Der demografische Wandel wird erhebliche Auswirkungen auf den Standort Österreich haben. „Ich habe oft das Gefühl, dass die derzeitige Entwicklung massiv unterschätzt wird“, betont Monika Köppl-Turyna, Direktorin von EcoAustria, bei der Präsentation ihrer Analyse, welche Handlungsfelder den Staatshaushalt noch weiter unter Druck setzen werden.
So wird die erwerbstätige Bevölkerung (auch mit Migration) bis zum Jahr 2060 spürbar schrumpfen. Die Statistik Austria rechnet mit einem Rückgang von derzeit 5,5 Mio. auf etwa 5,2 Mio. Menschen. Im selben Zeitraum wird die Bevölkerungsgruppe 65+ um etwa eine Million auf knapp 3 Mio. Menschen anwachsen. „Das heißt, das Verhältnis von der arbeitenden zur pensionierten Bevölkerung wird bei weniger als 2 zu 1 liegen. Das wird die Nachhaltigkeit der Pensionen massiv beeinträchtigen und Auswirkungen auf die öffentlichen Finanzen haben“, sagt Köppl-Turyna.
Was in diesem Kontext auch oft übersehen wird, ist die steigende Lebenserwartung. Im Jahr 2070 steigt die Lebenserwartung von Männern auf 86,3 Jahre, jene von Frauen auf 90,2 Jahre. Die Pensionszeiten verlängern sich dadurch um jeweils rund fünf Jahre. Kurz gesagt: Weniger Menschen arbeiten, während mehr Menschen länger Pension beziehen. Das setzt natürlich die staatliche Pension, die sogenannte erste Säule und damit den Grundpfeiler des Pensionssystems, unter Druck.
Leistungen sinken
Während der EU-Schnitt bei 11 Prozent liegt, gibt Österreich schon jetzt 13,7 Prozent des BIP für Pensionen aus. Die Ausgaben werden bis 2070 allerdings nicht dramatisch steigen, was aber kein Grund zur Freude ist, wie Köppl-Turyna betont: „Der Preis dafür, dass die Ausgaben nicht komplett aus dem Ruder laufen, ist, dass die Pensionen gemessen am vorherigen Einkommen künftig sinken werden.“ So wird das Verhältnis von Durchschnittspension zu Durchschnittslohn von derzeit 56 Prozent auf 45 Prozent im Jahr 2070 sinken. Für viele wird der gewohnte Lebensstandard allein mit der staatlichen Pension nicht mehr zu sichern sein. Und mit der größer werdenden Pensionslücke steigt das Risiko der Altersarmut. Zudem werde nicht nur gerne die eigene Lebenserwartung unterschätzt, sondern auch die Lebenshaltungskosten im Alter unterbewertet.
Es gibt aber Lösungen, die die öffentlichen Ausgaben für Pensionen relativ gering halten, ohne dass Pensionisten einen Nachteil haben, weiß Köppl-Turyna. Dabei geht es immer um Modelle der kapitalgedeckten Vorsorge. „Das bedeutet, dass die Pensionisten auch vom Wirtschaftswachstum profitieren und nicht nur die Inflation abgegolten wird.“ In Schweden beispielsweise wird ein Teil der einbezahlten Pensionsbeträge veranlagt. In Dänemark unterliegen fast alle der betrieblichen Zusatzrente, einem kapitalgedeckten, beitragsorientierten System. Im Vereinigten Königreich gibt es zwar keine zweite Säule, dafür wird die private Vorsorge mit guten Investitionsbedingungen „stark beanreizt“ und auch staatlich bezuschusst. Eine kapitalgedeckte Vorsorge sei laut Köppl-Turyna „wahrscheinlich der ‚best shot‘, um die öffentlichen Finanzen nachhaltig zu sanieren“.
Säulen stärken
„Das Versprechen der ersten Säule kann nur eingeschränkt gehalten werden. Diese Feststellung ist nicht neu, aber es wird immer dringlicher, sich hier etwas zu überlegen“, mahnt VVO-Generalsekretär Christian Eltner und fordert eine nachhaltige Stärkung der zweiten und dritten Säule, sprich betriebliche und private Pensionsvorsorge. Individuelle Vorsorge mit Rentenleistung werde immer wichtiger, um den Lebensstandard im Alter zu sichern. Zusätzlich entlastet sie das staatliche Pensionssystem, indem sie eine zusätzliche finanzielle Absicherung bietet.
