Schulterschluss zwischen allen Ebenen

Die Herausforderungen für die Raiffeisenbanken sind momentan vielfältig. Inflation, Kosten, Zinsen und Nachhaltigkeit, das alles erfordert mehr Zusammenarbeit in der Dreistufigkeit, so der Tenor bei der diesjährigen Dachverbandstagung.

Im Jahr 2013 hatten in Österreich drei Raiffeisenbanken eine Bilanzsumme von mehr als einer Milliarde Euro. Heute sind es knapp zwanzig. Die Zahl der Raiffeisenbanken ist im selben Zeitraum um ein Drittel zurückgegangen – auf 325. „Der Strukturwandel in der Primärebene ist eklatant“, berichtet Alfons Neumayer, Präsident des Dachverbands der Geschäftsleitervereinigungen, bei der alljährlichen Tagung, zu der heuer 200 Geschäftsleiter und Ehrengäste nach St. Wolfgang in Oberösterreich gekommen sind. 

Vom Erfolg der Fusionen zeugt der Blick auf die Ergebniskraft der Primärstufe. Bei gleichbleibender Kundenanzahl von 4,2 Millionen hat sich das Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit (EGT) seit 2013 mehr als verdoppelt und lag im Vorjahr bei über einer Milliarde Euro. Die Bilanzsumme ist um 41 Prozent gestiegen. „Wir können stolz auf diese Entwicklung sein, aber es ist kein Ruhekissen. Die Risikokosten werden steigen. Das heißt, das Bankgeschäft wird sich wieder normalisieren“, so Neumayer. 

Mit zunehmender Größe der Banken steigen prinzipiell auch deren Anforderungen. Aktuell richtet sich der Blick wieder stärker auf das Thema Liquidität, ohne dabei das Thema Nachhaltigkeit zu vernachlässigen, das das Generalthema der heurigen Dachverbandstagung war. „Es stehen vielfältige Herausforderungen bevor, aber mit guter Zusammenarbeit und wenn wir den Schulterschluss zwischen allen Ebenen schaffen, dann werden wir weiterhin gute Ergebnisse schreiben – nicht nur wir, sondern auch die RBI und die Landesbanken“, ist Neumayer überzeugt. 

„Das Bankgeschäft wird sich wieder normalisieren.“

Eduard Neumayer

Die Verbundarbeit weiter zu forcieren und die Kommunikation zu intensivieren, sind auch zwei zentrale Ergebnisse einer im November 2021 durchgeführten Umfrage unter den Geschäftsleitern, die es nun umzusetzen gilt. Der Wunsch, dass auch ein, zwei Geschäftsleiter in der Raiffeisen-Kooperationsgenossenschaft einen Sitz – ohne Stimmrecht – bekommen, ist unverändert groß: „Wir geben das Thema nicht auf, weil wir glauben, dort werden wichtige Themen entwickelt und besprochen, die auch uns wesentlich betreffen.“ Den Standpunkt der Kooperationsgenossenschaft äußert deren Obmann, RLB OÖ-Generaldirektor Heinrich Schaller so: „Wir haben eine gewisse Organisationsstruktur im Sektor und diese Dreistufigkeit sollte eingehalten werden.“ Gleichzeitig müssten aber durch Dialog und Zusammenarbeit im gesamten Sektor Synergien gehoben werden, um die Kostenseite zu verbessern. „Die Situation ist schwierig und jeder Einzelne sollte einen Beitrag leisten“, so Schaller. 

„Subsidiarität gibt uns die richtige Vorgabe, wie wir Dinge angehen sollten“, erklärt RBI-Vorstand Peter Lennkh. Die Raiffeisen Bank International hat ja seit der Fusion mit der Raiffeisen Zentralbank im Jahr 2017 die Rolle als Zentralinstitut für die Raiffeisenbankengruppe übernommen. Zu ihren Aufgaben gehört seither der Liquiditätsausgleich, das Bundes-IPS, die Markenführung und auch die Verbundunternehmen sind der RBI zugeordnet. Dass die RBI, die selbst kein Retailgeschäft in Österreich betreibt, Spezialprodukte für die Raiffeisenbanken anbietet, sieht Lennkh „unemotional“: „Wir nehmen unsere Rolle sehr verantwortungsvoll wahr. Und solange unsere Eigentümer wollen, dass wir die Produkttöchter führen, werden wir das tun.“

Den Wandel meistern 

„Man kann den Wandel nicht meistern, wenn man sich nicht selbst wandelt. Allerdings muss man aufpassen, sich nicht in Verbundstreitigkeiten zu verlieren“, lautet der Aufruf von Keynote-Speaker Tillmann Lang, CEO und Founder von Inyova. Beim Schweizer Unternehmen für Impact Investing geht es darum, Investments zu ermöglichen, die einen messbar positiven Effekt auf Mensch und Umwelt haben. Dass sich die Welt in einem radikalen Wandel befindet, lässt sich nicht leugnen. „Der Unternehmenserfolg wird von Nachhaltigkeitsstrategien abhängen“, prognostiziert Lang. Bezogen auf das Bankgeschäft sollten nachhaltige Produkte mittlerweile absoluter Standard sein und die Personalisierung und Transparenz von Finanzprodukten seien eine Grundanforderung. Natürlich müsse auch die Bank selbst und im Verbund nachhaltig agieren. 

