Bis zum Jahr 2030 müssen laut Green Deal alle Neubauten in der EU Nullemissionsgebäude sein, bis 2050 auch alle bestehenden Gebäude zu diesen umgewandelt werden. „Es werden außergewöhnliche Kraftanstrengungen notwendig sein, um bis 2050 einen klimaneutralen Gebäudebestand vorweisen zu können“, betont Dieter Aigner, Geschäftsführer der Raiffeisen KAG, zuständig für Fondsmanagement und Nachhaltigkeit.
Im Green Deal hat die Europäische Kommission auch angekündigt, die Investitionen zur Erhöhung der Energieeffizienz bei Gebäuden deutlich auszuweiten. Aktuell sind rund 35 Prozent der Gebäude über 50 Jahre alt und 75 Prozent gelten als energieineffizient. Im Rahmen einer Renovierungsoffensive will die EU bis 2030 jährlich zusätzlich 275 Mrd. Euro an Investitionen in diesem Bereich tätigen. „Das sind enorme Summen, die gleichzeitig auch große Investmentchancen in unterschiedlichen Sektoren offenbaren: Denn die Profiteure dieser Initiative sind unter anderem auch Industrie- und IT-Unternehmen, die in Bereichen wie Wärmedämmung oder elektrische und digitale Gebäudeinfrastrukturen tätig sind“, so Aigner in der neuen Ausgabe des Infomagazins „Nachhaltig investieren“ der Raiffeisen KAG, die sich diesmal der „Bauwirtschaft im Wandel“ widmet.
Nachhaltig investieren
Die Akteure der Bau- und Gebäudewirtschaft, wie Bauherren, Architekten, Immobilienentwickler, Unternehmen der Bauindustrie, Wissenschafter und viele andere Stakeholder, werden durch ihre Entscheidungen ebenfalls viel Einfluss darauf haben, ob es gelingt, die CO₂-Emissionen im Bausektor und beim Gebäudebestand einzudämmen. Aktuell kommen 38 Prozent der globalen CO₂-Emissionen aus der Bau- und Gebäudewirtschaft, 8 Prozent der globalen CO₂-Emissionen sind auf die Zementproduktion zurückzuführen. In Österreich verursacht die Bauindustrie 9,4 Prozent der CO₂-Emissionen.
„Auch die Finanzwirtschaft ist Teil dieses wichtigen Vorhabens. Ihr Beitrag muss sein, die Industrie bei der Transformation zu unterstützen, Kreislaufwirtschaft zu fördern und den Unternehmen, die die Notwendigkeit des Wandels noch nicht erkannt haben, bis auf Weiteres auch kein Kapital zur Verfügung zu stellen“, betont Aigner. Wichtig werde es sein, auf allen Ebenen im Dialog zu bleiben oder in den Dialog zu treten, um gemeinsam den ökologischen Fußabdruck zu verkleinern.
Für eine solide ESG-Bewertung bei Gebäuden müssen – von der Planung bis zum Bau, der Nutzung und dem Abriss – alle Komponenten einberechnet werden. Dabei gibt es oft keine eindeutige Klassifikation als „Schwarz“ oder „Grün“. Beispielsweise sind emissionsintensive Baustoffe oft langlebig und auch alternativlos für einige Bauprojekte. Ohne Zement gibt es etwa keine Windkraftwerke. Beton sollte in Zukunft aber nur mehr sehr selektiv und für langfristige Anwendungsfälle genutzt werden, wo es keine technischen Alternativen gibt.
Vernetztes Denken
Um die Bauwirtschaft klimaneutral zu machen, wird es eine Kombination unterschiedlicher Maßnahmen brauchen. „Vernetztes Denken ist ein ganz wichtiges Ziel geworden“, betont Karin Stieldorf von der TU Wien, Institut für Hochbau. So ist die Baubranche etwa verantwortlich für einen großen Anteil des globalen Mülls. „Recycling von Bauschutt gestaltet sich je nach Baustoff unterschiedlich, hat aber jedenfalls noch großes Potenzial“, schreibt Nachhaltigkeitsexperte Mathias Zwiefelhofer von der Raiffeisen KAG in seinem Leitartikel.
Die Kreislaufwirtschaft biete große Hoffnungen für eine Kehrtwende in der Bauwirtschaft, doch noch stünde man hier ganz am Anfang. „Wir müssen aber nichts neu erfinden, es gilt nur alle Beteiligten zusammenzubringen, um nachhaltiges Bauen wirklich stärker ins Leben zu rufen“, ist Johann Marchner, Geschäftsführer Wienerberger Österreich, überzeugt. Höhere Energieeffizienz von Gebäuden ist laut den Experten bei Neubauten generell keine allzu große Herausforderung, allerdings im Altbestand.