„Licht am Ende des Tunnels“

Der Wohnimmobilienmarkt dürfte die größte Korrekturphase hinter sich haben, auch wenn sich der Preisrückgang heuer noch fortsetzen könnte. Spätestens ab 2026 sollten fallende Zinsen und steigende Einkommen den Markt wieder drehen.

Der österreichische Wohnimmobilienmarkt befindet sich weiterhin im Korrekturmodus. Seit der Zinswende Mitte 2022 gingen die Preise bisher vor allem für gebrauchte Immobilien im Schnitt um rund 5 Prozent zurück, während die Preise im Neubau relativ stabil blieben.

„Diese Zweiteilung des Marktes ist ein Trend, der gekommen ist, um zu bleiben“, konstatierte Matthias Reith, Immobilienexperte von Raiffeisen Research. Berücksichtigt man zudem die Inflation, kommen noch bis zu 10 Prozent reale Wertverluste hinzu. „Damit wurden sämtliche seit der Corona-Pandemie gesehenen realen Preiszuwächse ausradiert. Die reale Korrektur in Österreich ist noch nicht vorbei, der Großteil der notwendigen Anpassungen liegt jedoch bereits hinter uns“, erklärt der Ökonom.

So haben mit der österreichischen Situation vergleichbare globale Immobilienzyklen nach dem Erreichen ihres preislichen Höhepunkts im Schnitt eine reale Preiskorrektur von 20 Prozent erfahren. Daher erwartet der Raiffeisen-Experte auch für das zweite Halbjahr 2024 eine Fortsetzung der nominalen Preiskorrektur im Schritttempo, gefolgt von stagnierenden Preisen in weiten Teilen des Jahres 2025. „Spätestens 2026 dürfte Wohneigentum aber wieder teurer werden“, prognostiziert Reith.

EZB zwischen den Stühlen

Gegen eine zeitnahe Trendwende spricht auch der zinsseitige Gegenwind. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat den Abstieg vom Zinsgipfel begonnen, vollzieht diesen aber nur in Trippelschritten. „Wir rechnen heuer mit einer weiteren Zinssenkung im Dezember“, so Reith. Die EZB sitze aktuell zwischen zwei Stühlen: Die Konjunkturlage in Europa sei alles andere als berauschend und die Inflation in Teilbereichen noch immer weit vom EZB-Ziel von 2 Prozent entfernt.

„Zwar wächst die Konjunktur im Euroraum geringfügig, ein Aufschwung sieht aber anders aus“, betont der Finanzexperte. Zudem bereite den Notenbankern die weiterhin hohe Dienstleistungsinflation in der Eurozone von rund 4 Prozent Kopfzerbrechen, während die Güterinflation deutlich zurückgegangen sei. Das spreche eigentlich für einen kräftigeren Zinssenkungszyklus.

Unter dieser konjunkturellen Gemengelage – hohe Baukosten, hohe Zinsen und eine strengere Kreditvergabe – wurde vor allem der Wohnbau in Mitleidenschaft gezogen. „Österreich hat ein Wachstumsproblem, seit einigen Wochen ist klar, auch heuer wird die heimische Wirtschaft schrumpfen – und das liegt auch an der Wohnbaurezession, die europaweit fast ihresgleichen sucht“, erklärt Reith.

„Wer auf geringere Baupreise wartet, kann lange warten.“

Matthias Reith

Seit Mitte 2022 sei die reale Wohnbauleistung in Österreich um 18 Prozent zurückgegangen. Die Fertigstellungszahlen werden in den nächsten Jahren drastisch zurückgehen. In den Ballungszentren sei Wohnraum jetzt schon knapp, das werde sich in den nächsten Jahren so fortsetzen. Die Wohnraumknappheit sollte die Preise im Neubau stützen, die sich trotz der widrigen Rahmenbedingungen von stabil bis leicht steigend entwickeln dürften.

„Mit dem Blick auf die Baukosten ist weder kurz- noch mittelfristig mit einer Entspannung zu rechnen. Die Personalkosten haben die Materialkosten als Preistreiber Nummer eins abgelöst. Wer auf geringere Baupreise wartet, kann lange warten“, sagt Reith. Trotz dieser Herausforderungen bleibt die Investition in Wohneigentum aber lohnenswert. Mieten bedeuten kontinuierlich steigende Ausgaben, während Eigentum eine relativ stabile Wertanlage darstellt, die langfristig Sicherheit bietet. 

Gamechanger Einkommen

Beim zentralen Thema Leistbarkeit könne man mittlerweile „für den österreichischen Immobilienmarkt Licht am Ende des Tunnels“ erkennen. Neben der bereits erwähnten Zinssenkung dürften vor allem die steigenden Einkommen als Gamechanger dazu beitragen.

„Zwischen 2023 und 2026 dürften die Haushaltseinkommen in Summe über 20 Prozent ansteigen“, sagt Reith. Die Folge: Wer im Jahr 2022 ein durchschnittliches Einfamilienhaus in Österreich erwerben wollte, hätte elf Jahresnetto-Haushaltseinkommen aufwenden müssen. Im Jahr 2025 sollte sich das auf acht verringern. „Wohneigentum wird nicht viel billiger, aber leistbarer“, konstatiert der Ökonom. Hintergrund dafür sei die Inflationsabgeltung in den Lohnverhandlungen. Dazu Reith: „Die Inflation war für die Haushalte gestern eine Belastung, verbessert aber heute und morgen die Leistbarkeit von Wohneigentum.“

Hans-Christian Vallant, Gerhild Bensch-König und Matthias Reith
Hans-Christian Vallant, Gerhild Bensch-König und Matthias Reith beleuchten aus unterschiedlichen Perspektiven die Herausforderungen für den österreichischen Wohnimmobilienmarkt. © RBI

Mit den gestiegenen Löhnen und den sinkenden Zinsen haben die Menschen etwas an Unsicherheit verloren und ziehen wieder Investitionen in Wohneigentum in Betracht. „Wohneigentum ist immer eine Absicherung für die Zukunft und ein gewisser Vermögensaufbau“, sagt Gerhild Bensch-König, Geschäftsführerin von Raiffeisen WohnBau. Dennoch sei die Unsicherheit am Markt spürbar. Es werde viel länger beraten, die Interessenten wollen öfter besichtigen und lassen sich Zeit bei ihrer Investitionsentscheidung. Das führe zu längeren Verkaufszeiten.

