Übergänge erfolgreich gestalten

200 Geschäftsleiter und Führungskräfte der Raiffeisenbankengruppe holten sich bei der diesjährigen Dachverbandstagung Tipps und Ideen, wie personelle, geschäftliche und technische Veränderungen gut gemanagt werden.

Reibungslos, geordnet und zeitgerecht – das sind Attribute, die den Eintritt in eine neue Phase beschreiben sollen. Übergänge stellen oft bedeutsame Veränderungen und den Abschied von Vertrautem dar. Meist ist es auch ein längerfristiger Prozess, der Auswirkungen auf die gesamte Organisation hat. Die Dachverbandstagung der Geschäftsleiter-Vereinigungen, die heuer in Velden am Wörthersee stattfand, stellte die Gestaltung von Übergängen in den Mittelpunkt der zweitägigen Veranstaltung. Es ging dabei nicht nur um personelle Übergänge im Management, sondern auch um neue Geschäftsstrategien und den technologischen Wandel. 

Die Ausgangslage der Raiffeisenbankengruppe Österreich ist stark, wie Alfons Neumayer, Präsident des Dachverbands der GL-Vereinigungen, eingangs berichtet: Die Anzahl der Kunden wächst; die Bilanzsumme, das Betriebsergebnis und das Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit steigen. Die Raiffeisenbanken wirtschaften immer effizienter, wie eine geringere durchschnittliche Cost-Income-Ratio von 46 Prozent belegt. „Heuer schaut das EGT noch sehr zufriedenstellend aus, aber es wird einiges auf uns zukommen“, prognostiziert Neumayer. 

Die Anforderungen an die Banken steigen seit Jahren und haben auch bei Raiffeisen zu einem Strukturwandel geführt. Aktuell gibt es laut OeNB in Österreich 287 Raiff­eisenbanken, im Jahr 2021 waren es noch 303 Banken. Dabei sind einige weitere beschlossene Fusionen, die noch nicht technisch umgesetzt sind, noch nicht berücksichtigt. Die durchschnittliche Bilanzsumme einer Raiffeisenbank ist 2022 auf 438 Mio. Euro gestiegen, 25 Raiffeisenbanken hatten 2022 eine Bilanzsumme von über einer Milliarde Euro. 

Der neue Vorstandssprecher der RLB Kärnten, Manfred Wilhelmer, skizzierte im Casineum Velden seine strategischen Schwerpunkte.
Der neue Vorstandssprecher der RLB Kärnten, Manfred Wilhelmer, skizzierte im Casineum Velden seine strategischen Schwerpunkte. © Jan Zaslawski

Voneinander lernen

Aus dem Gastgeberbundesland gab der neue Vorstandssprecher der Raiffeisen Landesbank Kärnten, Manfred Wilhelmer, einen Einblick in die aktuelle Geschäftsstrategie. Mit dem Wechsel im Vorstand wurde die bestehende Ausrichtung genau unter die Lupe genommen: „Die bisherigen Stoßrichtungen bilden eine gute Basis, um in den nächsten Jahren darauf aufzubauen. Wir haben sie nun erneuert.“ Dabei geht es um mehr Kundenorientierung, Wachstum im Alpen-Adria-Raum, höhere Wettbewerbsfähigkeit und ein stärkeres Miteinander. „Der Erfolgsschlüssel liegt sicher in der Verbundarbeit. Wir müssen die Verbundarbeit auf Landes- und Bundesebene verstärken und voneinander lernen“, so Wilhelmer. 

Viel voneinander lernen konnte man bei der Dachverbandstagung in einem neuen Format, dem sogenannten „Bundesländer-Magazin“. Die Bundesländer hatten hier die Option, in zehn Minuten einen Einblick in ein aktuelles Projekt aus ihrer Region zu geben. Die vorgestellten Themen führten vom Talenteprogramm, über Beyond-Banking-Lösungen hin zu Strategieprojekten auf Landesebene sowie zu Überlegungen von bundesländer­übergreifenden Kooperationen. 

