Immer weniger sorgen vor

Mangelndes Finanzwissen sorgt vielfach für Unsicherheit beim Vermögensaufbau. Die junge Generation setzt stärker als andere auf die Unterstützung im Familienkreis.

Die private finanzielle Vorsorge fürs Alter wird in Österreich immer mehr vernachlässigt, obwohl die überwältigende Mehrheit von 71 Prozent der 16- bis 60-Jährigen sie grundsätzlich für wichtig hält, zeigt eine repräsentative österreichweite Umfrage von Raiffeisen Versicherung und Uniqa. Denn immer weniger Menschen treffen konkrete Maßnahmen, um ihren künftigen Lebensstandard zu verbessern: So gaben 2021 noch 44 Prozent an, fürs Pensionsalter vorzusorgen, 2022 waren es dann 41 Prozent und heuer sank dieser Anteil sogar auf 37 Prozent. Dieses Phänomen sei als „Knowledge-Behavior-Gap“ bekannt, das die Diskrepanz zwischen dem Wissen und dem tatsächlichen Verhalten einer Person beschreibt, erklärt WU-Professorin Bettina Fuhrmann bei der Präsentation der Umfrage. 

Man müsse den Menschen die Möglichkeiten, die ihnen zur Vorsorge offen stehen, näherbringen und gut kommunizieren. Ein wesentlicher Aspekt dabei sei das Finanzwissen, das selbstständige und verantwortungsvolle Entscheidungen ermögliche. Finanzielle Selbstständigkeit habe einen hohen Wert. Mangelndes Finanzwissen könne man vor allem bei Vorsorgethemen beobachten, betonte auch Peter Eichler, Vorstand der Uniqa Group für Personenversicherungen und Asset Management. Es gehe aber auch um den bewussten Umgang mit Geld, um sich später etwa in der Pension etwas leisten zu können. Gerade wenn man ein geringes Einkommen im Alter habe, können zusätzliche Beträge viel bewirken.  

Durchgeführt wurde die Studie vom Marktforschungsinstitut MindTake Research – heuer bereits in dritter Auflage. Befragt wurden 3.152 Personen im Alter zwischen 16 und 60 Jahren sowie zusätzlich 928 Personen im Alter zwischen 62 und 77 Jahren, um auch die sogenannte „Baby-Boomer-Generation“ miteinbeziehen zu können. Dieses Jahr lag der Schwerpunkt der Umfrage auf den Unterschieden, Gemeinsamkeiten und Abhängigkeiten der Generationen – von der Generation Z (16 bis 27 Jahre), über die Generation Y (28 bis 42 Jahre) und Generation X (43 bis 58 Jahre) bis hin zu den bereits erwähnten Baby-Boomern (59 bis 77 Jahre).

Große Unsicherheit bei Gen Z

Erwartungsgemäß ist die Unsicherheit bei der jüngsten befragten Generation (Gen Z) in Bezug auf finanzielle Vorsorge am größten. Lediglich 20 Prozent dieser Altersgruppe haben bereits konkrete Maßnahmen ergriffen, um sich finanziell abzusichern, und nur 40 Prozent verfügen über geeignete Informationsquellen dazu. Ein Grund für die geringe Bereitschaft vorzusorgen sei die verbreitete Ansicht, noch ausreichend Zeit dafür zu haben. 

„Je früher man beginnt, desto besser.“

Bettina Fuhrmann

Fuhrmann zufolge spielen auch Defizite beim Finanzwissen eine Rolle: „Nur jeder Zweite kann mit dem Zinseszins-Effekt etwas anfangen.“ Daher sei es vielen auch nicht bewusst, welche Effekte damit erreicht werden können. Darüber hinaus werden die Aussichten, wie lange man selbst in Pension sein werde, häufig falsch eingeschätzt. Außerdem fehle den Jüngeren der Bezug zur finanziellen Vorsorge. Fuhrmann verdeutlicht das folgendermaßen: Wenn man die jüngere Generation fragt, wie viel sie heute für ihren Lebensabend auf die Seite legen wollen, dann werden meist geringe Beträge genannt. Zeigt man ihnen ein Foto, wie sie selbst mit 60 oder 65 Jahren ausschauen könnten, steigen die Beträge. „Das sind Impulse, die ihnen für ihr Bewusstsein fehlen“, so Fuhrmann. Eichler sieht daher einen starken Aufklärungsbedarf: „Es ist nachvollziehbar, dass jüngere Menschen weniger an ihre Altersvorsorge denken und sich kaum darum kümmern. In finanzieller Hinsicht ist das aber nicht richtig. Je früher man beginnt, desto besser ist es.“

Familie als erste Anlaufstelle

Die Umfrage zeigt auch, dass die Generation Z bei der Altersvorsorge auch auf die Familie zählt. So profitiert diese Altersgruppe finanziell am meisten von Beiträgen der Eltern oder Großeltern. Bei 63 Prozent dieser Generation wurden zumindest teilweise finanzielle Unterstützungen durch die Eltern übernommen, und bei 36 Prozent sogar komplett oder zum Großteil. Zum Vergleich: Im Österreich-Schnitt liegen diese Werte bei 29 bzw. 14 Prozent und in der Baby-Boomer-Generation sogar bei vergleichsweise niedrigen 12 bzw. 3 Prozent.

