„Es braucht mehr als das Kerngeschäft“

Das Banken-Symposium Wachau schärfte heuer den Blick für neue Trends in der Kundenzentrierung. Dabei stehen den Kreditinstituten mannigfaltige Instrumente wie Megatrends, Glaubwürdigkeit und Markenkraft zur Verfügung.

Der Fokus auf den Kunden ist im Bankgeschäft in Zeiten der Digitalisierung und eines sich rasch ändernden Kundenverhaltens ebenso essenziell wie herausfordernd. Eine besondere Rolle spielt dabei die emotionale Kundenansprache. „Eine Bank mit einem Alleinstellungsmerkmal ist ein Kunststück, weil man sich über Produkte nur schwer differenzieren kann“, sagte Mario Offenhuber, Organisator des Banken-Symposiums Wachau, bei der Eröffnung der diesjährigen Veranstaltung im Stift Göttweig. In den vergangenen zehn Jahren habe sich herausgestellt, dass eine Differenzierung allein über die Digitalisierung immer mehr zu einer Illusion geworden sei. Eine neue Möglichkeit bietet der neue Megatrend der „Sinn-Ökonomie“, der auch neue Anforderungen mit sich bringt. „Von einer Bank wird heute mehr verlangt als bloß das Kerngeschäft“, brachte es Offenhuber auf den Punkt.

Zukunftsforscher Matthias Horx analysierte auf einer Metaebene das gesellschaftspolitische und wirtschaftliche Umfeld, das von zahlreichen Unsicherheiten und wachsender Komplexität gekennzeichnet ist. Dabei sieht er die Künstliche Intelligenz (KI) als „letzten Hype des Digitalismus“ durchaus kritisch: „Im Grund genommen sind das immer nur Versprechungen für Rationalisierungen.“ Die größte Krise, in der sich die Menschheit befindet, sei aber weder der Klimawandel noch die mannigfaltigen wirtschaftlichen Verwerfungen, sondern die kognitive Krise: „Heute treten Menschen auf, die im Namen der Freiheit für Faschismus kämpfen“, veranschaulichte Horx seine These mit Blick auf den Ukraine-Krieg. Bei jeder Krise sei es aber wichtig zu verstehen, was sie uns mitteilen wollen. Nur dann gäbe es auch Chancen, die man für einen sinnvollen Wandel nutzen könne. 

Den Schlüssel zu einer effektiven Kundenansprache sieht Michaela Reifetshammer, Geschäftsführerin von NeuroMarketing-Agentur Venko, in der Analyse der Entscheidungsfindung. Die Wissenschaft habe gezeigt, dass Menschen 95 Prozent ihrer Entscheidungen „implizit“, also unbewusst, treffen. Selbst bei Kaufentscheidung liege dieser Wert immer noch bei hohen 80 Prozent. Deshalb sei es wichtig, dass man ein Produkt oder eine Dienstleistung emotional auflädt, um einen unbewussten Zugang zu den Kunden zu bekommen. Mithilfe von Neuromarketing und einer impliziten Kommunikation kann es gelingen, eine Marke auch fühl- und erlebbar zu machen. Dabei helfe es, gezielt universale Urbilder des Menschen (Archetypen) anzusprechen, die mit bestimmten Emotionen, Eigenschaften und Zielen verbunden werden. „Wichtig ist es auch, das zu kommunizieren, wofür man steht. Alles, was nicht ehrlich ist, wird nicht lange funktionieren“, erklärte Reifetshammer.

Mit Markenstärke punkten

Aber nicht nur die psychologisch gezielte Kommunikation kann in der Kundenansprache genutzt werden, auch die Kraft der Marke hat dabei einen nicht zu unterschätzenden Stellenwert. Mit der Studie „Geld oder Liebe? Warum Finanzmarken menschlicher werden müssen“ haben die Experten von Brandtrust mithilfe von Big Data und KI Grundherausforderungen für die Finanzbranche identifiziert. So sei etwa „nachhaltig“ der am häufigsten kommunizierte Wert. „Nachhaltig ist das neue ,Sicher’ in der Finanzbranche“, so Sebastian Schäfer, Partner beim Strategieberater Brandtrust. Zwei Drittel der 240 untersuchten Finanzmarken nutzen diesen Begriff. An zweiter Stelle folgt mit deutlichem Abstand „sicher“ (41 Prozent), der noch vor einigen Jahren in der Finanzbranche dominierte, gefolgt von „innovativ“ (40 Prozent). 