Proaktive Gestaltung

„Wir befinden uns in einer Zeit der Transformation und dürfen die Veränderungen nicht auf uns einwirken lassen, sondern müssen uns aktiv damit auseinandersetzen und vorangehen“, betont Raiffeisen-Generalanwalt Erwin Hameseder. Der Österreichische Raiffeisenverband (ÖRV) übernehme dabei eine wichtige Brückenfunktion zwischen Bankengruppe, Ware, Milch und allen anderen Genossenschaften. In den Kernaufgaben will man den ÖRV schärfen und den Mehrwert für die Mitglieder stärker herausarbeiten. „Der ÖRV ist kein Selbstzweck“, unterstreicht Johannes Rehulka, seit März 2023 ÖRV-Generalsekretär. Für ihn ist der Übergang in die neue Funktion seit dem Sommer beendet: „Nun gehen wir in eine proaktive Gestaltung hinein.“ 

Als Geschäftsführer des Fachverbandes der Raiffeisenbanken nutzte Rehulka die Gelegenheit auch, um über seine aktuelle Arbeit als Interessensvertreter, das kürzlich präsentierte Bankenpaket, Zinsdiskussionen, Bargeld und Bankomaten zu sprechen. „Unsere Dezentralität ist unser USP, aber jetzt ist es besonders wichtig, dass wir gemeinsam die wichtigsten strategischen Argumente vertreten – nicht nur beim ÖRV“, appelliert Hameseder. 

Mehr gemeinsame Anstrengung fordert der Generalanwalt auch beim Thema Diversität: „Wir müssen eine deutlich bessere Durchmischung zusammenbringen und in der Lage sein, die Gesellschaft abzubilden.“ Aktuell liegt der Frauenanteil unter den Geschäftsleitern bei vier Prozent und der Altersdurchschnitt der rund 700 Geschäftsleiter bei 52 Jahren. Personalentscheidungen bedürfen stets einer guten Planung, so Hameseder: „Das eine ist die qualitativ-inhaltliche Kompetenz, bei Raiffeisen geht es aber auch um Kulturfragen, um die Raiffeisenwerte.“ 

Personelle Weichenstellungen gibt es im kommenden Jahr im Dachverband der GL-Vereinigungen: Alfons Neumayer scheidet als Präsident aus, als Nachfolger wurde Andreas Weber, Geschäftsleiter der Raiffeisenbank Region Amstetten, im Nominierungsvorschlag einstimmig beschlossen. Grund für den Wechsel ist die Pensionierung von Neumayer, seine Position als Geschäftsleiter der Raiffeisenbank Wienerwald wird übrigens ab Ende Juni 2024 Alexander Stegbauer, Leiter der Stadtbank der RLB NÖ-Wien, übernehmen. 

Gerd Beidernikl
Gerd Beidernikl © Jan Zaslawski

Personelle Übergänge

Die Nachfolge zu regeln, wird tendenziell immer schwieriger, weiß Gerd Beidernikl, CEO von Vieconsult. Der Unternehmensberater ist spezialisiert auf Nachfolgelösungen im Management: „Führungskräfte fehlen, entweder weil ihnen die Qualifikationen fehlen oder weil intern niemand Führung übernehmen will.“ Es sei Aufgabe des Managements, eine Organisation so aufzustellen, dass sie zukunftsfit ist und für junge Menschen sowie kompetente Kandidaten ein attraktiver Arbeitsort ist. „Nachfolge im Management ist die absolute Feuertaufe in jeder Organisation und zeigt, wie stabil eine Organisation um eine Rolle und nicht um einen Menschen herum aufgebaut ist“, so Beidernikl. Zudem sei es wichtig, den Nachfolgern die Möglichkeit zu geben, noch erfolgreicher sein zu können. 

Der größte Managementfehler sei der Hochmut: „Zu glauben, nur weil man eine gute Marke hat, kommen die guten Bewerber automatisch, ist falsch.“ Planung und Suche müssten professionell gestaltet sein: „Die Personalabteilung muss weg vom Verwalter hin zum Gestalter.“ De facto ist ein „permanentes Recruiting“ notwendig, denn Unternehmen seien am Personalmarkt von Einkäufern zu Verkäufern geworden. 

