Zwischen Spieltrieb und Veranlagung

Trading-Plattformen wie Bitpanda erleichtern vor allem jüngeren Menschen den Einstieg ins Wertpapiergeschäft. Fehlendes Finanzwissen kann aber auch für Überraschungen sorgen.

Trading App auf einem Smartphone geöffnet
© Adobe Stock

Kürzlich sorgte Raiffeisen NÖ-Wien mit der Ankündigung, eine Kooperation mit der Trading-Plattform Bitpanda zu prüfen, für Aufsehen. Durch die Integration des Bitpanda-Angebots in die eigene Onlinebanking-App „Mein Elba“ wäre die Raiffeisenlandesbank NÖ-Wien das erste traditionelle Kreditinstitut in der Europäischen Union, das Kryptowährungen und andere Asset-Klassen in ihr digitales Veranlagungsangebot aufnimmt. Andere Fintechs und Onlinebanken wie zum Beispiel N26 haben solche Kooperationen mit Bitpanda bereits umgesetzt.

Mit der geplanten Kooperation will man auf veränderte Kundenbedürfnisse reagieren, erläutert Curt Chadha, Head of Strategy & Innovation bei der Raiffeisen-Holding NÖ-Wien: „Der Trend am Markt geht dahin, dass Kunden selbstbestimmt veranlagen möchten – auch kleinteilig, möglichst einfach, zu jeder Zeit und von jedem Ort aus.“ Bis jetzt bieten das nur Trading-Plattformen wie Bitpanda, die mit dem Handel von Kryptowährungen begonnen haben, aber mittlerweile auch andere Asset-Klassen wie ETFs, Teilaktien oder Rohstoffe im Portfolio haben.

Das Interesse wächst

Dass das Interesse an Veranlagung und Investieren in der „Sparbuch-Nation“ Österreich generell wächst, zeigt das aktuelle Aktienbarometer (2023, 2.000 Befragte), durchgeführt von Marktforscher Peter Hajek im Auftrag von Aktienforum, Industriellenvereinigung und Wiener Börse: Mittlerweile besitzt jeder vierte Österreicher Wertpapiere. Am beliebtesten sind Investmentfonds/ETFs (19 Prozent), gefolgt von Aktien (13 Prozent) und Anleihen (6 Prozent). Vor drei Jahren lag der Anteil der Wertpapierbesitzer noch bei 14 Prozent. Zudem haben 25 Prozent jener, die noch keine Wertpapiere besitzen, grundsätzlich Interesse an einem Investment bekundet. 80 Prozent der Aktienbesitzer wollen zudem in weitere Papiere investieren.

Genauso steigt die Bedeutung von digitalen Assets im Anlagemix: Laut einer EY-Studie aus dem Jahr 2022 mit 1.500 Teilnehmern sind – trotz laufender Turbulenzen – Kryptowährungen unter den Anlageformen die beliebteste modernere Investitionsform – rund 14 Prozent haben in Bitcoins & Co investiert. Und die Hälfte der Befragten, die aktuell Kryptowährungen besitzen, hat ihr Wallet beim österreichischen
Fintech Bitpanda.

Junge kaufen eher online

Die „Wertpapier-Studie“ der Arbeiterkammer (2022, 1.000 Teilnehmer) zeigt zudem, dass vor allem jüngere Menschen online oder via App ihre Wertpapierkäufe tätigen: „Die Altersgruppe der 20- bis 29-Jährigen sowie die Altersgruppe der 30- bis 39-Jährigen vertrauen dem ‚Internet (Investment App, Online-Broker, …)‘ als Kaufkanal am meisten von allen Altersgruppen (jeweils 29 Prozent).“

Wenn also digitale Anlageformen und Trading-Apps immer beliebter werden, liegt es nahe, ein solches Produkt auch den eigenen Kunden anzubieten, sagt Curt Chadha: „Uns ist wichtig, für jedes Kundenbedürfnis das Richtige anzubieten.“ Ansprechen will man demnach vor allem digital-affine, meist jüngere Menschen. Gleichzeitig bietet die Kooperation mit Bitpanda die Chance, einem breiten Kundensegment den Zugang zur Veranlagung und zum Wertpapiergeschäft zu erleichtern bzw. das Interesse dafür zu wecken.

