„Es ist ein Balanceakt“

Zwischen Tradition und Transformation bewegt sich Ariane Pfleger, Vorstandsdirektorin der Raiffeisen-Landesbank Steiermark. Wie man auf Veränderungen reagiert und wo man neue Geschäftsfelder ortet, erklärt sie im Interview.

Porträt von Ariane Pfleger
(c) Stefan Leitner

Seit Oktober 2020 gibt es das doch eher ungewöhnliche Ressort „Transformation“ auf Vorstand­s­ebene der Raiffeisen-Landesbank Steiermark. Wie ist es dazu gekommen?
Ariane Pfleger: Wir haben vor zwei Jahren in der RLB Steiermark ein Strategieprojekt gestartet – gut bekannt daraus ist die Fusion mit der Landeshypothekenbank Steiermark. Im Zuge des Prozesses ist deutlich geworden, dass wir mit großen Veränderungen in uns und um uns herum konfrontiert sind, und man sich diesen Veränderungen ganz bewusst widmen sollte. Transformation ist uns per se nicht fremd, denn Raiff­eisen ist seit vielen Jahrzehnten am Markt. Die RLB Steiermark ist über 90 Jahre alt und hätten wir keine Veränderungsprozesse gehabt, würde es uns nicht mehr geben. Aber die Rahmenbedingungen ändern sich jetzt massiv. Die großen Themen sind Nachhaltigkeit, Digitalisierung und das geänderte Kundenverhalten. So ist im Vorstand und Aufsichtsrat das Bewusstsein gereift, noch mehr Energie in die Bearbeitung dieser Themen zu legen.

Welche Kompetenzen und Eigenschaften muss man als Transformationsvorstand mitbringen? 
Pfleger: Ich bin der Kopf von einem sehr vielfältigen und bunten Team mit unterschiedlichen Kompetenzen. Diversität ist ein prägendes Merkmal. Es ist sicher auch ein Vorteil, dass ich schon seit einigen Jahren Teil des Raiffeisensektors bin, also die Strukturen kenne. Und natürlich sind auch Eigenschaften wie Ausdauer und Beharrlichkeit kein Nachteil. Transformation ist kein Kurzstreckenlauf, sondern ein Marathon. 

Generell ist Transformation ein schwammiger Begriff. Was ist der Kern dieser Transformation? 
Pfleger: Das Ziel all dessen ist, den Kunden mit seinen Bedürfnissen im Fokus zu haben und das Unternehmen gesamthaft weiterzuentwickeln. Transformation ist also kein Selbstzweck und sieht die Organisation als Gesamtes. Es beginnt bei den Einstellungen und Haltungen jedes Einzelnen im Unternehmen, geht quer durch Prozesse bis zu konkreten Produkten und Leistungen. Wir wollen – wie Simon Sinek es nennt – erfolgreich im Spiel bleiben und weiterhin in der Steiermark eine maßgebliche Rolle spielen. 

Geht es um ein Reagieren oder will man Transformation vorantreiben?
Pfleger: Wir wollen bewusst vorantreiben. Wir sind in einer Phase, wo das noch gut geht. Wir sind sehr erfolgreich, das sieht man an den Zahlen, und diese Kraft wollen wir nutzen, um proaktiv mit den Themenstellungen umzugehen. Es ist ein proaktiver Zugang und kein reaktiver. 

Wo sehen Sie nun die größten Veränderungen? Worauf richten Sie die meiste Kraft? 
Pfleger: Es ist sehr mannigfaltig und eine Kombination aus den Bereichen Wirtschaft, Umwelt und Mensch. Manche Themen werden von der Aufsicht verstärkt vorgelegt, wie etwa im Bereich Nachhaltigkeit, aber auch bei der Digitalisierung. Wir versuchen es grob in zwei Blöcke zu gliedern: Zum einen wollen wir unser Stammhaus in allen Facetten effizienter und effektiver machen, um auf der anderen Seite Ressourcen und Raum für Innovation und neue Geschäftsmodelle zu gewinnen und das in einer sehr gebündelten Zugangsweise in den Themen Unternehmens- und Organisationsentwicklung, Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Es ist ein Balanceakt. 

Mit Digitalisierung und Automatisierung wollen Sie die Prozesse schlanker gestalten. Wo sehen Sie noch Potenzial im Bereich der Digitalisierung?
Pfleger: Es läuft schon viel digital, das ist absolut positiv – vor allem Richtung Kunde. Woran wir jetzt arbeiten, sind die Prozesse, die von außen gar nicht so sichtbar sind. Wir sind dabei, über 500 interne Prozesse zu screenen und zu verschlanken. Welche Prozessschritte könnte man vielleicht weglassen, welche Schnittstellen kann man reduzieren? Im zweiten Schritt geht es dann um den Einsatz von Technik. Wir haben eine kleine Robotik-Mannschaft implementiert, die schaut, wo man Prozesse an die Maschine übergeben und unsere Mitarbeiter entlasten kann. Insofern gibt es durchaus noch großes Digitalisierungspotenzial in allen Themen, die der Kunde gar nicht so wahrnimmt, aber die uns letztlich effizienter und schneller machen. 

Wo wird die Robotik beispielsweise schon eingesetzt?
Pfleger: Wir sind bei den Kreditprozessen und im Meldewesen mit dem Thema dran. Wir versuchen bei den Prozessen zu beginnen, die in Summe einen großen Einfluss auf die RLB haben. 

