Signal für leistbares Wohnen

Mit einem breiten Maßnahmenbündel in Milliardenhöhe will die Bundesregierung den Wohnimmobilienmarkt wieder in die Gänge bringen. Raiffeisen-Experten sehen dabei wichtige Signale für den Markt, fordern aber auch eine Reparatur der restriktiven Kreditvergabe und Abarbeitung langer Reformvorhaben.

Strengere Vorgaben für die Kreditvergabe, stark gestiegene Preise, hohe Zinsen und eine schwächelnde Baukonjunktur brachten den österreichischen Wohnimmobilienmarkt nach einer beispiellosen Boomphase innerhalb kurzer Zeit zum Stillstand. „Die aktuelle Wohnbaukrise ist in weiten Teilen eine Leistbarkeitskrise. Denn mit der Zinswende samt strengerer Kreditvergabestandards (Stichwort KIM-Verordnung) wurde der Traum vom Eigenheim für viele zu einem Luftschloss“, erklärt Matthias Reith, Immobilienexperte bei Raiffeisen Research, die Entwicklung auf dem Wohnimmobilienmarkt.

Das belegen auch wesentliche Kennzahlen: Das Volumen der neu vergebenen Immobilienkredite an private Haushalte ist seit August 2022 um 60 Prozent eingebrochen. Die Zahl der Baugenehmigungen lag im Vorjahr um 40 Prozent unter dem Niveau des Jahres 2021. Zudem ging die Bauleistung seit dem Frühjahr 2022 um rund 15 Prozent aufgrund des „doppelten Gegenwinds“, also Zinswende samt regulatorischer Zeitenwende durch die KIM-Verordnung, zurück.

Mit einem umfangreichen Maßnahmenbündel will die Bundesregierung nun wieder für Dynamik am Markt sorgen. Das zeitlich befristete Paket zielt darauf ab, Wohnraum leistbarer zu machen, und setzt dabei auf unterschiedlichen Ebenen an. Rund 1 Mrd. Euro soll in die Errichtung und Sanierung von Wohnraum fließen und insgesamt 10.000 Eigenheime und zusätzliche 10.000 Mietwohnungen neu entstehen lassen. Darüber hinaus sollen mit den Mitteln auch 5.000 Objekte saniert und damit marktfähig werden. Um Familien bei der Finanzierung des ersten Eigenheims zu unterstützen, sollen befristet die Gebühren für die grundbücherliche Eintragung des Eigentums- bzw. eines eventuellen Pfandrechts für die ersten 500.000 Euro gestrichen werden.

„Die aktuelle Wohnbaukrise ist eine Leistbarkeitskrise.“

Matthias Reith, Raiffeisen Research

Aber auch Impulse für den Wohnbau sind in Form einer erhöhten Abschreibung für Wohngebäude, die an ökologische Standards gekoppelt werden soll, geplant. Ein Sanierungsbonus soll klimafreundliche Sanierungen ermöglichen. Mit günstigen Wohnbaudarlehen von bis zu 200.000 Euro und einem maximalen Zinssatz von 1,5 Prozent wollen auch die Bundesländer künftig Wohneigentümern unter die Arme greifen. Aber auch soziale Maßnahmen sind vorgesehen, wie die Aufstockung des sogenannten Wohnschirms etwa als Delogierungsprävention dient. Alles in allem soll sich das Gesamtvolumen der Maßnahmen auf mehr als 2 Mrd. Euro belaufen. Die geplanten Maßnahmen sollen als Brücke mit Ablaufdatum fungieren, bis sinkende Zinsen, Preise sowie deutliche Einkommensanstiege, die für die nächsten Jahre erwartet werden, Wohneigentum wieder „automatisch“ leistbarer machen dürften, fasst es Raiffeisen-Research-Experte Matthias Reith zusammen.

„Schritt in die richtige Richtung“

Raiffeisen-Generalanwalt Erwin Hameseder begrüßt grundsätzlich alle Maßnahmen, „die die Konjunktur – insbesondere die Baubranche – unterstützen und damit Arbeitsplätze absichern. Das Wohnbaupaket der Regierung ist daher ein Schritt in die richtige Richtung, um leistbaren Wohnraum zu schaffen und mehr Haushalte in die Lage zu versetzen, Eigentum zu erwerben.“ Allerdings werde der Immobilienmarkt – neben der Zinswende – gerade wegen der verbindlichen Kreditvergabestandards in der KIM-Verordnung weiterhin stark eingebremst. Damit bleibe der Traum vom Eigenheim für viele junge Familien aufgrund der hohen Kreditzinsen im Zusammenspiel mit der KIM-Verordnung weiterhin unerfüllbar. „Es müssen also weitere Schritte folgen, um die Finanzierung neuer Vorhaben auch zu ermöglichen. Ich bleibe daher nachdrücklich bei meiner Forderung nach einer Abschaffung der bürokratischen Vorgaben in der KIM-Verordnung“, betont Hameseder.

