„In disruptiven Zeiten ist es notwendig, sich neu zu sortieren“, erklärt Josef Pröll, Obmann des Raiffeisen-Revisionsverbandes NÖ-Wien, am Beginn der Generalversammlung über das Geschäftsjahr 2023/24. Das gelte nicht nur für die Europäische Union und Österreich, sondern auch für Genossenschaften und den Revisionsverband selbst.
„Wir werden uns klarer positionieren als in der Vergangenheit. Klarheit ist in einer angespannten Situation wichtig“, betont Pröll. Die Servicierung durch den Revisionsverband gehe dabei weit über die Prüftätigkeit hinaus: „Wir verstehen uns auch in Zukunft als beratender und unterstützender Partner für unsere Mitglieds-Genossenschaften.“ Deren Anzahl ist in den vergangenen fünf Jahren um 52 auf 287 Genossenschaften angestiegen. 32 Neumitglieder sind Energiegenossenschaften.
„Das zeigt, wie Genossenschaft auch für neue Geschäftsmodelle interessant sein kann“, freut sich Pröll. Zum Potpourri von Genossenschaften gehören seit dem Vorjahr auch Ärztegenossenschaften und eine Optikergenossenschaft. „Es tut sich wirklich viel und wir sollten gemeinsam stolz auf diese Erfolgsgeschichten sein“, so der Obmann.
Neue Machtblöcke
Gerade in turbulenten und instabilen Zeiten hält es Raiffeisen-Generalanwalt Erwin Hameseder für opportun, die großen Zusammenhänge von Gesellschaft, Politik und Wirtschaft zu analysieren, deren Auswirkungen in einzelnen Genossenschaften spürbar sind. Die Konfliktherde in der Ukraine, im Gazastreifen, zwischen China und Taiwan, aber vor allem die Trump-Politik müsse man genau beobachten.
Hameseder stellt fest: „Wir entwickeln uns in neue Machtblöcke hinein. Wir müssen realisieren und analysieren, wenn sich Amerika als Partner aus Europa teilweise verabschiedet, dann hat es massive Auswirkungen auch auf Österreich.“
Die schwache Konjunktur im Euroraum und die Rezession in Österreich sorgten zusätzlich für ein pessimistisches Stimmungsbild in der Gesellschaft. Diesen Umstand sieht Hameseder als klaren Auftrag: „Wir bei Raiffeisen sind aufgefordert, uns damit zu beschäftigen und nachzudenken, welchen Beitrag wir leisten können, um optimistischer in die Zukunft blicken zu können.“ Sich nur auf die Politik zu verlassen, sei zu wenig: „Wir müssen uns auch auf uns selber verlassen – auf strategischer und operativer Ebene. Wir müssen unsere Häuser in Ordnung halten.“
Starkes Fundament
Den 42 niederösterreichischen Raiffeisenbanken sei es im Vorjahr trotz aller Herausforderungen gelungen, gute Ergebnisse zu erwirtschaften und damit ein starkes Fundament für die Zukunft zu legen. Das Betriebsergebnis 2024 liegt bei rund 675 Mio. Euro oder 2,1 Prozent der durchschnittlichen Bilanzsumme. „Das ist ein leichter Rückgang zu 2023, aber trotzdem noch immer ein stabiles, positives Ergebnis“, analysiert Pröll. Die Kundenanzahl ist weiter auf über 1,17 Millionen gestiegen. Die durchschnittliche Bilanzsumme beträgt 750 Mio. Euro, die Bandbreite ist jedoch groß.
Die größte Primärbank ist fast 30-mal so groß wie die kleinste Raiffeisenbank. Vier Banken haben über zwei Mrd. Euro Bilanzsumme. Die Konzentration ist dabei noch nicht abgeschlossen, so stehen für heuer und 2026 weitere Fusionen an.
Druckpunkte aufzeigen
Eine Herausforderung für die Bankengruppe bleiben die gewerblichen Immobilienfinanzierungen, aufgrund derer die Risikokosten im Vorjahr deutlich angestiegen sind. „Die Revision wird in Zukunft noch mehr Bedeutung haben“, betont Hameseder und erwartet vom Revisionsverband konkrete Maßnahmen und „verstärkt spezifische Prüfungen“ zur Prävention.
Pröll nimmt den Handlungsauftrag ernst und will beim Aufzeigen von Risiken klarer auftreten als in der Vergangenheit. Protokolle würden belegen, dass die Revision bereits 2017 und 2018 auf die Entwicklungen der gewerblichen Immobilien hingewiesen habe. Pröll betont allerdings: „Der Revisionsverband zeigt Druckpunkte, kann aber niemals operativ das Ding geradebiegen, das liegt in der Verantwortung der genossenschaftlichen Organe vor Ort.“ Man werde allerdings zukünftig mehr motivieren, Organverantwortung entlang der Hinweise der Revision vorzunehmen.
Lagerhäuser unter Druck
Eine „angespannte und herausfordernde Situation“ attestiert Pröll auch für die 13 operativen Lagerhaus-Genossenschaften. Seit den absoluten Rekordjahren während der Corona-Pandemie gehen die Umsätze und Ergebnisse zurück, bei gleichzeitigen Kostensteigerungen. 2023 waren die Umsätze um 8 Prozent rückläufig. „Und es geht 2024 weiter mit einem Umsatzrückgang von minus 5,4 Prozent“, berichtet Pröll und fordert: „Diese Entwicklung müssen wir genau im Auge haben, weil jede einzelne Genossenschaft darauf zu reagieren hat. Zwischen Kostendisziplin und notwendigen strukturellen Maßnahmen wird sich die Gesundung der Lagerhäuser abspielen.“
Der Heimmarkt sei durch die stockende Baubranche, unterdurchschnittliche Ernten und hohe Kollektivvertragsabschlüsse weiterhin geschwächt und auch das Schlaglicht der Baywa drücke die Stimmung. Pröll appelliert: „Jeder wird sich den Herausforderungen stellen müssen. Zu warten und zu glauben, es wird jemand anderer erledigen, wird auch hier nicht funktionieren.“
Positiv entwickelte sich im Vorjahr die Milchgenossenschaft MGN, die angelieferte Milchmenge ist nur leicht auf 429 Mio. Kilogramm gesunken. Und auch die 12 Winzergenossenschaften seien gut unterwegs, obwohl die Traubenanlieferung wetterbedingt um 5,4 Prozent auf 23,1 Mio. Kilogramm zurückgegangen ist. Die Zukunft des Genossenschaftswesens wächst in Niederösterreich in drei Schülergenossenschaften heran.
Stabilität geben
„Es ist wichtig, Genossenschaften hochzuhalten und weiterzuentwickeln, wie etwa beim Thema erneuerbare Energien. Es gibt aber auch andere Bereiche, wo man in Zukunft gemeinschaftlich stärker arbeiten muss, um die Zukunft entsprechend gestalten zu können“, ist Johannes Schmuckenschlager, Präsident der Landwirtschaftskammer Niederösterreich, in seiner Begrüßung überzeugt. Das große Ziel ist dabei, „in sehr turbulenten Zeiten Stabilität zu halten und zu geben“. Dem Revisionsverband als „Ordnungsgeber“ komme dabei eine wichtige Rolle zu. Pröll stellt klar: „Wir werden alles dafür tun, den Genossenschaftssektor in NÖ positiv in die Zukunft zu entwickeln.“