2024 war trotz der schwierigen Wirtschaftsentwicklung ein gutes Kapitalmarktjahr. Wie sieht die Performance von Valida Vorsorge Management aus?
Martin Sardelic: Obwohl das Superwahljahr von geopolitischen Turbulenzen und wirtschaftlichen Herausforderungen geprägt ist, ist es an den Finanzmärkten erstaunlich positiv verlaufen. Man darf aber nicht vergessen, dass die US-Technologiewerte der Treiber für die gute Entwicklung sind. Sorgen macht uns allerdings Europa, das den USA wirtschaftlich hinterherhinkt. Nach vorläufigen Zahlen per Ende November erzielten wir in der Pensionskasse eine Performance zwischen 6,6 und 9,4 Prozent und in der Vorsorgekasse um die 5,8 Prozent. Die letzten Wochen wurden sehr stark vom Ergebnis der US-Präsidentschaftswahl beflügelt. Dieser positive Trend sollte noch einige Monate anhalten.
Valida nutzte das Jahr aber nicht nur am Kapitalmarkt, sondern auch dafür, sich personell neu aufzustellen …
Sardelic: Für ein Unternehmen ist es eine Herausforderung, wenn Kollegen, die Jahrzehnte lang das Geschäft prägten, die Organisation verlassen. Meine Vorstandskollegen Stefan Eberhartinger und Hartwig Sorger haben heuer ihren wohlverdienten Ruhestand angetreten. Mit Risikomanager Philipp Mayer und IT-Expertin Elisabeth Radocha haben wir hervorragende Nachbesetzungen für die Valida Holding gefunden und damit einen reibungslosen Übergang geschaffen. Auch das ist für mich ein Zeichen für ein gutes Jahr.
Apropos gutes Jahr – wie hat sich das verwaltete Kundenvermögen heuer entwickelt?
Sardelic: Die Performance war ein starker Wachstumsimpuls. Wir erwarten, dass die Kundengelder der Vorsorge- und Pensionskasse bis zum Jahresende auf insgesamt circa 13 Milliarden Euro zulegen. Zum Vergleich: Per Jahresende 2023 lagen wir bei 11,8 Milliarden Euro. Hinter den verwalteten Kundengeldern stehen mittlerweile insgesamt rund drei Millionen Kunden. Davon haben wir 2,7 Millionen Kunden in der Vorsorgekasse, also der „Abfertigung Neu“, und rund 330.000 Kunden in der Pensionskasse als betriebliche Altersvorsorge.
Die Inflation hat das Geschehen in der Wirtschafts- und Geldpolitik in den vergangenen Jahren dominiert. Wie wird die Teuerung bei den Pensionskassen berücksichtigt?
Philipp Mayer: Das Pensionskassensystem geht vom angesparten Kapital aus und nicht von einer festgesetzten Leistung wie das staatliche Pensionssystem. Das ermöglicht, das Wachstumspotenzial des Kapitalmarktes mitzunehmen. Unsere Kunden partizipieren an den Preissteigerungen der Aktienmärkte.
„Ich bin überzeugt, dass man aus der zweiten Säule mehr herausholen kann.“
Philipp Mayer
Das staatliche Pensionssystem gerät angesichts leerer Staatskassen immer stärker unter Druck. Welchen Beitrag leisten die Pensionskassen für die Altersvorsorge?
Mayer: Die kapitalisierten Pensionszusagen im staatlichen System inklusive Beamten übersteigen in Österreich bereits immense 1.800 Milliarden Euro. In der betrieblichen Altersvorsorge befinden sich insgesamt 27 Milliarden Euro für rund ein Viertel der Beschäftigten, die im Pensionskassensystem sind. Die Politik muss sich angesichts dieses Verhältnisses die Frage stellen, ob das eine gute Diversifizierung der Lasten der Altersvorsorge ist. Die Finanzierbarkeit der staatlichen Pensionen ist gänzlich vom Faktor Arbeit abhängig, während Pensionskassen in die Kapitalmärkte investieren. Ich bin überzeugt, dass man aus der zweiten Säule mehr herausholen kann.
Wie kann das gelingen?
Mayer: Die meisten Großbetriebe haben bereits einen Pensionskassenvertrag. Daher geht es nun darum, die betriebliche Altersvorsorge in die Breite der Klein- und Mittelbetriebe zu bringen. Der Weg über eine Einzel-Akquise wäre eine Mammutaufgabe. Wir brauchen daher Branchenlösungen über die Kollektivverträge beziehungsweise einen Generalkollektivvertrag für die Grundsätze. Das würde die Verbreiterung wesentlich erleichtern und beschleunigen.
Sardelic: Unterstützt werden wir dabei vom Raiffeisensektor, der uns als starke Bankengruppe und Marke hilft, in die Breite zu kommen. Hier sehe ich noch einiges Wachstumspotenzial, das wir gemeinsam nutzen können – vor allem in der aktiven Beratung der Firmenkunden beim Thema Vorsorgekasse, das für die Betriebe Pflicht ist.
„Man muss für die Altersvorsorge insgesamt mehr Bewusstsein schaffen.“
Elisabeth Radocha
Das staatliche Pensionssystem steht angesichts der angespannten Budgetlage vor großen Herausforderungen. Wie schätzen Sie die Lage ein?