Digitalisierung kostet Geld. Wie hoch sind die Investitionen in diesen Bereich?
Pfleger: Der Einsatz ist – ganz nüchtern betrachtet – überschaubar. Man kann mit vernünftigen und auch kleinen Beträgen viel schaffen.

Stichwort neue Arbeitswelten: Wie wollen Sie das Stammhaus effizienter machen?
Pfleger: Effizienz spiegelt sich im Einsatz von Digitalisierung wider und schlägt natürlich auf unser Raumkonzept durch. Wenn wir jetzt mit anderen Tools oder Homeoffice arbeiten, dann können wir Themen wie Desk-Sharing aufgreifen und das Gebäude beispielsweise hier in Raaba-Grambach anders bespielen. Nachhaltigkeit im Sinne von Energieeffizienz spielt dabei auch eine Rolle. Es ist ein Blumenstrauß an Themen, immer mit dem Ziel effizienter zu werden und Luft für neue Themenstellungen zu bekommen. 

Der New-Way-of-Work ist also ein Thema. Wie sieht der nach Corona aus? 
Pfleger: Corona hat uns wirklich einen Schub gegeben, was die Ausstattung und Homeoffice betrifft. Wir werden auch nach nach der Pandemie zwei Homeoffice-Tage pro Woche anbieten. Wir arbeiten also jetzt schon mit zwei Homeoffice-Tagen pro Woche und das ist auch die Zukunft. 

Gibt es bei dem ganzen Transformations­prozess auch konkret messbare Ziele?
Pfleger: Wir haben Budgets und Business-Pläne, in die unsere Aktivitäten bereits inkludiert sind, wissend, dass nicht alles sofort in Zahlen messbar ist. Welchen Effekt etwa haben motivierte Mitarbeiter? Das ist schwer zu messen, trotzdem wissen wir, dass es ein enormer Hebel ist. So arbeiten wir zum Beispiel auch im Themenfeld Employer Branding.

Ariane Pfleger im Gespräch
(c) Stefan Leitner

Nutzen Sie auch den Austausch mit anderen Landesbanken?
Pfleger: Das versuchen wir sehr stark zu forcieren. Wir sind mit den anderen Landesbanken in einem guten Kontakt und auch mit der RBI, die absoluter Vorreiter im Sektor ist und sehr viele Initiativen, was Digitalisierung und Innovation betrifft, vorantreibt.

Innovation ist auch in Ihrem Zuständigkeitsbereich. Was planen Sie dazu?
Pfleger: Bei den Innovationen geht es um neue Themen und den Blick über den Tellerrand, sich neue Technologien anzuschauen und neue Geschäftsmodelle auszudenken – also zukunftsorientiert und mutig zu agieren, vielleicht auch von der Bank ein wenig wegzudenken. Deshalb sind wir dabei, einen Innovationswettbewerb vorzubereiten, wo wir alle Mitarbeiter einladen, ihre Ideen einzubringen. Das wird im Herbst starten und ist ein großer Baustein. Kundenseitig bündeln wir mit unserer Taten-Bank für Gründer, Start-ups und Jungunternehmen die Themen Finanzierung, Netzwerk und IT-Services. Wir sind aber auch am Unicorn vertreten, ein Start-up-Hub der Universität Graz. Dort sind wir ebenfalls in einem sehr intensiven Austausch mit unterschiedlichen Start-ups, wo es um Technologietransfer geht. Wir beobachten intensiv, was um uns herum passiert. 

Wo sehen Sie neue Geschäftsfelder?
Pfleger: Einerseits sind es die datengetriebenen Geschäftsmodelle. Was für uns auch wichtig ist und gut zu uns passt, ist der Themenkomplex der Nachhaltigkeit, wo wir abseits unserer Rolle als Transformator – der Finanzsektor ist ja vom Regulator auserkoren, die Nachhaltigkeit in die Wirtschaft zu bringen – die nachhaltigen Themen als „digitale Regionalbank“ aufgreifen. Wir können da den regional tätigen Kunden gut zur Seite stehen. Ich bin überzeugt, dass es eine Reihe von Kooperationen und Zusammenarbeitsmodellen ergeben wird. Ich denke, wir können hier sehr gut als Schnittstelle agieren. 

Transformation ist ein langfristiger Prozess, aber dennoch: Gibt es seit Oktober 2020 schon erste Erfolge? 
Pfleger: Im Bereich Homeoffice, Raumkonzept und Innovationen ist schon einiges vorangegangen. Was uns gelungen ist, ist die Idee in der RLB und im steirischen Sektor zu platzieren. Es gibt ein Grundverständnis, warum gerade diese Themen in einem Vorstandsbereich gebündelt sind. Der Kulturwandel ist bereits spürbar.

Wohin geht die Reise im Bankgeschäft hin?
Pfleger: Raiffeisen ist mit dem Modell der digitalen Regionalbank auf einem sehr guten Pfad. Es ist erfolgsversprechend, den Kunden digitale Services zu einem vernünftigen Preis und in hoher Qualität anzubieten, aber auch einen persönlichen Ansprechpartner vor Ort zu haben. Ja, es gibt einen digitalen Tsunami, aber der Mensch wird sich nicht so weit verändern und auch in Zukunft gerne einen kompetenten Ansprechpartner in seiner Nähe haben wollen. Ich glaube felsenfest an unser Geschäftsmodell. Raiffeisen ist weder verstaubt noch veraltet. Unsere Aufgabe ist, wertvolle Prinzipien zeitgemäß zu interpretieren. Frei nach unserem Gründer F. W. Raiffeisen: Der Erfolg fußt nicht allein in einer genialen Idee, sondern darauf, was die Menschen daraus machen.