Wiener Immobilienmarkt unter Druck

Der bisher moderate nominale Preisrückgang bei Wohnimmobilien soll sich heuer weiter verschärfen, zeigt eine Analyse von Raiffeisen Research. Mehr Menschen setzen daher auf Miete statt auf Eigentum.

Wien von oben mit Blick auf den Stephansdom
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Der rapide Zinsanstieg seit Juli 2022 und die Verschärfung der Kreditvergaberegeln für die Banken im Sommer 2023 haben die Karten auf dem österreichischen Wohn­immobilienmarkt neu gemischt und auch zu einigen Verwerfungen geführt. Den fast zwei Jahrzehnte andauernden Preisauftrieb löste im Vorjahr eine noch moderate Korrekturphase ab, die Raiffeisen Research zufolge heuer deutlich stärker ausfallen soll. Den größten preislichen Rückgang bei Wohnimmobilien in den ersten drei Quartalen 2023 verzeichnete Wien mit einem Minus von 4 Prozent im Jahresvergleich. Damit gingen die Preise in der Bundeshauptstadt doppelt so stark zurück wie im Rest Österreichs.

„Die Preisrückgänge auf dem Wiener Markt werden sich 2024 fortsetzen, der Großteil der Korrektur steht noch bevor“, erklärt Matthias Reith, Immobilienexperte bei Raiffeisen Research. Vor allem die Leistbarkeit von Wohneigentum sei in der Bundeshauptstadt besonders angespannt und auf dem niedrigsten Niveau seit dem Jahr 1993. In Summe erwartet der Raiff­eisenanalyst für 2023 und 2024 einen Rückgang der Wiener Immobilienpreise um nominal 15 Prozent im Schnitt und damit fast doppelt so stark wie im restlichen Bundesgebiet, wo die Wohnimmobilienpreise um 8 Prozent fallen dürften. 

In der Leistbarkeitsdebatte müsse aber erwähnt werden, dass die durchschnittliche, selbstgenutzte Wiener Eigentumswohnung seit dem Jahr 2000 um rund 9 Quadratmeter größer geworden ist – von 79 auf 88 m2. „Größere Wohnungen bedeuten auch höhere Kaufpreise. Würden sich die Haushalte mit der Wohnfläche des Jahres 2000 begnügen, wären Eigentumswohnungen im Durchschnitt um 11 Prozent günstiger zu haben“, geht aus der Raiffeisen-Analyse hervor. Damit würde die monatliche Kreditrate beim Kauf einer Wohnung im Jahr 2023 von 55 auf 49 Prozent sinken.

Leistbarkeit soll sich verbessern

Insgesamt steht dem Immobilienmarkt aber eine Rosskur bevor, die mittelfristig die Leistbarkeit, die sich im Vorjahr auf dem Tiefpunkt der letzten Jahrzehnte befand, verbessern sollte. Neben den fallenden Immobilienpreisen werden heuer leicht niedrigere Zinsen und steigende Einkommen erwartet. So sollten die nominalen Haushaltseinkommen der Österreicher von 2023 bis 2025 in Summe um 21 Prozent zulegen. Große Sprünge sollte man sich aber nicht erwarten. „Alles in allem dürfte Wohneigentum jedoch auch nach der laufenden Korrekturphase deutlich teurer bleiben als vor der Corona-Pandemie“, prognostiziert Reith. So betrage das seit dem ersten Quartal 2020 verzeichnete Preisplus der österreichischen Wohnimmobilien – trotz der aktuellen Rückgänge – noch immer 29 Prozent.

Für die weitere Marktentwicklung spielen allerdings die realen Immobilienpreise, also die Preisentwicklung unter Einbeziehung der Inflation, die entscheidende Rolle. Zeiten hoher Inflation wie aktuell in Österreich implizieren selbst bei stagnierenden Preisen „bereits satte reale Wertverluste“, betont Reith. Selbst bei stagnierenden Preisen bis Ende 2025 würde sich bei der prognostizierten Inflation von Raiffeisen Research der reale Wertverlust auf 14 Prozent aufsummieren. Zum Vergleich: Ein genauso großes reales Minus von 14 Prozent hätte in den Jahren der niedrigen Inflation etwa von 2018 bis 2020 einen nominalen Preisrückgang von 10 Prozent erfordert, veranschaulicht Reith. Bei der aktuellen Entwicklung – 7,7 Prozent Jahresinflation 2023 und 3,9 Prozent 2024 – werden österreichweit reale Preisrückgänge bis Ende 2024 von bis zu 20 Prozent erwartet.