Die inflationäre Verwendung des Nachhaltigkeitsmotivs schadet der Glaubwürdigkeit jener Bankenmarken, die dies ein bisschen machen. „Ein bisschen Marke geht nicht“, sagte Schäfer. Es gehe darum, nah bei den Menschen zu sein. „Allerdings sollte man Bekanntheit nicht mit Markenstärke verwechseln. Bekanntheit ist eine Bedingung für die Markenkraft, aber kein Erfolgsfaktor für das Geldverdienen“, warnte Klaus-Dieter Koch, Managing-Partner bei Brandtrust. Punkten sollten Marken vor allem mit Glaubwürdigkeit, Attraktivität und Differenzierung. Dieser daraus dann wahrgenommene Mehrwert definiere die maximale Zahlungsbereitschaft von Kunden. Außerdem würden Unternehmen und Marken mit einem „guten Ruf“ besser wachsen als der Mitbewerb.

„ESG kommt aus jeder Ecke“

Einen Einblick in das mittlerweile dominierende Bankthema „ESG“ (Umwelt, Soziales und Unternehmensführung) gab Markus Ecker, Head of Sustainable Finance der Raiffeisen Bank International (RBI): „Für uns Banker kommt die Nachhaltigkeit aus jeder Ecke.“ Als ein Beispiel nannte er den Bereich Treasury, wo es unter anderem um die Liquiditätssteuerung einer Bank geht. Wenn man keine Antwort auf das Thema ESG habe, werde man in Zukunft kein Geld mehr von institutionellen Investoren erhalten, so Ecker. Derzeit sei das ganze Nachhaltigkeitsthema noch stark in Bewegung. So sei etwa die Erwartungshaltung des Regulators in weiten Bereichen noch unklar. Für die Branche gehe es nun darum, Nachhaltigkeit zunächst messbar zu machen. Im Grunde sei es ein riesiges Daten- und Informationsmanagement. Es sei auch wichtig zu verstehen, dass Banken ihre Kunden beraten müssen, damit sich auch diese eigene Klimaziele geben, um letztendlich auf diesem Umweg einen Beitrag für eine klimafittere Bankbilanz zu leisten. So habe sich etwa die RBI das Ziel für das Geschäft in Wien gesetzt, bis 2025 rund 30 Prozent ihres Geschäfts in irgendeiner Form mit einer Nachhaltigkeitskomponente zu haben. 

Robert Preinfalk und Binjamin Sancar
Robert Preinfalk und Binjamin Sancar © BSW/Wolfgang Simlinger

Regionales Ökosystem

Den Blick über den Tellerrand hat man bei Raiffeisen Oberösterreich gewagt. Raiffeisen OÖ Ventures ist dabei, mit „Finde-R“ („Finde Regionales“) ein erstes genossenschaftliches Ökosystem in Österreich umzusetzen. Die Idee hinter der Beyond-Banking-Plattform ist, dass man als Bank Aktivitäten und Dienstleistungen anbietet, die nicht zum eigentlichen Kerngeschäft zählen, um zusätzliche Erträge zu generieren und in einer digitalen Welt den Kontakt zum Kunden zu halten. Außerdem will man über diesen regionalen Marktplatz alle Kunden dieser Region, also nicht nur die Bankkunden, ansprechen. Die Plattform ist schon im Netz und soll im Herbst starten.

„Wir sind als Bank dort, wo sich der Kunde befindet“, betonte Binjamin Sancar, Vorstand von Raiffeisen OÖ Ventures, bei der Vorstellung des Ökosystems. Wichtig sei, dass sich die gesamte Customer Journey auf der geschaffenen Plattform abspiele und diese nicht verlassen werde. Das ermögliche es, Lebenswelten von Kunden ganzheitlich abzubilden und so letztlich auch ihnen einen Mehrwert zu schaffen. „Drei Jahre intensiver Arbeit liegen hinter dem Team und jetzt kann man zeigen, wie man die emotionale Nähe einer Raiffeisenbank auch digital spürbar machen kann“, strich Robert Preinfalk, ebenfalls Vorstand von Raiffeisen OÖ Ventures, hervor. Alle oberösterreichischen Raiffeisenbanken engagieren sich derzeit in der Akquise der Kunden für das Ökosystem. Es sei wertvoll kennenzulernen, wie die Nutzer in unterschiedlichen Kontexten funktionieren und sich verhalten. Das werde auch das Angebot der Banken verbessern, weil sie letztendlich das Kundenbedürfnis besser verstehen lernen, ist Preinfalk überzeugt. 

AusgabeRZ23-2023

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