Kepler-Fonds: „Übertriebener Optimismus ist normal“

Die Kursentwicklung an den Aktienmärkten hat 2024 für positive Überraschungen gesorgt. Zinssenkungen, Trump und geopolitische Konflikte werden die Anlagestrategie 2025 beeinflussen, wie David Striegl, Leiter Aktienfondsmanagement bei Kepler-Fonds, erklärt.

2024 war ein gutes Aktienjahr und die Euphorie hält auch nach der Trump-Wiederwahl an. Auch der DAX verzeichnet neue Höchststände. Woher kommt dieses positive Sentiment, wenn es wirtschaftlich gesehen ja durchwachsen läuft?
David Striegl: Die Stimmung ist nicht überall gut, sondern hauptsächlich von den Amerikanern getragen. Der US-Aktienmarkt ist heuer um 35 Prozent (in Euro umgerechnet) gewachsen, dementsprechend ist die Stimmung positiv. In Europa schaut es anders aus – mit einem Kursplus von rund 10 Prozent auf den MSCI Europe. Die Performance-Differenz zwischen USA und Europa ist von historischem Ausmaß. Also selbst wenn der DAX neue Höchststände erreicht, der gesamteuropäische Markt tut sich schwer. Makroökonomisch schwächeln die Zugpferde der vergangenen Jahrzehnte, Deutschland und Frankreich. Wir sehen also große regionale Unterschiede und bei Innovationskraft, Profitabilität, Wachstumsstärke und Qualität haben die USA die Nase vorne.

Die positive Aktienmarktentwicklung war im Vorjahr von wenigen Tech-Titeln getrieben. Welche Branchen waren 2024 die Treiber? 
Striegl: Die Wachstumstitel in den USA haben den Markt wieder getrieben. Die „Magnificent Seven“ haben 75 Prozent Plus gemacht – großteils getrieben von Nvidia, deren Aktie fast 200 Prozent zugelegt hat. Wenn die größten Titel der Welt steigen, dann zieht das den Gesamtmarkt nach oben, so war es seit dem Aufkommen von ChatGPT Ende 2022. Jetzt wird aber auch der Rest des Marktes zunehmend besser, also auch die Smallcaps-Seite. Seit Donald Trump die Wahl gewonnen hat, der ja eher für Deregulierung und Steuerentlastungen steht, sind die Small-Caps stark gestiegen und haben die Large-Caps outperformt. Wir sehen also einen gesünderen, breiteren Markt. 

Während der DAX heuer bereits um rund 21 Prozent gestiegen ist, ist der heimische Leitindex ATX nur um 5 Prozent gestiegen.
Striegl: Das überrascht mich wenig, wenn man sich die Zusammensetzung der Titel und deren Gewichtung anschaut. Der ATX ist schwer vergleichbar mit einem growth-getriebenen Index. Wir haben keine Wachstumswerte, sondern eine andere Struktur des Index. Der ATX ist ein Kursindex und demnach sind Dividenden nicht enthalten. Beim DAX hingegen sind auch Dividenden mitberücksichtigt. Würde man dies beim ATX auch machen, wäre die Performance anstatt bei 5 bei 10,5 Prozent.

Bei Kepler fließt seit vielen Jahren Behavioral Finance in die Investmentstrategie hinein. Was zeigen diese Daten momentan an?
Striegl: Es geht in Richtung übertriebener Optimismus, aber das ist normal, denn seit dem Trump-Sieg hat der gesamte Aktienmarkt über sieben Prozent zugelegt. Trotz Tendenz zum Überoptimismus sehen wir kein Signal für eine Aktienuntergewichtung.

Wie schauen Ihre makroökonomischen Prognosen für 2025 aus? Und was bedeuten diese für die Finanzmärkte?
Striegl: Die Notenbanken sind weiterhin im Zinssenkungsmodus – quer über den Globus, mit Ausnahme von Japan. Die Zinssenkungen werden die Wirtschaft insbesondere in Europa wieder beleben. Ein neues Thema ist allerdings der Trump-Sieg, der tendenziell inflationstreibend sein könnte. Trump will Steuern senken und Zölle einführen, alles Dinge, die inflationstreibend wirken. Auf dem Finanzmarkt sind Zinssenkungen schon eingepreist, doch die Erwartungen werden möglicherweise nun enttäuscht. Wir nehmen im Aktienbereich deshalb nun auch eine kleine Strategieänderung vor und gehen jetzt von Growth-Titeln mehr in Richtung Value-Aktien, weil wir die Zinssenkungserwartungen als übertrieben erachten. 

Welche Value-Titel haben Sie im Fokus?
Striegl: Titel in den Sektoren wie Gesundheitswesen oder Basiskonsum-Bereich, aber eigentlich gibt es Value-Unternehmen quer über verschiedenste Sektoren. Auch im Finanzbereich gibt es Value-Titel, die attraktiv bewertet sind und etablierte Geschäftsmodelle haben, die weniger stark auf Wachstum angewiesen sind. Wachstum ist nämlich schwieriger zu erreichen, wenn Zinsen hoch sind. 

