Wie sehr hat Sie das negative Halbjahresergebnis von 236 Millionen Euro vor Steuern überrascht?
Heinrich Schaller: Überrascht hat es mich nicht, weil wir unsere Ergebnisse natürlich laufend besprechen. Es ist den aktuellen Marktverhältnissen geschuldet, dass die Bewertungen von Unternehmen – insbesondere wenn sie börsenotiert sind – stark sinken. Das betrifft vor allem unsere Beteiligungen an Voest und RBI, macht mich aber nicht nervös, weil wir das durch unsere hohe Kapitalausstattung völlig ohne Probleme verkraften. Und auch das operative Geschäft läuft sehr gut. Würde man die Abwertungserfordernisse der beiden größten Beteiligungen der RLB OÖ herausrechnen, dann hätten wir ein Betriebsergebnis von plus 454,7 Millionen Euro.
Ist es nicht ein bizarre Situation: Die RBI schreibt zum Halbjahr 1,7 Mrd. Euro Gewinn und die RLB OÖ aufgrund der RBI-Beteiligung einen Verlust. Wie passt das zusammen?
Schaller: Die RBI muss ja ihren eigenen Wert nicht berechnen, damit hat sie „bilanzielle Vorteile“. Die RBI hat ein wirklich sehr gut laufendes operatives Jahr, das haben wir auch. Wir haben halt zusätzlich das Thema, dass wir Werte berichtigen müssen. Das hat mit dem Operativen nichts zu tun und wird sich, glaube ich, in Bälde wieder relativeren.
Ist in so turbulenten Zeiten das Bewertungssystem nach IFRS noch passend? Sind die Bilanzen noch aussagekräftig?
Schaller: Sie sind schon aussagekräftig, aber IFRS ist sicher nicht die optimale Bilanzierungsform. Mit IFRS werden zum Beispiel Wertgewinne, auch wenn sie nicht realisiert sind, dem Eigenkapital zugerechnet. Wenn es wertmäßig nach unten geht, wird das wieder weggenommen. Nach IFRS ist es auch fast unmöglich Reserven zu bilden. Ob das richtig ist, gehört hinterfragt.
Gibt es dazu Diskussionen auf höherer Ebene?
Schaller: Es gibt eine Kommission, die sich laufend mit diesen Themen beschäftigt, die geht aber noch stärker in die Richtung keine Reservenbildung zuzulassen, sondern alles sofort mit dem jeweiligen Wert festzulegen.
Zurück zur RLB: Das Finanzierungsvolumen ist im ersten Halbjahr gestiegen, stark getrieben von vorgezogenen Immobilienfinanzierungen (+4,7 Prozent), aber auch Investitions- (+3,8 Prozent) und Betriebsmittelfinanzierungen (+4,5 Prozent). Wie wird sich die Kreditnachfrage weiter entwickeln?
Schaller: Das Wachstum von 3,8 Prozent gegenüber Ende 2021 ist ein Indikator für die erfolgreiche operative Geschäftsentwicklung der RLB OÖ. Allerdings werden die Betriebe jetzt schon ein wenig vorsichtiger, aber von einem drastischen Rückgang sind wir noch weit entfernt. Bei den Immobilienfinanzierungen merken wir, dass es durch die neue KIM-Verordnung im privaten Bereich sehr, sehr schwierig wird. Das merken alle. Die neue Verordnung hat massivste Schwachstellen, die ausgemerzt gehören. Es tritt jetzt genau das ein, wovor die Banken bei der Begutachtung der Verordnung gewarnt haben.
Wurden seit 1. August noch Immobilienkredite an Private vergeben?
Schaller: Das schon, aber es ist wirklich sehr eingeschränkt. Hier ist der Rückgang drastisch.
Im ersten Halbjahr sind die Spareinlagen um 0,8 Mrd. Euro zurückgegangen. Müssen die Kunden aufgrund der Teuerung auf ihr Erspartes zurückgreifen oder wie erklären Sie sich den Rückgang?
Schaller: Man kann daraus noch keine Tendenz in irgendeiner Art und Weise erkennen. Der weitere Verlauf wird sicherlich auch von den Zinssätzen abhängen.
