Deuber: „Die Schwächephase ist hausgemacht“

Das konjunkturelle Umfeld hat sich zuletzt überraschend deutlich eingetrübt. Raiffeisen Research erwartet nun auch heuer eine Rezession in Österreich. Die Gründe für die wirtschaftliche Schwächephase analysiert Gunter Deuber, Leiter von Raiffeisen Research.

Die konjunkturellen Alarmglocken schrillen in Österreich immer lauter. Nach der Rezession im Vorjahr in Höhe von 0,8 Prozent zeichnet sich auch im heurigen Wahljahr eine rückläufige Wirtschaftsleistung ab. Im zweiten Quartal 2024 ging das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) überraschend markant um 0,4 Prozent gegenüber dem Vorquartal zurück. Für das Gesamtjahr revidierte Raiffeisen Research die Prognose und erwartet nun ebenfalls ein Schrumpfen der Wirtschaftsleistung in Höhe von 0,5 Prozent. Davor gingen die Raiffeisen-Experten noch von einem Miniwachstum von 0,2 Prozent aus.

Für 2025 rechnen sie mit einem verhalteneren BIP-Plus von 0,9 Prozent. „Ohne einen drastischen Wechsel in der Standortpolitik wird es für die heimische Wirtschaft eine sehr schwierige Phase. Erst 2026 werden wir unser BIP-Niveau von Mitte 2022, den bisherigen Höchststand, erreichen“, verdeutlicht Gunter Deuber, Leiter von Raiffeisen Research, die wirtschaftspolitische Entwicklung.

Konjunkturelles Schlusslicht

Dazu kommt, dass Österreich auch in der Eurozone an Boden verliert. Mittlerweile zählt man zu den konjunkturellen Schlusslichtern im Euroraum, wo die Wirtschaftsleistung 2023 und bisher 2024 um 0,5 bzw. 0,8 Prozent gewachsen ist. „Die Schwächephase ist somit kein europäisches Phänomen, sondern ein österreichisches und wohl hausgemachtes Problem. Seit Mitte 2022 hat sich Österreich eindeutig vom Rest der Eurozone entkoppelt, der reale ,Wachstumsrückstand’ beläuft sich seitdem auf über 4 Prozent“, so Deuber über die Dimension der heimischen Schwäche. Enttäuschend sei, dass der Konsum auch heuer trotz satter Lohnsteigerungen ein weiteres Jahr schrumpfen dürfte – um 1,1 Prozent. „Das Umverteilen alleine bringt kein Wachstum“, konstatiert der Ökonom.

Für die bevorstehende Herbstlohnrunde rät Deuber zu einem maßvollen Lohnabschluss. Denn: Die Tariflöhne sind in Österreich in den letzten drei Jahren im selben Ausmaß wie die Inflation (21 Prozent) gestiegen, während in der Eurozone nicht die gesamte Inflation abgegolten wurde (Tariflöhne: +11 Prozent). „Dieser Lohnkosten- und damit Wettbewerbsnachteil bleibt – auch wenn die Zeit der hierzulande besonders hohen Inflation wohl vorbei ist. Zudem ist die ,Gefahr’ erneuter (zu) hoher Lohnabschlüsse nicht gebannt. Die rollierende Inflation der letzten zwölf Monate liegt bei 4,2 Prozent. Das spiegelt maßgeblich die Vergangenheit, aber nicht die inflationäre Realität wider“, warnt der Wirtschaftsexperte.

Große Unsicherheit im Unternehmenssektor

Diese starke Lohnentwicklung setzt auch die österreichische Industrie im internationalen Wettbewerb unter Druck, die schon seit mehr als zwei Jahren in einer Rezession steckt und kaum Investitionsspielräume hat. „Wir sind kein Billigproduktionsstandort, sondern leben von einer hohen Investitionstätigkeit. Wenn wir damit aufhören, geraten wir auf eine schiefe Bahn“, erklärt Deuber. So gingen im Vorjahr die Investitionen bereits um 1,3 Prozent zurück, heuer dürfte der Rückgang mit 2,4 Prozent noch stärker ausfallen.

„Wir haben ein Investitionsproblem. Im Unternehmenssektor herrscht eine hohe Unsicherheit. Dazu kommt, dass der Verlust der internationalen Wettbewerbsfähigkeit immer mehr durchschlägt. Wir sehen jetzt erste Einschläge, etwa Insolvenzen von größeren Betrieben. Das trägt zur negativen Stimmung bei. Die Österreicher sind deutlich skeptischer in Bezug auf die Arbeitsmarktsituation und sind wieder beim Vorsichts- bzw. Angstsparen angelangt. Es ist höchste Zeit, wieder an den Wirtschaftsstandort zu denken und der Verunsicherung sowohl bei den Firmen als auch den Konsumenten entgegenzutreten“, mahnt der Ökonom. 