Das meistgelebte Prinzip, dass die beste Fachkraft zur Führungskraft gemacht wird, betrachtet Beidernikl durchaus kritisch: „Man muss darauf achten, dass man nicht nur Fachpotenzial, sondern auch Führungspotenzial entdecken und fördern kann.“ Zwei Drittel der Unternehmen wollen Nachwuchskräfte selbst aufbauen. Dabei müsse das Führungsinteresse früh geweckt, aber mögliche Kandidaten dürften auch nicht zu lange hingehalten werden. 

„So kurz wie möglich, so lange wie nötig. Je länger, umso schlechter“ – diese Grundregel gilt auch beim Offboarding von Führungskräften. „Auch der Rückzug aus einer Position will geplant sein und betrifft eine fachliche und eine soziale Verabschiedung“, so Beidernikl. Auch gegenüber der Belegschaft brauche es eine offene Kommunikation. Selbst wenn der Wechsel gut über die Bühne gegangen ist, gebe es keine Garantie, dass die neue Führungskraft bleibt. „Jeder dritte Firmenchef gibt innerhalb der ersten 18 Monate nach Amtsantritt den Job wieder auf“, berichtet der Unternehmensberater. 

RBI-Vorstandsdirektor Andreas Gschwenter
RBI-Vorstandsdirektor Andreas Gschwenter © Jan Zaslawski

Agile Ausrichtung

Neben personellen und strategischen Weichenstellungen erfordert auch der technologische Fortschritt neue Antworten. „Die Zukunft wird immer disruptiver und ist nicht mehr planbar“, erkennt Andreas Gschwenter, COO/CIO der Raiffeisen Bank International. Viel der Veränderung ist technologie-basiert, betont der RBI-Vorstandsdirektor und ergänzt: „Eine Bank ist in Zukunft kein IT-Unternehmen, aber stärker davon abhängig.“ Die Bedürfnisse der Kunden seien gleich geblieben, aber wie sie serviciert werden, das habe sich radikal verändert. Wichtig sei: „Wir müssen anpassungsfähig und sehr schnell auf Veränderungen reagieren können. Agilität in der Business-IT ist enorm wichtig.“ Man müsse weg von „großen Releases“, so Gschwenter. Durch die agile Arbeitsweise mit End-to-end-Verantwortung sei die Zufriedenheit der Kunden und der Mitarbeiter gestiegen. 

Potenzial sieht Gschwenter bei der „Datenhoheit“, die Raiffeisen in den vergangenen Jahren durch die Digitalisierung zunehmend verloren habe: „Man muss verstehen, was den Kunden kümmert. Hier konkurrieren wir nicht nur mit anderen Banken, sondern mit den großen Tech-Konzernen, die in Echtzeit personalisierte Angebote erschaffen.“ 

Eine gemeinsame Datenplattform wäre eine Lösung. Auch in der Abwicklung sieht Gschwenter noch Automatisierungspotenzial. Als größtes Risiko stuft der Banker mittlerweile das „Cyber Risiko“ ein. Hier habe der Kampf um die besten Köpfe auch stark eingesetzt. Auf all diese Herausforderungen gilt es als Manager zu reagieren: „Es ist unsere große Verantwortung, unser Unternehmen für die Zukunft fit zu machen.“ 

Die Gastgeber des Kärnten-Abends: Nikolaus Primessnig, Johannes Dörfler und Uwe Maier (3.v.r.) von der Geschäftsleitervereinigung Kärnten sowie die drei RLB-Vorstandsdirektoren Georg Messner, Manfred Wilhelmer und Gert Spanz freuten sich über den Austausch mit Snowboarderin Anna Gasser.
Die Gastgeber des Kärnten-Abends: Nikolaus Primessnig, Johannes Dörfler und Uwe Maier (3.v.r.) von der Geschäftsleitervereinigung Kärnten sowie die drei RLB-Vorstandsdirektoren Georg Messner, Manfred Wilhelmer und Gert Spanz freuten sich über den Austausch mit Snowboarderin Anna Gasser. © Jan Zaslawski
AusgabeRZ40-2023

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