„Aber wir verkaufen weiterhin Wohnungen in allen unseren Projekten und sind zuversichtlich, dass wir unsere Ziele erreichen werden“, so Bensch-König. Raiffeisen WohnBau habe heuer insgesamt sechs neue Wohnbauprojekte gestartet und habe ausreichend Kraft, um diese Projekte wirklich fertigzustellen.

In wirtschaftlich unsicheren Zeiten sei die Bonität des Bauträgers besonders wichtig. Hier habe Raiffeisen WohnBau durch die starke finanzielle Basis der Raiffeisenbankengruppe einen Marktvorteil und genieße zudem als Teil der Giebelkreuz-Familie das Vertrauen der Kunden. Auch den Bauträgern helfen die sinkenden Zinsen, um ihre Projekte zu kalkulieren und umzusetzen. In der Nullzinsphase und der Corona-Pandemie seien vor allem die Preise für Baugrundstücke kräftig angestiegen. „Dort sehe ich in Zukunft den größten Hebel, damit es wieder zu Preissenkungen kommen könnte“, erklärt Bensch-König. 

Kredite weiter rückläufig

Die angespannte Lage am Wohnimmobilienmarkt spiegelt sich auch bei den Finanzierungen wider. Das rückläufige Geschäft spürt auch die Raiffeisen Bausparkasse (RBSK) als Marktführer mit rund 1,3 Millionen Kunden deutlich. Heuer wurden per Ende August Darlehen in Höhe von 334 Mio. Euro vergeben, ein Rückgang um 5,2 Prozent im Jahresvergleich.

Der echte Einbruch habe von 2022 auf 2023 mit einem Minus von rund 60 Prozent stattgefunden, erinnert RBSK-Geschäftsführer Hans-Christian Vallant und fügt hinzu: „Wir haben normalerweise eine Finanzierungsleistung von 1,2 bis zu 1,5 Milliarden Euro pro Jahr.“ Für heuer rechnet er mit einer Finanzierungsleistung von rund 500 Mio. Euro. Die Nachfrage beginne wieder etwas anzuziehen.

Die größte Sorge der Kunden sei, ob sie sich eine Wohnimmobilie überhaupt noch leisten könnten. Zudem sei die Nachfrage nach variabel verzinsten Krediten zum Erliegen gekommen, teilweise werde auch auf fix verzinste Darlehen umgeschuldet, berichtet Vallant über Trends bei den Finanzierungen. Dabei zeigen sich auch regionale Unterschiede: In den teureren Bundesländern Wien, Salzburg, Tirol und der Steiermark stieg die Nachfrage zuletzt im Vergleich zum Vorjahr stark an. Hingegen verzeichneten Niederösterreich, Burgenland, Oberösterreich und Vorarlberg deutliche Nachfragerückgänge.

Sanierung stärker im Fokus

Angesichts der fast unerschwinglichen Kosten für Neubauten rücken Sanierungen und Renovierungen verstärkt in den Fokus vieler Eigentumssuchender, berichtet der RBSK-Geschäftsführer: „Unsere Daten zeigen, dass der Anteil an Darlehen für Zubau, Umbau oder Renovierung und Sanierung auf ein historisches Hoch von einem Drittel gestiegen ist. Gründe hierfür sind der rapide Anstieg der Baukosten, die hohe Inflation seit dem Ukraine-Krieg, gestiegene Zinsen und strengere Kreditvergaberegeln.“ Dagegen gehen mittlerweile lediglich 8 Prozent der Finanzierungen in Neubauprojekte. Zum Vergleich: 2021 wurden fast 40 Prozent der RBSK-Darlehen für den Neubau vergeben. Vor allem junge Menschen könnten sich Eigentum kaum mehr leisten, daher werde umgebaut, zugebaut und der Bestand saniert oder renoviert, sagt Vallant.

Um wieder mehr Dynamik in den Wohnimmobilienmarkt zu bekommen und damit die Schaffung von Eigentum zu fördern, fordert der RBSK-Geschäftsführer von der künftigen Bundesregierung vor allem zielgerichtete Maßnahmen, um Eigentum wieder erschwinglicher zu machen. Österreich habe im europäischen Vergleich immer noch eine niedrige Eigentumsquote. Helfen würde etwa, wenn man die Grunderwerbsteuer und die Eintragung ins Grundbuch beim Ersterwerb einer Immobilie bis zu einem Betrag von 500.000 Euro streichen würde.

Angesichts der hohen Immobilienpreise sollte die Grenze der Bauspardarlehensobergrenze von derzeit 260.000 auf 350.000 Euro pro Person angehoben werden. Darüber hinaus plädiert Vallant für die Anhebung der Sanierungsrate von 1,5 auf 3 Prozent, wie es im aktuellen Regierungsprogramm steht: „Revitalisierung von Wohnraum im Altbestand muss absolute Priorität für die künftige Bundesregierung haben. Das ist eine der nachhaltigsten Möglichkeiten, um Wohnraum zu schaffen, die Bodenversiegelung einzudämmen und die Energieeffizienz zu erhöhen.“

AusgabeRZ39-2024

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