Um den neuen Anforderungen gerecht zu werden, müssten etablierte Banken neue Partnerschaften eingehen, so der Schweizer Assetmanager: „Die Herausforderungen können nicht mehr allein gelöst werden, sonst wird man mit der Zeit von Amazon und Google gefressen.“ Für Raiffeisen hat der selbsternannte Nachhaltigkeitsaktivist einige gute Nachrichten: „Die traditionellen Stärken der Raiffeisenbanken werden in der Zukunft noch wertvoller.“ Der Vorteil der Nähe sei für andere kaum aufzubauen und selbst in einer zunehmend digitalen Welt gehe es weiterhin um Menschen. Und Menschen lieben Marken, die auch sie lieben, das sei bei Raiffeisen ebenfalls der Fall. Im Klimawandel braucht es auch neue Ideen, neue Geschäftsmodelle, neue Technologien und die müssen finanziert werden. Deshalb betont Lang: „Der Fortschritt findet dort statt, wo das Kapital ist. Das Finanzsystem kann Teil der Lösung werden.“ 

Gruppenfoto: Peter Lennkh, Alfons Neumayer, Tillmann Lang und Heinrich Schaller
Peter Lennkh, Alfons Neumayer, Tillmann Lang und Heinrich Schaller diskutierten über stärkere Zusammenarbeit im Verbund. (c) Franz Neumayr

Verbürokratisierung der Nachhaltigkeit

Für Heinrich Schaller ist es wichtig, das Thema Nachhaltigkeit in all seinen Facetten zu bearbeiten: „Nachhaltigkeit ist nicht nur Umwelt, sondern betrifft auch den sozialen Bereich und da ist Raiffeisen seit mehr als einem Jahrhundert sehr gut aufgestellt.“ Er warnt vor einer Verbürokratisierung des Themas und davor, den Banken zu viel aufzubürden. Dabei seien viele Nachhaltigkeitsthemen auf EU-Ebene erst in der Anfangsphase. „Wir sollen Polizei spielen und überprüfen, ob die Kunden alle Spielregeln einhalten – das geht ganz einfach zu weit“, ärgert sich Schaller. Neben der Einhaltung der Taxonomie geht es momentan um eine neue Richtlinie zur Behandlung von Klima- und Umweltrisiken. Mit der neuen Green Asset Ratio müssen Banken nachweisen, welcher Anteil ihres Geschäfts nachhaltigen Kriterien genügt. „Wir können das derzeit nur bei Kunden im einstelligen Prozentbereich berechnen. Wenn wir das nicht genau ermitteln, dann gibt es einen Aufschlag auf das Eigenkapital“, erklärt Schaller. Auch Johannes Rehulka, Geschäftsführer des Fachverbands der Raiffeisenbanken, sieht in den zusätzlichen Eigenmittelerfordernissen aus ESG-Risiken eine große Bedrohung, auch wenn die Kriterien auf EU-Ebene noch lange nicht beschlossen seien: „In Europa neigen wir leider dazu, Zukunftsthemen mit Regulierung zu lösen.“ Die ebenfalls in Diskussion stehende zentrale Datenbank für die Grünheit von Unternehmen auf EU-Ebene ist für Schaller ein richtiger Schritt, allerdings mit einem Wermutstropfen: „Wir Banken sollen das alleine zahlen. Wir dürfen uns diese Last nicht einfach so übertragen lassen.“ 

Grüne Energie unterm Giebelkreuz

Die Anstrengungen der RLB OÖ, als Bank selbst ökologisch nachhaltig zu agieren, sind vielfältig. So wird die Raumtemperatur im Winter kühler sein, es wird mehr Sonnenstrom erzeugt, Werbemittel mit Licht werden von 19 Uhr bis 6 Uhr in der Früh abgeschaltet und ab Jänner stellt man Mitarbeitern geleaste Fahrräder zur Verfügung, um umweltfreundlich ins Büro zu kommen. Generell arbeite man als RLB OÖ daran, für seine Mitarbeiter eine Wohlfühlumgebung zu ermöglichen, um damit auch neue Arbeitskräfte anzusprechen, die dringend gebraucht werden, auch das ist Teil der Nachhaltigkeitsstrategie.  

Wie Raiffeisen bereits zu einer nachhaltigen Zukunft beiträgt, das zeigen auch die Verbundunternehmen. So gilt etwa die Raiffeisen-Leasing im Bereich Green Leasing als Pionier – egal ob bei der Finanzierung von E-Fahrzeugen oder PV-Anlagen. Bei der Raiffeisen KAG hat sich das nachhaltig veranlagte Fondsvolumen seit 2018 versechsfacht und die Raiffeisen Centrobank hat als erste Zertifikate-Emittentin das österreichische Umweltzeichen erhalten. Auch im Österreichischen Raiff­eisenverband ist man in vielen Facetten und Perspektiven mit dem Thema Nachhaltigkeit beschäftigt, wie ÖRV-Generalsekretär Andreas Pangl berichtet: Das beginnt beim Thema Bildung, führt über die Beratung bei Energiegenossenschaften bis hin zu Raiffeisen Next und den Schülergenossenschaften. Es wird also schon viel getan und Peter Lennkh ist überzeugt: „Miteinander tragen wir als Raiffeisenbankengruppe zu einer nachhaltigen Zukunft bereits signifikant bei.“ Und gemeinsam werde man auch zukünftige Entwicklungen gut meistern.

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