer Wurf und macht uns sehr stolz. Eine große Chance im Vertrieb ist die Online-Kundenansprache. Dazu haben wir den Signalcontainer ins Leben gerufen. Und wir haben ein Online-Kundenbindungsprogramm, das wertvolle Features enthält. Wir entwickeln uns hier ständig weiter und bekommen vor allem auch wertvollen Input aus vielen Gesprächen mit den Raiffeisenbanken, die ja ebenfalls sehr innovativ denken. Wenn es uns gelingt, Bank und Versicherung im Bereich der Digitalisierung gemeinsam in die richtige Richtung zu bringen, uns zu verankern und gegenseitig zu stützen, dann haben wir schon viel gewonnen.

Sabine Pfeffer im Interview
© RZ/Roland Rudolph

Allgegenwärtig ist derzeit das Thema Inflation. Bremst die hohe Inflation nicht das Versicherungsgeschäft? 
Pfeffer: Am Papier sehen wir das noch nicht, ganz im Gegenteil. Die Zahlen zeigen, dass die Menschen nach Sicherheit streben – für sich und für ihr Hab und Gut. Was die Kunden aber sehr schätzen, ist, wenn sie in unsicheren Zeiten oder wenn der Ernstfall eintritt, einen starken Partner an der Seite haben – und das ist die Uniqa, das ist Raiffeisen und das ist die Raiffeisen Versicherung.

Zuletzt waren die Banken in den Schlagzeilen, weil sie die Spesen in der Höhe der Inflationsrate erhöht haben. Werden die Versicherungen die Prämie auch entsprechend anpassen?
Pfeffer: Die Kosten steigen, sei es auf der Baustelle oder im Gesundheitsbereich. Daher müssen auch wir eine Wertanpassung adressieren und die Prämien anpassen, um einerseits die Kosten im Leistungsfall abzudecken, aber andererseits auch um eine Unterversicherung zu vermeiden, denn mit steigenden Prämien steigen ja auch die Versicherungssummen. Aber wir müssen in diesem Punkt auch weiterdenken, was wir als Bank oder Versicherung tun können, um die Auswirkungen der hohen Inflation für die Kunden abmildern zu können. Ich denke hier an Produktinnovationen mit stärkerem Fokus auf Risiko- und Schadenverhütung, Investitionen in Technologie und Digitalisierung, oder auch an strategische Partnerschaften zur Entwicklung von kostengünstigen Dienstleistungen. 

Sämtliche Branchen kämpfen mit dem Arbeitskräftemangel. Auch die Versicherungen?
Pfeffer: Wir denken hier sehr innovativ – das ist ein Thema, das uns branchenübergreifend ständig begleitet. Arbeitskräftemangel ist sehr präsent, ist auch ein enormes Unternehmensrisiko und wird auch in Zukunft nicht weniger werden. Auch, weil wir Wachstumsambitionen haben und weil die Digitalisierung nicht alles wettmachen kann. Denn die wertvolle Ressource Mensch kann und soll nicht überall durch Technik ersetzt werden. Wir sind hier wirklich sehr gefordert. Ohne einen strategischen Fokus auf Personalgewinnung, Mitarbeiterbindung und -weiterentwicklung wird es in Zukunft nicht gehen. Dabei müssen wir natürlich auch die Bedürfnisse der Generationen X, Y und Z berücksichtigen. Denn nur, weil wir einen Plan und eine Vorstellung haben, heißt das nicht, dass das unsere potenziellen Mitarbeiter der Zukunft so sehen. 

Wie schöpfen Sie Kraft bei einem so fordernden Job?
Pfeffer: Wenn man mit Leidenschaft und Freude an vielen Fronten im Einsatz ist und Sitzungen, Meetings und Projekte den beruflichen Alltag bestimmen, dann weiß man die private Seite umso mehr zu schätzen. Ich bin gerne in der Natur unterwegs, in meinem Wald. Als Jägerin macht mir das Beobachten von Wildtieren viel Freude. Aber ich interessiere mich auch sehr für Kunst und Kultur, Musik spielt eine wichtige Rolle in meinem Leben. Und – vielleicht etwas ungewöhnlich – auch körperliche Arbeit zum Ausgleich: Es kommt schon vor, dass ich mit dem Traktor oder mit der Motorsäge unterwegs bin. Das erdet mich und macht mich dankbar und glücklich. Ich koche auch gerne, alles was Wald, Wiese und mein Teich mir schenken. Mein tiefstes Glück ist aber, wenn ich an einem schönen Sommertag bei mir zuhause in Türnitz in Niederösterreich meine Ziegen auf der Weide beobachten kann. Das gibt mir unglaublich viel Kraft. 

AusgabeRZ23-2023

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