„Es müssen weitere Schritte folgen.“

Erwin Hameseder, Raiffeisen-Generalanwalt

Für Gerhild Bensch-König, Geschäftsführerin von RaiffeisenWohnbau, ist das Paket „gerade jetzt ein wichtiger Impuls“ für den Bausektor und die Immobilienbranche. Es fehle an Wohnraum. Zahlreiche Wohnbauträger würden geförderte als auch freifinanzierte Projekte aufgrund des schwierigen Umfelds nicht umsetzen, aber auch schon wesentlich weniger Projekte zur Genehmigung einreichen. „Insbesondere viele junge Menschen können sich derzeit kein Wohneigentum anschaffen, was so wichtig wäre für einen gewissen Vermögensaufbau und die Absicherung der eigenen Zukunft“, weiß die Immobilienexpertin. Als Folge könne man eine Zuspitzung auf dem Mietmarkt beobachten. „Das Ausweichen auf den Mietmarkt hat die Mieten bereits stark steigen lassen und sie werden weiter steigen“, ist sich Bensch-König sicher. 

„Viele Junge Menschen können sich derzeit kein Wohneigentum anschaffen.“

Gerhild Bensch-König, Raiffeisen WohnBau

Den größten Impuls aus dem Regierungspaket für potenzielle Käufer von Wohneigentum erwartet Bensch-König von den zinsgünstigen Wohnbaudarlehen: „Diese entlasten monatlich und nicht nur einmalig wie bei der geplanten zeitlich befristeten Gebührenbefreiung für die Grundbuchs- und Pfandrechtseintragung. Zufrieden wäre ich, wenn auch die restriktiven Kreditvergaberichtlinien der KIM-Verordnung in Angriff genommen werden“, unterstreicht die Expertin die Forderung von Generalanwalt Erwin Hameseder.

Denn der Wohnimmobilienmarkt leide derzeit insbesondere darunter, dass der Erwerb von Wohnungseigentum durch diese Restriktionen für viele, speziell junge Menschen unmöglich gemacht werde. Das belege der drastische Rückgang der Immobilienkreditvergabe an private Haushalte seit dem Inkrafttreten der KIM-Verordnung, der fast zeitgleich mit dem beginnenden Zinsanstieg einherging. „Natürlich treffen die in kürzester Zeit stark gestiegenen Zinsen auch die Bauträger selbst, was diese an die Grenzen der Finanzierbarkeit ihrer Projekte bringt, und letztlich die Käufer wiederum doppelt belastet“, so Bensch-König.

Eine baldige Besserung der Marktlage erwartet die Immobilienexpertin nicht. Die Ankündigungen würden zumindest bei jenen, die jetzt Wohnungseigentum erwerben wollen, wieder Verunsicherung hervorrufen. „Kommen die Maß­nahmen tatsächlich? Betreffen sie mich? Helfen sie mir? – das lässt die Wohnungssuchenden wieder zweifeln bzw. drängt diese auf den Mietwohnungsmarkt mit den bereits beschriebenen Folgen der immer weiter ansteigenden Mieten. Und so werden das Vertrauen in den Markt und die gute Stimmung wohl noch etwas auf sich warten lassen“, resümiert sie. 

Reformen auf der langen Bank

Auch Marion Weinberger-Fritz, Geschäftsführerin der Raiffeisen Vorsorgewohnung GmbH, hält das Maßnahmenpaket dem Grunde nach für positiv, vieles werde aber von der konkreten Umsetzung abhängen. Das größte Erleichterungspotenzial für Immobilienkäufer sieht auch sie in den geförderten Krediten bis zu 200.000 Euro und dem geplanten Entfall der Nebenkosten für Wohneigentum. Ob das für jeden Käufer von Wohnimmobilien oder nur für geförderten Wohnraum kommen werde, ist ihrer Ansicht aber noch nicht ganz klar.

Gleichzeitig erinnert Weinberger-Fritz, „dass man seit Jahren bei vielen Reformvorhaben für den Wohnimmobilienmarkt wie der Beschleunigung der Bauverfahren, der Vereinfachung des Mietrechts und der Förderung von Sanierungen nicht vom Fleck kommt“. Optimistisch zeigt sich Weinberger-Fritz über erste positive Entwicklungen des Regierungspakets am Markt: „Wenn die Umsetzung rasch erfolgt, kann man im dritten Quartal 2024 bereits mit ersten Auswirkungen rechnen – ob das bürokratisch so schnell umsetzbar ist, steht aber auf einem anderen Blatt.“

„Seit Jahren kommt man bei vielen Reformvorhaben nicht vom Fleck.“

Marion Weinberger-Fritz, Raiffeisen Vorsorgewohnung

Trotz der Verunsicherung am Wohnimmobilienmarkt sei die Nachfrage nach Immobilieninvestment sehr vielversprechend, betont die Immobilienexpertin und erklärt: „Die prognostizierten Preisnachlässe hat es im Neubau in Wien – erwartungsgemäß – nicht gegeben, das wird jetzt offensichtlich. Dafür sind die Mieten und damit die Renditen gestiegen – alles Argumente dafür, jetzt zu kaufen. In spätestens zwölf Monaten werden wir wieder steigende Preise sehen, denn die Wohnungen in Wien werden wieder knapp.“

AusgabeRZ10-2024

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