Grafik Wiener Immobilienpreise

Neubau legt weiter zu

Allerdings sind davon nicht alle Wohnimmobilien-Kategorien gleich betroffen, so Reith. So hätten sich neu errichtete Wiener Wohnungen im dritten Quartal 2023 im Jahresabstand vor allem aufgrund des drastischen Schubes bei den Baukosten um 2,2 Prozent weiter verteuert, im restlichen Bundesgebiet sogar um 4,6 Prozent. Auch wenn die Materialkosten im Vorjahr von den Preisspitzen des Jahres 2022 bereits weit entfernt seien (–10 Prozent), habe sich an den gesamten Baukosten aufgrund der Lohnsteigerungen (+9 Prozent zum Mai 2022) unter Strich aber kaum etwas verändert. „Kostentreiber sind mittlerweile nicht mehr Materialien, sondern steigende Löhne, die immerhin für knapp die Hälfte der gesamten Baukosten stehen“, so Reith. Dieser anhaltende Preisauftrieb bei Neubauten habe den Preisrückgang am Gesamtmarkt etwas abgemildert. Denn gebrauchte Wohneinheiten waren in Wien im Berichtszeitraum um knapp 7 Prozent billiger und im restlichen Bundesgebiet um 3,5 Prozent.

Die Konsolidierungsphase am Immobilienmarkt dürfte auch über das heurige Jahr hinaus anhalten. Der zinsliche Gegenwind sollte trotz der eingepreisten Zinssenkungen im heurigen Jahr „weiterhin beträchtlich“ bleiben, ist Reith überzeugt. Zudem befinde sich der Markt angesichts der Leistbarkeit nach wie vor in einer Findungsphase, in der die Preisvorstellungen von Käufern und Verkäufern auseinanderklaffen und daher insgesamt weniger Transaktionen zustande kommen werden – trotz eines zumindest zeitweise deutlich gestiegenen Angebots an Immobilieninseraten. Im Vorjahr gab es insgesamt rund 110.000 Immobilientransaktionen in Österreich, nach über 145.000 im Jahr 2022. 

Zuzug nimmt ab

Bei den fundamentalen Entwicklungen hält der demografische Rückenwind am Immobilienmarkt zwar weiter an, lässt aber in Zukunft etwas nach. „Die demografischen Gewinner von gestern werden auch die demografischen Gewinner von morgen sein“, so Reith. Auch in Zukunft dürften die Bundesländer Wien und Vorarlberg den stärksten Bevölkerungszuwachs verzeichnen. So wird erwartet, dass Wien bis 2030 um 0,6 Prozent pro Jahr wächst. In den zehn Jahren bis 2023 war es mit durchschnittlich 1,3 Prozent mehr als doppelt so viel. Dazu kommt, dass es in Wien seit Jahren einen Nachfrageüberhang nach Wohnraum gibt. Diesen beziffern die Raiffeisen-Experten per Ende 2023 mit knapp 55.000 Wohneinheiten. Auf Bezirks-ebene ist die Nachfrage in den Randbezirken am höchsten, vor allem in der Donaustadt, wo auch der größte Zuzug stattfindet. Zudem lag Wien bei den Fertigstellungen pro 1.000 Haushalte zwischen 2011 und 2021 im Bundesländervergleich an letzter Stelle. Daran dürfte sich auch in den Jahren 2023 bis 2025 nichts grundlegend ändern, geht aus der Raiffeisen-Analyse hervor. 

Die Finanzierung von Wohneigentum wird sich im neuen Jahr – trotz deutlich rückläufiger Immobilienpreise – für viele Menschen weiterhin herausfordernd gestalten. „Wir setzen alles daran, unseren Kunden weiterhin die Schaffung von Wohneigentum zu ermöglichen. Schließlich ist dieses die beste Vorsorge für leistbares Wohnen im Alter und ein Schlüsselfaktor für den Aufbau von Wohlstand“, betont Michael Höllerer, Generaldirektor der Raiffeisenlandesbank NÖ-Wien. Dazu hat die Bank etwa den „Solidarkredit“ entwickelt, bei dem die Haftung für einen Kredit auf mehrere Personen verteilt wird. Ab fünf Kreditnehmern – zum Beispiel zwei künftige Eigentümer sowie weitere solidarisch Mithaftende, etwa Familienangehörige – falle die Finanzierung nicht in die Bestimmungen der KIM-Verordnung.

Miete wieder gefragter

Von der Gesamtentwicklung dürfte allerdings insbesondere der Mietmarkt profitieren. Schon in der Vergangenheit war Wien der mit Abstand größte Mietmarkt Österreichs. „Im Zuge der verschärften Regularien und der gestiegenen Zinsen hat sich die Nachfrage nach Mietobjekten nun nochmals deutlich intensiviert“, berichtet Peter Weinberger, Geschäftsführer von Raiffeisen Immobilien NÖ/Wien/Burgenland. Ein klares Indiz dafür sei, dass viele Käufer gezwungen seien, in den Mietsektor auszuweichen. „Dieser Trend wird auch 2024 anhalten“, ist Weinberger überzeugt, der daher mit weiter steigenden Mieten rechnet.