Wie gewonnen, so zerronnen

Das Geldvermögen der Haushalte ist erstmals seit der Finanzkrise 2008 gesunken. Insbesondere die Verwerfungen an den Börsen führten im ersten Halbjahr 2022 zu deutlichen Vermögensverlusten.

Ein Sparschwein von oben. Symbolbild für Sparen, Sparquote
(c) Adobe Stock

Im ersten Jahr der Pandemie führten Lockdowns und Reisebeschränkungen zu einem „Zwangssparen“ bei den österreichischen Haushalten. Die Sparquote stieg dadurch auf ein Rekordniveau von 13,3 Prozent. Auch 2021 war die Wirtschaft wieder von gesundheitspolitischen Maßnahmen geprägt. Die Konsummöglichkeiten waren zeitweise eingeschränkt, wodurch die Sparquote mit 12 Prozent weiterhin auf sehr hohem Niveau blieb. 

Für das Jahr 2022 prognostiziert das Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO) allerdings eine deutlich niedrigere Sparquote von 7,2 Prozent, was neben dem aktuellen wirtschaftlichen Umfeld vor allem auf das Auslaufen der Pandemieeffekte zurückzuführen ist, wie Gottfried Haber, Vize-Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB), erklärt. Damit läge sie unter dem Vor-Pandemie-Niveau. 

Das nettoverfügbare Einkommen des Haushaltsektors stieg 2021 nominell gegenüber dem Vorjahr um 4,3 Prozent (real: 1,9 Prozent) auf 228,6 Mrd. Euro. „Der Vorjahresrückgang konnte teilweise abgefedert werden, aber auch nicht vollständig. Die Prognose für 2022 liegt wieder bei minus 1,5 Prozent für das reale nettoverfügbare Einkommen“, sagt Haber.

Die Konsumausgaben stiegen 2021 um 5,9 Prozent auf 202,5 Mrd. Euro (real: 3,6 Prozent) und lagen damit weiterhin unter dem Niveau vor der Pandemie (2019: 204,7 Mrd.). Zudem hat sich die Struktur der Konsumausgaben seit Beginn der Pandemie spürbar verändert: Die laufenden Ausgaben fürs Wohnen haben zugenommen und machen aktuell 26 Prozent der gesamten Ausgaben aus. 2019 waren es noch 23 Prozent. 

Lockdown-bedingt sind zudem Ausgaben für Beherbergungs- und Gaststättendienstleistungen – also Gastronomie und Hotellerie – zurückgegangen: 2019 waren es noch 14 Prozent des Einkommens, 2021 nur noch knapp 10 Prozent. Umgekehrt verlief die Entwicklung bei den Konsumausgaben für Nahrungsmittel und Getränke: Hier stiegen die anteilsmäßigen Ausgaben von 13 Prozent im Jahr 2019 auf knapp 15 Prozent im Jahr 2021. 

Weniger Einlagen

Österreichs Haushalte veranlagten 2021 mit 24,2 Mrd. Euro etwas weniger als im Jahr 2020 (28,3 Mrd.). Der Anstieg des privaten Konsums schränkte das Potenzial für finanzielle Investitionen etwas ein, heißt es seitens der OeNB. Im ersten Halbjahr 2022 erreichten die Finanzinvestitionen mit 7,2 Mrd. Euro etwa das Niveau des Vergleichszeitraums 2019.

Generell hat die Pandemie die Struktur der Finanzinvestitionen verändert: So fließt seit 2020 nur noch jeder zweite Euro in Einlagen (51 Prozent ), zwischen 2015 und 2019 waren es noch 3 von 4 Euro (73 Prozent). Bevorzugt werden hier weiterhin täglich fällige Einlagen. Diese machen aktuell einen Anteil von 27 Prozent des Geldvermögens aus – vor der Finanzkrise waren es nur 10 Prozent. Gebundene Einlagen verloren im selben Zeitraum massiv an Gewicht und stehen derzeit für 11 Prozent des Vermögens (28 Prozent vor der Finanzkrise). 

Seit dem ersten Quartal 2021 verliert das Einlagenwachstum an Dynamik und liegt aktuell bei rund 3 Prozent. Auffallend ist, dass im ersten Halbjahr 2022 der Einlagenaufbau mit +0,7 Mrd. Euro deutlich niedriger ist als im Vergleich zu den letzten Jahren (mindestens +5 Mrd.). 

Mehr Risiko

Mehr Interesse genießen seit 2020 hingegen Fonds und börsenotierte Aktien. Zwischen 2020 und dem ersten Halbjahr 2022 flossen knapp 40 Prozent der Finanzinvestitionen des Haushaltssektors in diese Anlageformen (2015–2019: 25 Prozent), wobei diese zunächst auch hohe Kursgewinne einbrachten (2020–2021: 16 Mrd. Euro). 

Das „sehr ertragreiche und angenehme Börsenumfeld“ fand im ersten Halbjahr 2022 aber ein abruptes Ende. „Wie gewonnen, so zerronnen, könnte man sagen“, kommentiert Johannes Turner, Direktor der Hauptabteilung Statistik in der OeNB. Der Krieg in der Ukraine, hohe Inflation und daraus resultierende geldpolitische Kurswechsel führten zu aggregierten Kursverlusten von 18 Mrd. Euro. Nichtsdestotrotz hält der Trend in Richtung riskantere Anlageformen an. Die Zukäufe des Haushaltssektors verblieben mit einem Plus von 5 Mrd. Euro im ersten Halbjahr 2022 weiterhin auf hohem Niveau.

„Die Kursverluste sind nicht spurlos am Gesamtvermögen der Österreicher vorbeigegangen“, weiß Vize-Gouverneur Haber: „Erstmalig seit 2008 ist das Geldvermögen zurückgegangen – und lag Ende des ersten Halbjahres 2022 mit 799 Mrd. Euro um 3,4 Prozent unter jenem am Jahresende 2021.“

Aussagekräftige Prognosen lassen sich nur schwer treffen: „Die Glaskugel ist im Moment sehr trüb. Der Markt ist geprägt von hoher Volatilität – bei den Kursentwicklungen als auch bei allen Umfeldfaktoren“, so Haber. Erst der Winter werde mehr Klarheit bringen.