Der wahre Duft der Kaisersemmel

Mit 2024 startet das AMA-Gütesiegel für Getreide, Brot und Gebäck. Die Eckpfeiler der Richtlinie für den Ackerbau wurden nun präsentiert. Die Erwartungen an das Qualitätsprogramm sind hoch.

„Backboxen sind in Wahrheit Blackboxen“, weiß Lorenz Mayr, Aufsichtsratsvorsitzender der AMA-Marketing. Niemand weiß genau, was drinnen steckt. Die Teiglinge können von einem anderen Kontinent kommen und trotzdem dürfte das Brot als österreichisches angeboten werden. Auch bei Mehl müssen Konsumenten ganz genau schauen, denn in Österreich vermahlener Weizen ist automatisch österreichisches Mehl. Der Konsument kann sich derzeit also nicht sicher sein, dass – selbst wo Österreich draufsteht – heimisches Getreide und Mehl in seinem Gebäck verarbeitet wurde. Dabei achten laut Umfrage 79 Prozent der Konsumenten bei Brot und Gebäck auf regionale Herkunft. 81 Prozent erwarten von Mehl mit österreichischer Herkunftsbezeichnung, dass das Getreide in Österreich geerntet wurde. Bei heimischem Brot erwarten 77 Prozent, dass Mehl aus Österreich verarbeitet wurde. 

„Momentan kann man das nicht garantieren. Eine Zollkodexregelung ist keine Herkunftsableitung im Sinne der Konsumenten. Die Qualitätssicherung entlang der gesamten Wertschöpfungskette ist lückenhaft. Ein AMA-Gütesiegel für den Ackerbau ist uns deshalb schon lange ein Anliegen. Corona und der Ukraine-Krieg haben das Thema stärker beflügelt“, betont Mayr. Im November des Vorjahres wurde schließlich die AMA-Novelle beschlossen, mit der das AMA-Gütesiegel auf Brot und Gebäck erweitert wurde. Das Qualitätsprogramm garantiert Anbau, Ernte, Aufbereitung, Vermahlung, Backen und Verarbeitung in Österreich. „Wir haben eine weiße Leinwand, die wir mit rot-weiß-roter Farbe füllen wollen. Wir wollen eine Nachvollziehbarkeit vom Feld bis zum Brot“, so Mayr. 

Breitenprogramm angestrebt

Als Erstes wurden nun die Gütesiegel-Kriterien für Acker- und Getreidebauern definiert. Martin Greßl, Leiter des Qualitätsmanagements der AMA-Marketing, hat die Ackerbaurichtlinie mit ausgearbeitet und erklärt die Ausgangssituation: „Es gibt schon wahnsinnig viele Regularien im Ackerbau – auf EU-Ebene, auf Bundesebene und sogar auf Länderebene. Die Basis der neuen Richtlinie sind deshalb Bestimmungen, die schon gelten.“ Die Richtlinie baut auf den ackerbaulichen Grundanforderungen sowie den GLÖZ-Standards auf. 

Grundsätzlich geht es nicht bloß um einen lückenlosen Herkunftsnachweis, sondern es dürfen nur jene Betriebe AMA-Gütesiegel-Getreide liefern, die sich in einem definierten Ausmaß am ÖPUL, Österreichs Programm zur Förderung einer umweltgerechten, extensiven und den natürlichen Lebensraum schützenden Landwirtschaft, beteiligen. „Herzstück der Richtlinie sind ackerbauliche Ökologisierungsmaßnahmen, um die gesellschaftliche Erwartungshaltung und die Ökologie zu verstärken“, erklärt Greßl und hat dazu 14 Maßnahmen bewertet. Konkret bedeutet das für teilnehmende Ackerbauern, dass mindestens drei ÖPUL-Punkte, die für Ackerfrüchte relevant sind, erreicht werden müssen und mindestens eine Basismaßnahme erfüllt ist. 

Mit den bestehenden Basismaßnahmen wie „Bio“ oder „Umweltgerechte und biodiversitätsfördernde Bewirtschaftung (UBB)“ hat der Bauer bereits drei ÖPUL-Punkte erreicht. Bei Basismaßnahmen wie „Vorbeugender Grundwasserschutz“ oder „Begrünung Zwischenfrucht“ sind ergänzende Maßnahmen erforderlich, um am AMA-Programm teilnehmen zu können. Bis Ende des Jahres müssen die Ackerbauern in die Module eintreten, um das Gütesiegel für die Ernte 2024 zu bekommen. Greßl hebt die Flexibilität des Modells hervor: „Es ist kein Schema F für alle Bauern. Wir wollen das ÖPUL-Programm festigen und die hohe Vielfalt an Kulturen erhalten. Und wir wollen ein Breitenprogramm, eine Branchenlösung.“ 

Austauschbarkeit verringern

Auswertungen der AMA haben ergeben, dass bereits rund 80 Prozent der österreichischen Getreidebauern die Voraussetzungen hinsichtlich der Teilnahme an relevanten ÖPUL-Maßnahmen und die mindestens drei ÖPUL-Punkte schon jetzt erfüllen. Oder umgelegt 85 Prozent der 514.700 Hektar Getreidefläche sind Anwärter für das AMA-Gütesiegel. „Ich gehe davon aus, dass noch mehr teilnehmen, um von den Vermarktungsvorteilen zu profitieren“, so Greßl. 

Durch das AMA-Gütesiegel-Programm werden die Ackerfrüchte weniger austauschbar und die Leistungen der Bauern zum Erhalt der Bodenfruchtbarkeit, Biodiversität sowie zum Klimaschutz werden sichtbar gemacht. Darüber hinaus zeigen aktuelle Entwicklungen im Zusammenhang mit dem Getreidemarkt und der geopolitischen Lage, dass bei Ackerfrüchten eine transparente Herkunftssicherung notwendig ist, um die hohe Qualität der österreichischen Lebensmittel hervorzuheben. Allein im Vorjahr wurden 6.000 Tonnen Getreide aus der Ukraine in Österreich eingeführt. Bei Preisunterschieden zwischen heimischer und ausländischer Ware von etwa 60 Euro pro Tonne sei die Versuchung groß, so Greßl. 

Eine hohe Teilnahmequote ist jedenfalls auch erstrebenswert, um die Getreideübernahmen und die Vermahlung nicht zu verkomplizieren. Die Anmeldung für das AMA-Gütesiegel-Programm „Ackerfrüchte“ ist ab November über das Online-Portal der AMA „Mein Gütesiegel“ möglich. Christina Mutenthaler-Sipek, Geschäftsführerin der AMA-Marketing, freut sich besonders, ab sofort die Landwirtschaft als Ganzes kommunizieren zu können: „Wir hatten bis jetzt keine Brettljause mit Brot, das ändert sich jetzt.“ In der aktuellen bereichsübergreifenden Kampagne „Wert der Lebensmittel“ steht ab Oktober erstmals auch Ackerbau und Getreide im Fokus. 

AusgabeRZ39-2023

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