Emerging Markets: Großer Hebel für grüne Transformation

Die Emerging Markets haben in den vergangenen Jahren underperformt, nun deutet einiges auf einen Wachstumsvorsprung hin.

Viele Inder auf einem Bahnsteig, als Symbolbild für Emerging Markets
Nicht nur beim Bevölkerungswachstum überholt Indien derzeit China. © Picturedesk.com/AFP/PUNIT PARANJPE

In den vergangenen Jahren sind die Emerging Markets bei Investoren ins Abseits gerückt. Die globalen Einflüsse haben sich auf die Performance der Schwellenländer ausgewirkt, wie Stefan Grünwald, Anleihefondsmanager in der Raiffeisen KAG, weiß: „Die Emerging Markets waren immer schon von globalen Themen und Risikoeinschätzung geprägt. Neben Ereignissen wie dem Rohstoffboom der Nullerjahre, der globale Finanzkrise, Covid 19 oder dem Aufstieg Chinas hat speziell die Zinspolitik der Fed die Kapitalströme in die Emerging Markets immer wieder sehr stark beeinflusst.“ Die massiven Zinsanhebungen der Fed in den vergangenen zwei Jahren und die global hohe Inflation haben den Schwellenländern zugesetzt – sowohl im Anleihen- als auch im Aktienbereich. Auch wenn der Inflationstrend momentan rückläufig ist, dürften die Raten in den nächsten Jahren höher sein als in den vergangenen 10 bis 15 Jahren. 

Betrachte man das globale Wachstumsbild, so habe sich das Wachstums-Differenzial der Schwellenländer im Vergleich zu den entwickelten Märkten nach 2021 und 2022 wieder ausgeweitet. Asien bleibe trotz des rückgängigen Wachstums in China die globale Lokomotive. Auch gebe es zunehmend Anzeichen dafür, dass Chinas Konjunktur die Talsohle durchschritten habe. Grünwald: „Wachstumsraten jenseits der 5 bis 6 Prozent wird es aufgrund des chinesischen Immobilienmarkts zwar nicht mehr geben. Aber auch ein deutlich moderateres Wirtschaftswachstum wird noch immer positiv auf andere Schwellenländer und die Welt ausstrahlen.“ Anleiheinvestoren müssten jedoch eine starke Differenzierung zwischen den Ländern und Währungen berücksichtigen.

Nachhaltige Profiteure

Viele wichtige Branchen wie Energie, Infrastruktur, Mobilität oder Technologie sind stark von der Transformation hin zu mehr Nachhaltigkeit beeinflusst. Die Emerging Markets spielen bei dieser Transformation eine wesentliche Rolle, denn sie sind wichtige Lieferanten von vielen Rohstoffen, führend bei Mobilität und erneuerbaren Energien und auch beim Thema Technologie bedeutende Player. Aus diesem Grund ist für nachhaltig ausgerichtete Investoren eine Betrachtung der Emerging Markets in Hinblick auf Globalisierung und Lieferketten unverzichtbar. 

Schwellenländer können einen größeren Hebel, sprich Wirkungsgrad, bei Verbesserungen aufweisen, haben aber auch tendenziell eine höhere Exposition zu ESG-Risiken. Generell sind Emerging Markets nicht so nachhaltig wie entwickelte Märkte, aus mehreren Gründen: So ist etwa der Entwicklungsstand geringer und das Rohstoffvorkommen höher. „Rohstoffgewinnung ist per se nicht nachhaltig“, so Grünwald. Auch die Agrar- und Güterproduktion ist stark angestiegen, auch weil die Produktion substanziell von den entwickelten Märkten in Richtung Emerging Markets verschoben wurde. Daran würden auch die Lieferkettenprobleme der vergangenen Jahre nichts ändern, ist Grünwald überzeugt: „Wir glauben, dass der Trend vor allem aufgrund von niedrigeren Produktionskosten weitergeht.“ 

Selektion entscheidend

Für Jürgen Maier, der seit 20 Jahren den Emerging-Marktes-Aktienfonds in der Raiffeisen KAG managt, ist die relative Performance der Emerging-Markets-Aktien enttäuschend: „Seit 2010 haben die Emerging Markets deutlich underperfomt und auch heuer liegen sie nur zwei Prozent im Plus, zum Vergleich der MSCI World 12 Prozent.“ Das Sentiment sei sehr negativ und US-Investoren hätten China komplett abgeschrieben, Maier hingegen nicht: „Betrachtet man aber einzelne Branchen und Unternehmen, gibt es sehr positive Entwicklungen, insbesondere was China betrifft und speziell in Hinblick auf ESG.“ China sei global führend bei Investments in erneuerbare Energien und Elektromobilität. 

Auch Indien sei ein spannender Markt für Aktieninvestments, denn das Land könnte schon bald China als Wachstumslokomotive der Weltwirtschaft ablösen, nicht nur aufgrund des Bevölkerungswachstums, auch im Produktionsbereich holt Indien auf. Apple ist nur eines von vielen Unternehmen, die die Produktion nach Indien verlagert haben. Von einem Aufschwung im produzierenden Bereich könnten mehrere Schwellenländer profitieren, sowohl bei den Unternehmensgewinnen als auch bei den Aktienkursen. „Gute Selektion ist aber wichtig“, betont Maier.