Was bedeuten die Zinsentwicklungen für den Anleihenmarkt?
Striegl: Sinkende Zinsen sind in der Regel positiv für den Anleihenmarkt in Bezug auf die Kursentwicklung bestehender Anleihen. Gleichzeitig wird es jedoch schwieriger, neue Anleihen mit attraktiven Renditen zu finden. Wir haben momentan aber noch ein attraktives Fenster, was die Renditen betrifft. Wir sind aktuell im Rentenbereich neutral positioniert.

Wie ist man bei Aktien positioniert?
Striegl: In unseren Mischfonds sind wir auch bei Aktien neutral gewichtet und heben uns damit durchaus ein bisschen ab, denn die Mehrheit hat den Aktienbereich teilweise schon das ganze Jahr über untergewichtet. Wir sehen, dass die Aktienmärkte schon teuer bewertet sind, aber wir sehen auch das langfristige Potenzial. 

Die meisten Fondsmanager sind noch für 2025 optimistisch. Wie lange kann denn dieser Bullenmarkt insbesondere in den USA noch anhalten?
Striegl: Ich gebe ungern Prognosen ab. Meine Meinung ist: Aktien steigen langfristig und man muss kurzfristige Volatilität aushalten, ansonsten sollte man nicht investieren. Statistiken zeigen, dass es seit 1970 nur eine 10-Jahres-Periode gegeben hat, in der man mit Aktien nichts verdient hat. Nur zwischen 1999 und 2008 hat man nichts verdient, aber auch nichts verloren. Ja, wir haben momentan viele Krisenpotenziale, aber die haben wir auch schon im letzten Jahr gehabt und trotzdem ein Kursplus von 30 Prozent. Ich glaube, es kann noch weitergehen, rechne aber damit, dass 2025 volatiler wird. In den vergangenen zehn Jahren hat der Aktienmarkt durchschnittlich 12 Prozent zugelegt, das entspricht nicht dem längerfristigen Schnitt. Der Performance-Schnitt der nächsten Jahre wird niedriger sein, aber einen großen Marktzusammenbruch oder eine tiefe Rezession sehe ich momentan nicht. 

Die Unternehmensgewinne haben viele positiv überrascht, vor allem in den USA, aber auch in Europa. Warum hat man diese unterschätzt?
Striegl: Analysten sind schon länger etwas zu negativ eingestellt und die Unternehmen wollen auch positiv überraschen. Sie geben also einen verhaltenen Ausblick und können dann überraschen. In den letzten zehn Jahren haben durchschnittlich 75 Prozent der US-Unternehmen die Analysten-Erwartungen übertroffen. 

Wo sehen Sie aktuell Risikofaktoren für die Finanzmärkte?
Striegl: Die Makroökonomie ist ein Risikofaktor: Hier ist entscheidend, wie sich die Inflation entwickelt und die Notenbanken damit umgehen. Dann ist die Geopolitik ein Faktor: Wir haben große Konfliktherde in Europa und im Nahen Osten, da ist Eskalationspotenzial vorhanden und das würde den gesamten Markt natürlich erschüttern. Und Trump ist natürlich auch ein großer Unsicherheitsfaktor, weil ein Handelskrieg wäre extrem schlecht für den globalen Markt. Insgesamt muss man aber sagen, dass man in jedem Jahr Krisenpotenziale hat. In Europa muss man jetzt auch aufpassen, dass wir uns nicht wegregulieren, also nicht mehr wettbewerbsfähig sind. 

Kommen die Emerging-Markets-Aktien irgendwann zurück?
Striegl: Die Emerging Markets haben lange Zeit stark underperformt gegenüber USA und Europa. Wobei im MSCI-Emerging-Markets-Index ist China sehr stark gewichtet und China hat strukturelle Probleme: steigende Verschuldung im Immobilienbereich, Jugendarbeitslosigkeit, schwächelnder Konsum, deflationäre Tendenzen. Als die chinesische Regierung Konjunkturpakete angekündigt hat, hat der Markt in einem Monat über 30 Prozent zugelegt, aber seither geht es wieder nach unten. Der Emerging-Markets-Index hat heuer ein Kursplus von 15 Prozent, also weit entfernt vom US-Wert. Wir sind eher skeptisch, ob die chinesischen Maßnahmen umgesetzt werden und wirken. Zusätzlich droht ein Handelskrieg mit den USA. Auch Mexiko wird von Trumps Politik betroffen sein. Die Unsicherheit ist momentan zu groß, um Chancen wahrzunehmen, deshalb sind wir bei Emerging Markets neutral gewichtet.

Kryptowährungen, insbesondere Bitcoin, boomen. Wie lange kann das noch anhalten? 
Striegl: Ich bin sehr skeptisch, was Kryptowährungen betrifft. Ich sehe keinen fundamentalen Wert und weiß nicht, was man mit einer Kryptowährung machen kann. Es könnte also eine große Blase sein, die irgendwann platzt. Es könnte aber auch irgendwann ein Use-Case gefunden werden, bei dem man Kryptowährungen sinnvoll einsetzen kann. Die Volatilität ist allerdings für normale Geschäfte und die Planungssicherheit in Unternehmen nicht tragbar. Bitcoin wird somit als Zahlungsmittel nicht eingesetzt, sondern ist ein reines Spekulationsmittel.

AusgabeRZ50-2024

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