Sardelic: Diese Problemlage ist den Menschen bewusst und auch wir tragen im Rahmen unserer Möglichkeiten dazu bei, die Altersvorsorge auf insgesamt solidere Beine zu stellen. Die Herausforderung ist es aber, den Betroffenen auch Sicherheit zu geben. Maßnahmen sollten daher langfristig geplant und umgesetzt werden. Eingriffe von heute auf morgen sind in so einem System nicht sinnvoll. Es stellt sich die Frage, ob die Politik rechtzeitig den Mut dafür aufbringen kann.
Elisabeth Radocha: Man muss für die Altersvorsorge insgesamt mehr Bewusstsein schaffen und den Zugang zu Informationen einfacher und transparenter gestalten. Das könnte etwa über einen Pensionsrechner erfolgen, der unter anderem die zu erwartende staatliche Pensionsleistung umfasst. Damit könnte sich jeder seine persönliche Pensionslücke ausrechnen und gegensteuern.
Mayer: Das Pensionssystem ist wie ein Tanker, den man rechtzeitig auf Kurs bringen muss, um dort anzukommen, wo man hin will oder muss. Allerdings haben die jungen Menschen, für die eine solche Reform essenziell wäre, kaum eine stimmkräftige politische Lobby. Wenn man sich den Staatshaushalt ansieht, wird einem aber rasch klar, dass man früher oder später handeln wird müssen.
Frauen müssen in der Regel mit weniger Pension auskommen als Männer. Was kann man hier tun, um den Gender-Pension-Gap zu verkleinern?
Radocha: Leider ist es immer noch so, dass die durchschnittlichen Pensionen von Frauen deutlich niedriger sind als jene von Männern. Und auch bei den Pensionskassen leisten Frauen weniger Eigenbeiträge als Männer. Es gilt auch hier, die Entwicklungen transparent zu machen und damit das Bewusstsein für die Altersvorsorge zu schärfen. Darüber hinaus gilt es, Wege zu finden, um die Pensionsleistungen für Frauen auszubauen.
Mayer: Eine Möglichkeit wäre, die Eigenbeiträge im Pensionskassensystem von der Besteuerung zu befreien. Österreich hinkt hier der internationalen Entwicklung hinterher. Die Besteuerung sollte erst bei der Pensionsleistung ansetzen. Das würde den Anreiz – auch von Frauen – stärken, selbst fürs Alter vorzusorgen. Daneben gibt es auch technische Forderungen. Derzeit müssen wir die Gelder für jeden Kunden im Wesentlichen gleich veranlagen. Wir würden die Regelungen gerne so ändern, dass wir für unsere Kunden abhängig von der Lebensphase veranlagen dürfen. Für junge Menschen empfiehlt sich die dynamische, ertragreichere Veranlagung. Die Gelder von Pensionisten sollten hingegen besser konservativ veranlagt werden, um Schwankungen in der Leistungsphase zu reduzieren.
„Wir haben zuletzt unser Aktiengewicht in Richtung USA verschoben.“
Martin Sardelic
Was sind die Erwartungen an 2025?
Sardelic: Es kommen zahlreiche Unsicherheiten auf uns zu, wenn man sich die Ankündigungen des wiedergewählten US-Präsidenten Donald Trump vor Augen führt. Fraglich ist, was davon umsetzbar sein wird und welche wirtschaftlichen Folgen zum Beispiel von den Zöllen ausgehen werden. Allerdings dürfte die US-Konjunktur auch im kommenden Jahr besser laufen als jene in Europa. Die EU muss sich kritisch die Frage stellen, ob sie mit dieser überbordenden Regulierung im Wettbewerb mit anderen Wirtschaftsräumen bestehen kann. Wir haben zuletzt unser Aktiengewicht in Richtung USA verschoben.
Und was wird im kommenden Jahr das wichtigste Valida-Projekt?
Sardelic: In der Vorsorgekasse investieren wir in die Entwicklung eines neuen Kern- und Abwicklungssystems einen einstelligen Millionenbetrag. Der Startschuss dafür erfolgt 2025. Aus der gemeinsamen Abwicklungsplattform mit der Allianz sind wir mittlerweile ausgestiegen. In der Pensionskasse haben wir ein neues Kernsystem bereits mit guten Erfahrungen selbst entwickelt. Ziel ist es unter anderem, den Automatisierungsgrad zu erhöhen, schlanker zu werden und den Kundennutzen insgesamt zu steigern.
Radocha: Es ist ein Prozess, der uns die nächsten drei bis fünf Jahre beschäftigen wird. Im Aufbau eines neuen maßgeschneiderten Systems liegt einiges an Potenzial, um insgesamt schneller und effizienter in der Abwicklung zu werden. Wir können dabei auf Erfahrungen aus dem Aufbau des bereits erwähnten Kernsystems der Pensionskasse zurückgreifen. Das neue System der Vorsorgekasse wird uns zusätzliche Möglichkeiten eröffnen, etwa bei Anträgen mehrsprachig zu werden und Informationen noch effektiver zu verarbeiten und bereitzustellen.