Doch nicht nur bei der Altersvorsorge wird etwa auf die Eltern gesetzt, auch bei vielen Anschaffungen gibt ein Viertel der Befragten an, zumindest eine größere finanzielle Unterstützung in Anspruch genommen zu haben. Hier zeigen sich kaum Unterschiede zwischen den Generationen. Anders sieht es bei den Erwartungen aus: So rechnen 28 Prozent der Generation Z weiterhin mit finanzieller Unterstützung seitens der Eltern, was signifikant über dem Durchschnitt liegt: Bei der Generation Y sind es 13 Prozent und der Generation X
8 Prozent.

Die mit Abstand am häufigsten genutzten Anlageformen über die Generationen hinweg sind Sparkonten oder -bücher (57 Prozent), gefolgt von Bargeld (37 Prozent) und Lebens- und Pensionsversicherung (36 Prozent). Viele haben in ihren Köpfen das Sparbuch als sicher abgespeichert, dass die hohe Inflation einen spürbaren Kaufkraftverlust mit sich bringe, sei ihnen oft nicht bewusst, warnt Fuhrmann. Dazu komme, dass das Veranlagungsverhalten oft vererbt werde, besonders die Generation Z nutze häufig (49 Prozent) dieselben Anlageformen wie ihre Eltern. Weiters geben viele Befragte an, sich bei den Kapitalanlageformen nicht gut auszukennen, was dazu führe, dass sie solche Veranlagungsformen meiden. „Grundsätzlich ist es vernünftig, nicht in etwas zu gehen, was man nicht versteht. Der Lösungsansatz wäre aber, es besser zu verstehen, um eine bewusste Entscheidung dafür oder auch dagegen treffen zu können“, appelliert Fuhrmann.

Bettina Fuhrmann, Leiterin des Instituts für Wirtschaftspädagogik sowie Gründerin und Leiterin des neu eröffneten Zentrums für Finanzbildung an der Wirtschaftsuniversität Wien, Martina Oberrauch, Studienleiterin und Senior Research Consultant bei MindTake Research, und Peter Eichler, Vorstand für Personenversicherung bei Uniqa, präsentieren die Ergebnisse der Finanzvorsorgestudie 2023 von Uniqa und Raiffeisen Versicherung.
Bettina Fuhrmann, Leiterin des Instituts für Wirtschaftspädagogik sowie Gründerin und Leiterin des neu eröffneten Zentrums für Finanzbildung an der Wirtschaftsuniversität Wien, Martina Oberrauch, Studienleiterin und Senior Research Consultant bei MindTake Research, und Peter Eichler, Vorstand für Personenversicherung bei Uniqa, präsentieren die Ergebnisse der Finanzvorsorgestudie 2023 von Uniqa und Raiffeisen Versicherung. © Uniqa/Tanzer

Hohes Vertrauen in Banken

Über alle Generationen hinweg vertrauen die Menschen in Österreich bei ihrer finanziellen Vorsorge am meisten ihren Partnern (59 Prozent), den Eltern (41 Prozent) und den eigenen Kindern (32 Prozent). Danach folgen die Banken und Bankberater (29 Prozent), andere Familienmitglieder (26 Prozent) und Versicherungen und Versicherungsberater (20 Prozent). „Finfluencer“ oder Social Media rangieren mit jeweils 7 Prozent am unteren Ende der Vertrauensskala. Bei der jüngsten Generation der Umfrage spielen die beiden letzten Informationsquellen mit 17 bzw. 16 Prozent dagegen eine wesentlich größere Rolle. 

Die generelle Leistbarkeit der Altersvorsorge ist jedoch nicht für jeden gegeben. Unter allen Befragten gaben 34 Prozent an, sich die finanzielle Vorsorge für das Alter nicht leisten zu können. Im Vergleich zum Vorjahr hat der Anteil um 3 Prozentpunkte zugenommen. „Diese Erkenntnis ist nicht neu, aber hat sich noch einmal verschärft“, so Eichler. Uniqa verzeichne leichte Rückgänge in den Verkaufszahlen bzw. es werde auch mehr auf die Bestände bei den Versicherungsprodukten zugegriffen. „Das ist sicher auch ein Zeichen der hohen Inflation“, so Eichler weiter.

Ruf nach mehr Finanzbildung

Die Finanzvorsorge-Studie zeigt den Bedarf einer besseren finanziellen Bildung und eines frühen Beginns der finanziellen Planung auf, sind sich die Experten einig. Denn je früher Menschen beginnen, sich mit finanzieller Vorsorge auseinanderzusetzen, desto besser können sie ihre langfristige Zukunft absichern. So fordern 86 Prozent der Befragten zwischen 16 und 60 Jahren, dass Kinder und Jugendliche das Grundwissen im Bereich der Finanzthemen von den Eltern und von der Schule vermittelt bekommen sollten. Knapp die Hälfte (48 Prozent) gibt an, dass dieses Finanzwissen bereits in der Unterstufe vermittelt werden sollte. 20 Prozent plädieren sogar für das Volksschulalter. In der Retrospektive geben 73 Prozent aller Befragten an, dass sie sich wünschten, dass sie schon als Kind bzw. in der Jugend mehr Grundwissen über Finanzen vermittelt bekommen hätten. „Das sind Ergebnisse, die man über viele Studien hinweg sieht“, so Fuhrmann. Daher sollte bereits im Volksschulalter damit begonnen werden, über bestimmte Themen kindgerecht zu sprechen, wie über das Sparen oder auch über den Wert auf etwas warten zu können, eine Tugend, die heutzutage immer mehr in den Hintergrund tritt. 

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