Dafür müssten aber die Rahmenbedingungen verbessert werden, wie Eltner unterstreicht. Die betriebliche Zukunftssicherung bietet Unternehmen aktuell die Möglichkeit, pro Arbeitnehmer bis zu 300 Euro im Jahr in eine Lebens-, Unfall- und/oder Krankenversicherung zu investieren. Dieser Betrag wurde nie angepasst und müsse laut VVO längst auf 1.200 Euro valorisiert werden. Das hätte nicht nur eine bessere Vorsorge für den Mitarbeiter zur Folge, sondern zahle auch auf das Arbeitgeber-Image ein. Ebenso zu begrüßen wäre unter anderem eine Halbierung der Versicherungssteuer auf 2 Prozent sowie ein Entfall der Steuer bei nachhaltigen Produkten.
Handlungsbedarf evident
Zweiter großer Kostenfaktor für die Staatskasse ist der Klimawandel und seine Folgen. Alleine die Schäden des Hochwassers im Osten Österreichs vor fast genau zwei Monaten werden auf 600 bis 700 Mio. Euro geschätzt. Für das gesamte Jahr rechnet man mit einer Schadenssumme zwischen 1,6 und 2 Mrd. Euro, sagt VVO-Präsident Rémi Vrignaud. Bisher waren es etwa 1 Mrd. pro Jahr. „Wir sehen die Zunahme der versicherten Schäden bereits jetzt schon. Der volkswirtschaftliche Schaden ist aber deutlich höher und belastet in der einen oder anderen Form das öffentliche Budget.“
Unterschiedliche Szenarien prognostizieren zudem eine Steigerung im Jahr 2050 gegenüber 2010 um das Vier- bis Achtfache. Der Klimawandel wird neben Schäden durch Flusshochwasser auch hohe Kosten für die Energiewirtschaft, das Gesundheitswesen, die Forstwirtschaft sowie den Tourismus verursachen. „Sicher ist, dass der Klimawandel voll im Gange ist und dass Extremwetterereignisse deutlich am Zunehmen sind“, bekräftigt Vrignaud. Der Handlungsbedarf sei also evident, denn das derzeitige System, wie Naturkatastrophen in Österreich abgesichert werden, ist nicht effizient.
Einziges Instrument ist der Katastrophenfonds, der sich aus Steuereinnahmen speist und kürzlich von 600 Mio. auf 1 Mrd. Euro aufgestockt wurde. Wenn die Aufwände für die Klimafolgen noch weiter steigen, führe das zu einer weiteren Belastung des öffentlichen Budgets. Zudem habe man als betroffene Person keinen Rechtsanspruch auf Mittel aus dem Katastrophenfonds, wie Vrignaud anmerkt.
Erprobte Lösung
Deshalb fordert der VVO zur finanziellen Absicherung der Bevölkerung „eine Naturkatastrophenversicherung, die tragfähig und sozial verträglich ist“. Bei diesem Lösungsvorschlag orientiert man sich an erprobten Lösungen aus anderen Ländern, wie beispielsweise Belgien, wo es eine Partnerschaft zwischen Versicherungsindustrie und der öffentlichen Hand gibt.
Die Naturkatastrophenversicherung soll an die Feuerversicherung, die so gut wie jeder in Österreich hat, gekoppelt werden. Durch das Prinzip der Solidarität wird das Risiko gesamthaft getragen und eine sozialverträgliche Prämie möglich. Die derzeit geringen Versicherungssummen von oft unter 10.000 Euro könnten dann durchschnittlich bis zu 500.000 Euro erreichen und demnach erheblich mehr Schaden abdecken.
„Die Versicherungswirtschaft ist eine maßgebliche Stütze der österreichischen Volkswirtschaft. Sie steht für Stabilität und trägt dazu bei, dass die Existenzen vieler Menschen in Österreich gesichert werden. Die Versicherer sehen sich dabei als Partner des Staates. Um diese verantwortungsvolle Aufgabe weiterhin zukunftsgerichtet erfüllen zu können, braucht es aber auch verbesserte Rahmenbedingungen“, heißt es seitens des VVO in Richtung einer neuen Bundesregierung und deren Budgetpläne.