Ein Messias und sein Jünger 

Das Arnulf Rainer Museum in Baden startet zum 95er seines Namensgebers eine dreiteilige Retrospektive.

Am 8. Dezember wird Arnulf Rainer 95 Jahre alt. Er sei nach wie vor geistig fit, aber nicht reisefähig, wie bei der Eröffnung der Ausstellung berichtet wird, gefeiert wird trotzdem. Zu seinem halbrunden Geburtstag kombiniert das Arnulf Rainer Museum in seiner Geburtsstadt Baden das Frühwerk des Künstlers mit seinen weltbekannten Kreuz- und Christusübermalungen. Der Titel der Schau „Das Nichts gegen alles“ stammt aus Rainers 1951 publiziertem Text „Perspektiven der Vernichtung“ und spiegelt seinen Anspruch, mit seiner Kunst an den Grundlagen der menschlichen Existenz zu rühren. 

Arnulf Rainer gilt als Pionier des Informel in Europa. Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte er seine surrealistische Phase, inspiriert von französischen Künstlern. Es entstanden gegenständlich ausgeführte, von seltsamen Wesen bevölkerte, dicht besiedelte Unterwasserlandschaften. „Aus diesem nautischen Gewimmel kann man unglaublich viel herauslesen“, erklärt Nikolaus Kratzer, Kurator und Leiter der kunsthistorischen Sammlungen des Landes Niederösterreich.

Die Graphit-Zeichnung „Diejenige welche“ (1948/49) zeigt etwa Maria Lassnig mit Arnulf Rainer auf der Brust, beide hatten damals in Paris eine Liebesbeziehung. Seine letzte fast fertige surreale Zeichnung ist „Winnetou“ (1950) – ebenfalls eine Art Selbstporträt –, ehe er sich von der surrealistischen Revolution abwandte, von Frankreich nach Österreich zurückkehrte und sich von der Gegenständlichkeit abwendet. In Anlehnung an die surrealistische Methode des „Automatischen Schreibens“ entwickelt Rainer Blindzeichnungen. 1953 entstehen durch die unablässige Überarbeitung seiner eigenen Werke erste Reduktionen, die schließlich in Rainers ikonische Übermalungen münden. 

Ausstellungsansicht Arnulf Rainer Museum
© Arnulf Rainer/Landessammlungen NÖ

Christliche Mystik

Die Serie der „Großen Kreuze“ (1981–1986) veranschaulicht, wie der Künstler auch mit der Kaltnadelradierung konsequent über einen längeren Zeitraum eine Platte überarbeitet. Seine schwarzen Übermalungen strahlen eine „Christliche Mystik“ aus. 

Als wichtigstes Werk der Schau in Baden gilt das „Selbstbegräbnis oder Christusleid, Christusfreud?“ (1969–1974). Es zeigt Rainer, der in seiner Farbe zu ertrinken scheint – und verweist laut Kratzer „auf den schmerzvollen Weg zum schöpferischen Akt“. 

Das Thema des Kreuzes beschäftigt Rainer nicht nur in seinen monumentalen Arbeiten, die in den Bädern des Arnulf Rainer Museums zu sehen sind, sondern auch in kleinerem Format etwa in den Fingermalereien und den „Body Poses“. Entlassen wird der Museumsbesucher mit „einem der emotionalsten Werke“, so Kurator Nikolaus Kratzer. Es ist wieder ein „Kreuz“ (1987/88) mit einer „klaffenden Wunde“. 

Spendabler Tiefensammler

Den Grundstock, nicht nur für diese, sondern auch für mindestens zwei weitere Ausstellungen, bildet eine Schenkung des Kunstsammlers Helmut Zambo an die NÖ Landessammlungen. Im heurigen Sommer hat der 85-Jährige insgesamt 720 Kunstwerke, davon 300 Werke von Arnulf Rainer, an das Land Niederösterreich übergeben.

Die Retrospektive des Übermalers setzt sich im Herbst 2025 mit dem Thema „Arnulf Rainer und Art Brut“ und danach mit der Gegenüberstellung von Rainer und Hermann Nitsch fort. „Es gibt noch Werke für viele weitere Ausstellungen“, betont Helmut Zambo bei der Eröffnung der aktuellen Schau in Baden. Der „Tiefensammler“ begleitet Rainer seit mehr als 60 Jahren und seine Sammlung deckt alle Schaffensphasen des Künstlers ab. „Rainer ist dein Messias und du bist sein Jünger“, habe ein Freund mal die Beziehung zwischen Rainer und Zambo beschrieben, dem sich der Kunstmäzen voll und ganz anschließt. Kunsthistoriker Otto Breicha hat Zambo, der damals schon Vertreter der Wiener Schule wie Arik Brauer und Ernst Fuchs gesammelt hat, erstmals Werke von Arnulf Rainer gezeigt. „Ich war wie vom Blitz getroffen“, erinnert sich Helmut Zambo. 

Ausstellungsansicht Arnulf Rainer Museum
© Arnulf Rainer/Landessammlungen NÖ

Im Jahr 1960 hat Zambo seinen ersten Rainer mit dem Titel „Der Absturz“ gekauft. „Der Titel steht sinnbildlich für jeden weiteren Kauf, die alle mein Konto abstürzen ließen“, meint Zambo mit einem Augenzwinkern. Als Werkstudent habe er damals Ratenzahlungen für den Ankauf vereinbart und mit den pünktlichen Zahlungen habe er wohl auch den Respekt von Arnulf Rainer gewonnen. Oft viermal jährlich ist Zambo ab da zu seinem Messias gepilgert, um ihm jedes Mal zwei, drei Werke abzukaufen. Rainer habe seine Besuche dabei liebevoll als „akademischen Aufräumdienst“ bezeichnet. 

Ähnliches kann man auch über die NÖ Landessammlungen sagen, die die Sammlung Zambo aus seiner Villa geholt haben. In Petersburger Hängung haben sich die Werke dort vom Boden bis zur Decke dicht aneinander gedrängt, für Besucher oft eine „Überforderung für die Augen“. Dass die einzelnen Werke im Badener Frauenbad nun so viel Platz bekommen, „eröffnet einen ganz neuen Blick auf die Werke“, schwärmt Zambo. Auch wenn Wehmut über die „Plünderung“ an den eigenen vier Wänden spürbar ist, weiß der 85-Jährige: „Solche Arbeiten müssen einfach ins Museum.“ 

AusgabeRZ48-2024

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