SV Gloggnitz will die Großen ärgern

Die Kicker der SV Gloggnitz spielen erstmals seit 58 Jahren wieder in der drittklassigen Regionalliga. Nach holprigem Start hat man sich an das hohe Niveau gewöhnt.

Das ging schnell. „2016 waren wir noch in der Gebietsliga, das ist die dritte Liga von unten“, sagt Obmann Martin Eckbauer. Acht Jahre später findet sich die Sportvereinigung (SV) Gloggnitz dagegen in der Regionalliga Ost wieder, ihrerseits auch die dritte Liga, aber von oben. Vor allem in den letzten beiden Jahren ging es für den Traditionsklub, Ende der 40er-Jahre des vorigen Jahrhunderts sogar einmal in der höchsten nationalen Liga vertreten und danach in den Niederungen des Fußballs abgetaucht, rasant nach oben. Von der 2. Landesliga Niederösterreich wurde der Durchmarsch geschafft, sodass man sich im Sommer mit dem „Abenteuer Regionalliga“ konfrontiert sah.

Eines, bei dem man schnell und viel lernen musste. „Vom gesamten Aufwand her ist es eine ganz andere Nummer“, sagt Eckbauer. Und erzählt davon, dass man von neuen Reservebänken bis hin zu elektronischen Auswechseltafeln mehr umrüsten musste als vorher gedacht. „Wir wussten auch nicht, dass die Schiedsrichter in der Ostliga einen eigenen Drucker in ihrer Kabine brauchen“, beschreibt er den Lernprozess mit einem Lachen. Für sich genommen kleine Adaptierungen, die in Summe aber einen großem zeitlichen und auch finanziellen Aufwand ergeben. „Das haben wir im Vorfeld vielleicht etwas unterschätzt“, gibt der 37-Jährige zu. 

Da traf es sich jedenfalls gut, dass die Raiffeisenbank Region Wiener Alpen die langjährige Partnerschaft intensivierte und finanziell etwas aufstockte und somit den Spielraum für Investitionen etwas erhöhte. „Für uns ist es toll und wichtig, einen Partner zu haben, zu dem man auch immer gehen kann, wenn mal in einem Bereich Not am Mann ist.“

Schmerzhafter Prozess

Aber auch sportlich betrat die SV Gloggnitz Neuland, an das man sich gewöhnen musste, ein durchaus schmerzhafter Prozess. In den ersten sechs Spielen setzte es vier Niederlagen und zwei Remis, was Trainer Levent Sengül seinen Posten kostete. Keine leichte Entscheidung, schließlich war er als Spieler und später als Trainer ein bedeutender Teil der Aufstiegsgeschichte des Vereins. „Das fiel uns bestimmt nicht leicht“, erzählt Eckbauer, im zivilen Leben Geschäftsführer im IT-Großhandel. „Aber wir hatten das Gefühl, ein Zeichen setzen zu müssen, damit jedem klar ist, dass wir die Regionalliga ernsthaft angehen wollen. Deswegen war die Entscheidung aus meiner Sicht unausweichlich.“

Als neuer Coach wurde, zumindest vorerst, Klaus Strobl geholt, in Gloggnitz kein Unbekannter, schließlich war er als Spieler schon dort und kennt Strukturen sowie handelnde Personen des Vereins. Allerdings wollte sich der 45-Jährige auf kein zu fixes und zeitintensives Abenteuer einlassen, sodass man sich nur auf eine Zusammenarbeit bis Winter einigte. Es wird also demnächst einen neuen Übungsleiter geben, was die Konkurrenz durchaus mit Spannung beobachtet. In der Gerüchteküche werden jedenfalls durchaus klingende Namen gehandelt wie Ex-Sportclub-Trainer Robert Weinstabl oder Liga-Insider Hans Kleer.

The Place to be

Unter Strobl wurden jedenfalls die drei Siege eingefahren, die die SV Gloggnitz bis dato auf ihrer Habenseite hat und mit denen man den Anschluss an das enge Mittelfeld geschafft hat. Vor allem das 3:0 über Titelkandidat Neusiedl vor eineinhalb Wochen war ein Ausrufezeichen, das in der Liga mit Respekt registriert wurde. „Ich hoffe, dass diese Entwicklung nachhaltig ist und wir den Turnaround damit geschafft haben“, sagt Eckbauer. Und erklärt, warum die Regionalliga für seinen Klub „the place to be“ ist, und zwar in beide Richtungen. Denn die darunter liegende Landesliga ist mit weiten Auswärtsfahrten und weniger bekannten Gegnern nicht sonderlich attraktiv, die darüber postierte österreichweite 2. Bundesliga wäre dagegen eine Nummer zu groß. „Dort, wo wir jetzt sind, ist das Ende der Fahnenstange.“ Und zwar sportlich und finanziell, aber auch, was die kleine, aber feine Krammer-Arena angeht, die allein schon aufgrund baulicher Gegebenheiten nicht zu einem zweitliga-tauglichen Stadion umgestaltet werden kann. „Deswegen möchten wir mit allen Mitteln in der Regionalliga Ost bleiben und uns hier zur Aufgabe machen, die großen Klubs wie den FavAC oder den Wiener Sportclub zu ärgern.“

Glücksfall

Dass das jetzt schon partiell gelang, ist vor allem einem Spieler zu verdanken, der seit Sommer 2023 bei der SV Gloggnitz spielt und so etwas wie die personifizierte Lebensversicherung des Vereins ist. Denn Josef Pross schoss die SVG bereits in der vergangenen Saison mit 22 Toren zum Aufstieg und ist auch jetzt mit acht Toren an mehr als 50 Prozent aller Gloggnitzer Treffer beteiligt. „Ein Glücksfall für uns“, schwärmt Eckbauer von dem Mann, der zuvor bei den Young Violets, der zweiten Mannschaft der Wiener Austria, unter Vertrag stand, sich dann aber vom Profifußball zugunsten einer Ausbildung als Landwirt lösen wollte. Allerdings: Wer so regelmäßig trifft, weckt natürlich Begehrlichkeiten, was auch Erst- und Zweitligisten nicht verborgen blieb. „Wir hoffen natürlich, dass wir ihn bei uns halten können, aber es liegt mehr an ihm und seiner Zukunftsplanung als an uns“, vermutet Eckbauer, der seit 2018 im Vorstand des Vereins und seit 2023 auch Obmann ist.

Worauf er durchaus stolz ist: Trotz der Aufstiege und des immer höher werdenden Niveaus hat man die Mannschaft nie großartig umgekrempelt, sondern immer nur in homöopathischem Ausmaß verstärkt. So gehören auch heute noch Kicker zum Kader, die bereits in der Gebietsliga am Start waren und sich Jahr für Jahr neu erfunden und angepasst haben. Getreu der Philosophie, den im Verein bereits vorhandenen Menschen die Chance zu geben, sich zu entwickeln. „Das möchten wir auch in Zukunft so halten.“

Ein Spiel steht für die Blau-Weißen noch aus (gegen den NÖ-Rivalen Kremser SC), ehe es in die verdiente Winterpause geht. Und dann geht es mit neuem Trainer und frischer Energie zu Teil zwei der „Mission Klassenerhalt“. „Wir sind traditionell im Frühjahr immer viel stärker unterwegs als im Herbst“, kündigt Eckbauer an. „Ich bin davon überzeugt, dass das auch in dieser Saison der Fall sein wird.“

AusgabeRZ45-2024

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