Dass die Industrie im Außenhandel bis dato keine großen Einbrüche erlitten hat, führt der Raiffeisen-Experte darauf zurück, dass die heimischen Exporteure ihre Positionen auf den Weltmärkten auf Kosten der Marge und Profitabilität relativ stabil halten konnten. „Sie sind nicht in der Lage, die Kosten und Lohnsteigerungen weiterzugeben. Das kann aber nicht so weitergehen, irgendwann ist der Punkt erreicht, wo die Puffer aufgebraucht sind“, mahnt Deuber. Eine lange Investitionsschwäche könnte starke Folgewirkungen haben. „Die österreichische Industrie hat über Jahre in Produktivitätsfortschritte investiert, um gewisse preisliche Nachteile zu kompensieren. Jetzt gilt es darauf aufzupassen, dass wir nicht mehrere verlorene Jahre vor uns haben“, warnt der Raiffeisen-Chefökonom. Ein möglicher Schritt in die richtige Richtung wäre die Einführung einer befristeten Investitionsprämie.

Banken als Schlüsselindustrie 

Das aktuell schwierige Konjunkturumfeld spiegelt sich auch in der sehr schwachen Neukreditvergabe wider, insbesondere die Kreditvergabe im Wohnimmobilienbereich schrumpft weiter. „Das ist für viele heimische Banken ein wichtiges Geschäftsfeld“, so Deuber. Zudem beginnen die Zinseinkommen der Geldinstitute zu stagnieren bzw. zu drehen. 2023 dürfte der vorläufige Ertragshöhepunkt für die Branche gewesen sein, auch weil sich ein Zinssenkungszyklus abzeichnet. In so einer Phase über eine zusätzliche Bankensteuer nachzudenken, sei nicht nachvollziehbar und kontraproduktiv. Auch wenn die österreichischen Banken 2022 und 2023 „sehr solide Nettogewinne“ (10 bzw. 14 Mrd. Euro) erzielten, die deutlich über den durchschnittlichen Werten von 5 bis 6 Mrd. Euro lagen, mussten sie davor knapp zwölf Jahre mit Null- und Negativ-Zinsen kämpfen. Darüber hinaus müsse auch erwähnt werden, dass längerfristig betrachtet rund 45 Prozent dieser Gewinne in der CEE-Region erwirtschaftet wurden.

Wichtiger als die nominalen Ertragskennzahlen ist dem Finanzanalysten zufolge die Gesamtkapitalrentabilität (RoA). Diese liegt beim rein österreichischen Geschäft mit 0,9 Prozent im Vorjahr deutlich unterhalb des konsolidierten Werts (inkl. CEE) von 1,15 Prozent und damit in etwa auf dem Niveau der europäischen Mitbewerber (0,86 Prozent für 2023). „Insofern ist hier aus gesamteuropäischer Perspektive nicht per se eine signifikante ,Überrentabilität’ heimischer Banken erkennbar“, so Deuber. Nicht vergessen sollte man, dass Banken sehr wichtig für die Zukunftsfinanzierung seien. „Wir müssen den Bankensektor als Schlüsselindustrie sehen, um international wettbewerbsfähig zu sein“, fordert Deuber. 

Bei der Geldpolitik rechnet der Raiffeisen-Chefökonom heuer mit keinen Überraschungen. Er geht von zwei Zinssenkungsschritten im September und Dezember um je 25 Basispunkte aus. Zwar sei die Gesamtinflation vor allem dank gefallener Energiepreise und der Nachfrageschwäche schneller heruntergekommen als erwartet, dennoch dürfte die Kerninflation (also ohne Energie und Lebensmittel) noch länger über dem EZB-Ziel von 2 Prozent bleiben. In Österreich ist die Inflation im August laut einer Schnellschätzung auf 2,4 Prozent zurückgegangen. Die EZB werde die Zinsen weiter vorsichtig senken. „Für Österreich wird es aber nicht viel bringen, weil die Geldpolitik weiterhin restriktiv bleiben wird und für Österreich, als eines der Schlusslichter im Euroraum, nicht passt. Umso wichtiger ist es, dass wir uns auf nationaler Ebene überlegen, was wir für den Standort machen können“, appelliert der Wirtschaftsexperte. 

AusgabeRZ37-2024

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