Auf den Bauch hören und nicht auf den Kopf, diesen Aufruf startet das Arnulf Rainer Museum in Baden zu seiner neuen Ausstellung. Die Schau widmet sich den facettenreichen Bezügen von Arnulf Rainer zu Art Brut, also der autodidaktischen Kunst von Außenseitern. Die Unmittelbarkeit und expressive Kraft der Art Brut hat Arnulf Rainer bereits früh und lebenslang fasziniert. „Arnulf Rainer zählt zu den Entdeckern und ersten Sammlern der Kunst aus Gugging“, weiß Kurator Nikolaus Kratzer.
Diese ganz spezielle Form der „Unmittelbarkeit des Ausdrucks“ hat man auch bei der Hängung der Schau verfolgt. „Wurfhängung“ oder Spontanhängung“ nennt das Kunstsammler Helmut Zambo. Die Ausstellungsstücke wurden nach Bauchgefühl teilweise ganz dicht an den Wänden kombiniert und platziert.
Die „Bilderlandschaften“ stammen aus der Sammlung Zambo, die er 2024 dem Landesmuseum Niederösterreich geschenkt hat. Es ist die zweite Ausstellung aus der Zambo-Sammlung, die deutlich „die Handschrift des Sammlers“ zeigt. Helmut Zambo begleitete Arnulf Rainers künstlerische Laufbahn über Jahrzehnte hinweg und durch seine enge Verbindung zu Rainer wird er auch auf die Künstler aus Gugging aufmerksam.
Helmut Zambo über seine ersten Begegnungen: „Meine Begeisterung für Art Brut wurde durch einen Atelierbesuch bei Arnulf Rainer Mitte der 1960er-Jahre geweckt. Dort kam ich zum ersten Mal in Kontakt mit der Kunst aus Gugging und war sofort begeistert.“ Aus den ersten Begegnungen entsteht eine tiefe persönliche Beziehung zur Institution und ihren Künstlern – eine Verbundenheit, die sich in der Sammlung und Unterstützung niederschlägt. Bis heute ist Zambo auch Vorstand der Privatstiftung Künstler aus Gugging und Vorstandsmitglied des Vereins Freunde des Hauses der Künstler in Gugging.



Schizophrenie und Kunst
Arnulf Rainer wird bereits in der Nachkriegszeit erstmals auf Art Brut aufmerksam. Besonders prägend ist für ihn das Buch „Schizophrenie und Kunst“ von Leo Navratil, Psychiater in Gugging. Ab den 1960er-Jahren beschäftigt sich Rainer intensiv mit Art Brut. Er besucht psychiatrische Kliniken und ist beeindruckt von der Authentizität, Unmittelbarkeit und dem Erfindungsreichtum. Im Gegensatz dazu steht für ihn die „gebildete“ Kunstszene, die er oft als überreflektiert empfindet.
Verstand austricksen
Animiert durch diese Auseinandersetzung, folgen Zeichenexperimente in der Universitätsklinik von Lausanne unter dem Einfluss von halluzinogenen Drogen. „Der Fliegenesser“ von 1969 ist ein Ergebnis dieser Experimente. Mit der Halluzination ist auch Farbe in Rainers Werke gekommen. „Wenn Rainer nicht mehr weiter wusste, dann zeichnete er auch blind“, erzählt Zambo. In dieser Zeit beschäftigte sich Rainer auch mit Körpersprache und performativen Elementen. Die erste Fingermalerei von Rainer wird in der Ausstellung gezeigt. Er malt etwa mit bloßen Händen expressive Ölbilder oder überarbeitet Grimassenfotos von sich selbst. Es entstehen auch die für ihn typischen Übermalungen von Fotos seines eigenen Körpers sowie von Bildern alter Meister.
Gegenseitige Übermalungen
In den 1970er-Jahren entstehen Rainers Art-Brut-Hommagen, bei denen er Bilder von Künstlern wie Johann Hauser, Jean Dubuffet, Antonin Artaud oder Friedrich Schröder-Sonnenstern übermalt. Nicht um sie zu verändern, sondern um in einen künstlerischen Dialog zu treten.
Eine direkte Zusammenarbeit mit anderen Künstlern gibt es 1984 in drei Zeichnungen – zwei mit Fritz Koller, eine mit Johann Hauser. 1994 entstehen schließlich 58 gegenseitige Übermalungen mit Künstlern aus Gugging: Rainer überarbeitet 27 Druckgrafiken. Johann Fischer, Johann Garber, Johann Hauser, Franz Kamlander, Franz Kernbeis, Johann Korec, Oswald Tschirtner und August Walla übermalen insgesamt 31 Druckgrafiken und Plakate von Arnulf Rainer.



Mit einem Kreis von Künstlern, darunter etwa Peter Pongratz, Loys Egg und Franz Ringel, setzt sich Arnulf Rainer für die Anerkennung von Art Brut ein. So ist es nicht zuletzt der Initiative von Pongratz zu verdanken, dass 1970 in der Galerie nächst St. Stephan in Wien die erste Verkaufsausstellung der Künstler aus Gugging stattfindet.
Arnulf Rainer zählt zu den Sammlern der ersten Stunde und erwirbt unter anderem Werke von Johann Hauser. Heute zählt Rainers Art-Brut-Privatsammlung zu den größten in Europa.
Die neue Ausstellung in Baden ist eine absolute Empfehlung. Als Besucher ist man von den Werken jedenfalls ergriffen, begreifen wird man vieles nicht, aber genau das ist eben die Kunst.
Die Ausstellung „Arnulf Rainer & Art Brut“ ist bis 4. Oktober 2026 zu sehen.








