Ukraine: Alltag unter Extrembedingungen

RBI-Vorständin Valerie Brunner gab bei der Dachverbandstagung einen Einblick in den gefährlichen Alltag der Raiffeisen-Mitarbeiter in der Ukraine.

Valerie Brunner spricht über die Situation in der Ukraine.
Valerie Brunner © Joseph Krpelan

Die RBI als Brückenbauer – diese Funktion habe man laut Valerie Brunner angesichts von aktuell zwölf Märkten, die man in Zentral- und Osteuropa mit Tochterbanken abdeckt. Die Vorständin der Raiffeisen Bank International nahm die Gäste der Raiffeisen-Dachverbandstagung der Geschäftsleiter-Vereinigungen jedoch mit auf die Reise in ein bestimmtes Land: In ihrem Gastvortrag gewährte sie einen Blick ins Bankgeschäft in der nunmehr seit mehr als zwei Jahren kriegsgebeutelten Ukraine.

Die 1992 als Universalbank gegründete Bank Aval wurde 2005 von Raiffeisen akquiriert und in Raiffeisen Bank Aval umbenannt. Seit Juni firmiert das Institut offiziell unter dem Namen Raiffeisen Bank Joint Stock Company und ist die größte internationale Bank des Landes in Privatbesitz. Mit einem Netzwerk von 321 Filialen und rund 5.300 Mitarbeitern wird die ganze Palette an Bankdienstleistungen angeboten, die 2,9 Millionen Privat- und Firmenkunden in Anspruch nehmen.

Entsprechend der Größe der Bank sind auch die Auswirkungen des Krieges massiv: „Das normale Kundenkreditgeschäft hat sich von Februar 2022 bis jetzt um 20 Prozent verringert“, erläuterte Brunner. Dies sei angesichts der Zinsentwicklung auch wenig verwunderlich, sei es für Kunden doch wesentlich schwieriger geworden, Investitionsentscheidungen zu treffen. „Andererseits sind die Veranlagungen markant gestiegen“, verwies sie auf einen Anstieg von 67 Prozent. Eine ähnliche Entwicklung gab es in diesem Zeitraum auch bei Kriegsanleihen des ukrainischen Staates. Bei den Exporten habe sich die Entwicklung laut Brunner mittlerweile wieder nahezu auf Vorkriegsniveau normalisiert.

Großteil zurückgekehrt

Alles andere als normal – zumindest aus österreichischer Sicht – läuft dagegen das alltägliche Bankgeschäft vor Ort ab. Während in der Anfangsphase der russischen Invasion etwa 1.500 RBI-Mitarbeiter die Ukraine verlassen und remote gearbeitet haben, sei der Großteil nun zurückgekehrt. Man versuche „Kundenorientierung unter extremen Bedingungen“ zu leisten, so die RBI-Vorständin. Zu schaffen mache etwa die instabile Energieversorgung: Aufgrund von Engpässen muss der Strom rationiert werden. Auf einem Infobildschirm können die Bankangestellten ablesen, wann Strom fließt – Garantie gibt es keine.

Auch der Luftalarm sei mittlerweile alltäglich geworden, erinnert sich Brunner an ein Telefonat, das sie erst kürzlich mit einem Kollegen in der Ukraine geführt habe. Als im Hintergrund hörbar eine Sirene losging, habe dieser erwidert: „Jaja, das passt schon, ich habe noch 15 Minuten.“ Mittels einer Smartphone-App wird die Bevölkerung alarmiert, welche Flugkörper gerade in der Luft sind und wie viel Zeit noch bis zum Einschlag bleibt. „Man glaubt es nicht, aber das Geschäftsleben geht nahezu ungestört weiter und passiert dann halt aus dem Schutzraum heraus“, so Brunner. Kunden und Mitarbeiter hätten sich auf die neue Normalität eingestellt.

An die tägliche Gefahr hat sich auch das Angebot der Bank angepasst: Brunner berichtete von einem Kriegsrisikoversicherungsprodukt des Versicherungsberaters Aon, mit dem Kreditnehmer ihre Immobilien oder sonstige Vermögenswerte gegen Schäden durch Raketenangriffe versichern können.

Zwei-Wand-Regel

Weil die Plätze in den Bunkern begrenzt sind, gibt es bei der RBI-Tochter eine genaue Homeoffice-Regelung, wie Brunner betont: „Wer von zu Hause arbeitet, hat spezielle Powerbanks und muss sich an die sogenannte Zwei-Wand-Regel halten.“ Diese sieht vor, einen Raum in der Wohnung aufzusuchen, in dem man durch mindestens zwei Wände vor der Außenwelt und möglichem Beschuss geschützt ist.

Der spannende Einblick in die Situation in der Ukraine hinterließ bei den Gästen der Dachverbandstagung jedenfalls Eindruck. „Wir sind wahnsinnig stolz auf unsere Kollegen in der Ukraine, das ist schon eine ganz besondere Situation“, unterstrich auch Brunner. „Was für uns unvorstellbar ist, ist dort mittlerweile auf der Tagesordnung.“