„Ein Ort des Experiments“

Die Vienna Design Week zeigt von 24.9. bis 3.10. bereits zum 15. Mal, dass Wien eine „City Full of Design“ ist. Begleitet wird diese Ausgabe von einem Leitungswechsel. Gabriel Roland, der neue Direktor des Festivals, im Gespräch.

Welches Resümee lässt sich nach 15 Jahren Vienna Design Week ziehen?
Gabriel Roland: Gegründet haben Lilli Hollein, Tulga Beyerle und Thomas Geisler die Vienna Design Week deshalb, weil sie gesehen haben, dass in Wien in Sachen Design zwar sehr viel passiert, es aber keine Plattform gibt, die das alles kanalisiert. Das Wiener Design wurde daher auch kaum wahrgenommen und nur wenig gezeigt. Ich denke, dass es die Vienna Design Week in den letzten fünfzehn Jahren geschafft hat, dieses Schaffen zu bündeln und einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Gleichzeitig wurde das Festival aber auch zu einer Austauschplattform für die Designszene und hat sich zudem zu einem Ort entwickelt, an dem Dinge nicht nur abgebildet, sondern auch neue Themen aufgemacht und neue Perspektiven eröffnet werden, an dem Experimente möglich sind. Das ist meiner Meinung nach die große Leistung der
Vienna Design Week.

Die aktuelle Ausgabe haben Sie noch gemeinsam mit Lilli Hollein konzipiert, die nächste werden Sie alleine verantworten. Welche Pläne haben Sie für die Vienna Design Week?
Roland: Es gibt seitens der Organisationsplattform der Vienna Design Week, der Fördergeber und Sponsoren ganz klar den Auftrag an mich, dass Festival weiterzuentwickeln. Allerdings ist es noch zu früh, um zu sagen, was da genau passieren wird. Was ich aber schon sagen kann, ist, dass wir verstärkt einen Fokus auf die Vermittlung setzen werden, dass wir versuchen werden, möglichst vielen Menschen zu vermitteln, was Design im Alltag, in unserer Gesellschaft und im öffentlichen Raum bewirken und verändern kann. Wir wollen zudem auch vermehrt Projekte beauftragen, weil wir Themen auf diese Weise aktiv angehen können.

Das diesjährige Motto lautet ‚Bridges not Boarders‘: Warum haben Sie dieses Motto gewählt?
Roland: Einerseits bezieht sich das Motto auf die Brigittenau, unseren diesjährigen Fokusbezirk, der als Flusslandschaft maßgeblich von Brücken geprägt ist. Andererseits versteht sich die Vienna Design Week grundsätzlich als Vernetzerin. Es geht auf der einen Seite darum, bei unserem Publikum eine Wertschätzung für die Arbeit von Designern zu erzeugen, zu vermitteln, was die tun und was das Schöne, Nützliche an deren Produkten ist. Auf der anderen Seite geht es natürlich auch um eine internationale Vernetzung, darum, österreichisches Design im Ausland zu promoten, aber auch darum, internationale Designer nach Wien zu holen. Wir präsentieren ja auch jedes Jahr ein Gastland und dessen Designszene, wobei heuer nicht nur eine einzelne Nation, sondern mit Europa gleich ein ganzes multinationales Kooperationsprojekt Gastland ist.

Was erwartet die Besucher bei ‚Gastland Europa‘?
Roland: Viele der Herausforderungen, mit denen sich die EU konfrontiert sieht, lassen sich aus dem Blickwinkel der Gestaltung betrachten und bearbeiten. So sind Themen wie Nachhaltigkeit, Digitalisierung, die Schaffung inklusiver Identitäten, die Förderung interdisziplinärer und grenzüberschreitender Zusammenarbeit sowie der Aufbau partizipativer Prozesse nicht nur Kernaufgaben der Europäischen Union, sondern auch Betätigungsfelder vieler Designer. Mit Unterstützung des Bundeskanzleramtes im Rahmen der ‚Konferenz zur Zukunft Europas‘ gehen wir daher der Frage nach, was die EU für die Kreativwirtschaft und was die Kreativwirtschaft für die EU tun kann. Näherkommen kann man den Herausforderungen und Möglichkeiten der europäischen Zusammenarbeit am ‚Dorfplatz EU’ in der Festivalzentrale am Sachsenplatz.

Der diesjährige Fokusbezirk ist die Brigittenau: Was macht den Bezirk interessant?
Roland: Dort ist am Gelände des ehemaligen Nordwestbahnhofs in den nächsten Jahren ein großes Stadterweiterungsprojekt geplant. Für den Bezirk wird dieses Projekt einen großen Veränderungsprozess einleiten. Uns interessiert die Frage, wie dieses Projekt gestaltet sein muss, damit es einen Mehrwert für den ganzen Bezirk bringt und nicht nur ein Fremdkörper bleibt.

Worauf dürfen sich Design-Interessierte heuer besonders freuen?
Roland: Wir bespielen über 50 Locations in der ganzen Stadt, erste Anlaufstelle ist aber die Festivalzentrale am Sachsenplatz, dort erhält man einen guten Überblick über das gesamte Geschehen. Wir haben unterschiedliche Formate, die sich mit verschiedenen Themen auseinandersetzen, zum Beispiel das Format ‚Stadtarbeit‘, das sich mit Social Design, also mit der Frage, wie das Zusammentreffen von Menschen im öffentlichen Raum gestaltet werden kann, beschäftigt. Gemeinsam mit der Wirtschaftsagentur Wien gestalten wir zum vierten Mal das Format ‚Urban Food & Design‘, das sich mit der Lebensmittelversorgung in der Stadt auseinandersetzt. Und dann gibt es noch unsere mehr als 70 Programmpartner – Unternehmen, Museen, Institutionen, Initiativen und Designbüros, die sich und ihre Arbeit mit eigens für das Festival erarbeiteten Beiträgen vorstellen. Dabei kann man etwa einer Kalligrafin bei der Arbeit über die Schulter zu schauen, eine Ausstellung über junges polnisches Design oder die Präsentation des Social Business Eoos Next besuchen, das einen tragbaren DIY-Schongarer, der einfach und günstig selbst hergestellt werden kann, vorstellt.

Sie bieten ja auch zahlreiche Führungen an …
Roland: Das ist uns tatsächlich ein sehr großes Anliegen. Wir haben Touren für Schulklassen, es gibt Thementouren wie zum Beispiel jene zu verschiedenen Architektur-Highlights im 20. Bezirk. Und dann haben wir auch noch ganz spezielle Formate wie etwa zwei Beisl-Touren, bei denen der Künstler Hans Schabus und die Sängerin Katarina Maria Trenk ihre Lieblingslokale präsentieren, oder eine Tour zu den besten Skatespots im 20. Bezirk.