Gamification als Gefahr

Kritik gibt es aber auch – gerade, weil die Plattformen jungen Menschen oder Personen mit begrenztem Kapital den Einstieg ins Börsegeschäft erleichtern. Denn die Hoffnung auf schnelle Gewinne ist meist groß und – in der Theorie – nur ein paar Klicks entfernt. Das kann aber zu riskanterem Anlageverhalten verleiten, das wiederum vom verspielten Design vieler Apps – Stichwort Gamification – begünstig wird. 

Es sei jedenfalls bedenklich, „wenn die durch das Online-Trading erreichte Kundengruppe mit begrenzten finanziellen Mitteln zu höheren Risiken und somit zu einer Art Glücksspiel verleitet wird“, heißt es in einer Studie, die von der Universität St. Gallen in Zusammenarbeit mit der Universität Paderborn und der New York University 2021 durchgeführt wurde. 

Risiken kennen

Letztlich hängt es davon ab, mit welchen Zielen man als User eine Trading-App nutzt. Ob spekulatives Daytrading oder langfristiger Vermögensaufbau, möglich ist dort beides. Letzteres ist – statistisch gesehen – die gewinnbringendere Variante, aber gleichzeitig auch weniger aufregend. Da bedarf es der Selbstdisziplin, Trigger oder am besten gleich die ganze App über Wochen oder Monate zu ignorieren und der Zeit ihre Arbeit tun zu lassen. Wichtig ist es, den Unterschied zu kennen, um das Risiko der eigenen Absichten etwas besser einschätzen zu können.

Leider mangelt es hier in Österreich aber gewaltig: 72 Prozent jener, die noch keine Wertpapiere besitzen, gaben beim heurigen Aktienbarometer an, zu wenig über den Markt zu wissen. Bei der Wertpapier-Studie der Arbeiterkammer waren es 53 Prozent, die sagten, sich bei Wertpapieren nicht genug auszukennen. Was auffällt: Gerade die 20- bis 29-Jährigen geben am häufigsten an, dass sie sich nicht „gut genug auskennen“, um ein Wertpapier zu erwerben (61 Prozent) – ebenso die 30- bis 39-Jährigen (60 Prozent).

Gut beraten

„Finanzbildung ist der große Schlüssel“, betont Valentin Hofstätter, Leiter Raiffeisen Bankenbetreuung bei der Raiffeisen KAG, der trotz laufender nationalen Finanzbildungsstrategie Defizite sieht: „Es fehlt an Basiswissen über Kapitalmärkte, Veranlagung und Vermögensaufbau. Kann man das nicht objektiv vermitteln, bleibt es bei den Banken und Fondsgesellschaften hängen, für mehr Aufklärung zu sorgen.“ Die Raiffeisen KAG versucht zum Beispiel, in Kooperationen mit Raiffeisenbanken gezielt junge Menschen mit Online-Veranstaltungen zu erreichen. „Dort informieren wir über die Grundlagen beziehungsweise klären über ganz banale Zusammenhänge auf“, so Hofstätter. Dabei werden auch keinerlei Produkte vorgestellt, sondern rein über die Chancen und Risiken sowie die Grundidee des langfristigen Investierens gesprochen. Das sei zwar nur ein Tropfen auf den heißen Stein, aber man bleibe dran.

Ideen und Kooperationen, die für mehr Menschen das Interesse am Wertpapiergeschäft wecken, seien prinzipiell zu begrüßen. Von dort aus sei der Schritt für die Kunden auch nicht mehr weit, um vom Know-how der Raiffeisen-Berater zu profitieren und so das Wissen weiter in die Breite zu bekommen.