„man muss sehr genau trennen zwischen Bewertungsergebnissen von Beteiligungen und operativem Geschäft.“
Heinrich Schaller
Sie sprechen davon, dass die Geschäftsentwicklung der RLB OÖ ein Spiegelbild der allgemeinen Wirtschaftslage ist. Trotzdem: Wo können Sie Stellschrauben drehen oder muss man sich treiben lassen?
Schaller: Treiben lassen wir uns nicht. Wenn man sich das Ergebnis anschaut, muss man sehr genau trennen zwischen Bewertungsergebnissen von Beteiligungen und operativem Geschäft. Im operativen Geschäft geht es uns sehr gut, da haben wir auch nach wie vor Zuwächse. Dass man in einer Situation wie der jetzigen bei der Kreditvergabe insbesondere gegenüber Unternehmen noch genauer hinschaut, das ist selbstverständlich, weil die gesamtwirtschaftlichen Aussichten im Moment nicht sehr rosig sind.
Die Kernkapitalquote ist um 1,6 Prozentpunkte im ersten Halbjahr gesunken – auf 14,4 Prozent. Macht Sie das nervös?
Schaller: In keinster Weise. Die Kernkapitalquote liegt weiterhin auf gutem Niveau. Wir sind zu Jahresbeginn bei 16,0 Prozent gestartet. Mit 14,4 Prozent sind alle Kursrückgänge verarbeitet, das deutet darauf hin, dass die RLB OÖ wirklich gut ausgestattet und stark ist.
Weitere Rückgänge wären also noch verkraftbar?
Schaller: Ich rechne nicht damit, dass sich die Börsenkurse nochmal in diesem Ausmaß nach unten entwickeln. Aber selbst wenn es noch ein Stück hinuntergeht, dann verkraften wir das leicht.
Auch 2020 war das erste Halbjahr aufgrund von RBI und Voestalpine negativ. Stellt man die Beteiligungen irgendwann in Frage?
Schaller: Nein. Wenn man dieses Geschäft betreibt, weiß man, dass die Bewertung insbesondere von börsenotierten Unternehmen sehr volatil sein kann. Wobei die RBI nicht nach Börsekurs bewertet wird, sondern nach einem Gutachten. Wichtig ist, dass man inhaltlich weiß, dass es einem Unternehmen von den Fundamentaldaten her gut geht, dann kann man auch relativ unbeeindruckt starke Rückgänge an den Börsen mental verkraften.
Die Risikovorsorgen sind im ersten Halbjahr deutlich gestiegen. Warum?
Schaller: Da muss man festhalten: Risikovorsorgen im Finanzierungsbereich resultieren zum Teil aus Modellrechnungen. Wenn sich gesamtvolkswirtschaftlich etwas verändert, fließen diese Faktoren – im Wesentlichen die Konjunktur, Entwicklung der Preise und Arbeitslosenquote – in die Modellrechnung ein und dann muss man als Bank entsprechende Vorsorgen treffen. Etwa drei Viertel dieser im ersten Halbjahr gebildeten Risikovorsorgen sind auf Portfolio-Risikovorsorgen zurückzuführen. Bei denen, wo Einzelvorsorgen zu bilden sind, sind wir wie in den letzten Jahren schon sehr konservativ.
Mit welchem Ergebnis rechnen Sie für das Gesamtjahr? Könnte es noch ins Positive drehen?
Schaller: Ja. Speziell was unser Haus betrifft, bin ich nicht so negativ eingestellt. Gesamtwirtschaftlich muss man schon sehr vorsichtig sein.
Raiffeisen OÖ war im ersten Halbjahr 2022 die stärkste Förderbank in Österreich und hat rund 60 Mio. Euro bzw. 30 Prozent aller genehmigten Kredite des Europäischen Wiederaufbau-Programms (aws erp-Kredite) abgewickelt. Würden Sie sich in der aktuellen Wirtschaftssituation mehr staatliche Unterstützung für Unternehmer wünschen?
Schaller: Die wirtschaftlichen Auswirkungen sind derzeit noch sehr gering, allerdings rechne ich damit, dass sich das im zweiten Halbjahr ändern wird. Also ja, wie in Pandemiezeiten, aber nur etwas gezielter. Unterstützungen überall dort, wo man sieht, dass einzelne Unternehmen wirklich eine Chance haben, ordentlich weiter zu bestehen.