Hitze, Dürre und andere Wetterextreme nehmen aufgrund des Klimawandels zu. Das daraus resultierende Risiko für europäische Banken wurde nun erstmals von der Europäischen Zentralbank in einem Klimastresstest abgefragt und analysiert. Die Ergebnisse zeigen, dass Banken Klimarisiken noch nicht hinreichend in ihre Stresstestrahmen und in ihre internen Modelle einbeziehen, wie Andrea Enria, Vorsitzender des Aufsichtsgremiums der EZB, erklärt: „Die Banken im Euroraum müssen ihre Anstrengungen zur Messung und Steuerung von Klimarisiken dringend verstärken, die aktuellen Datenlücken schließen und die anerkannten Verfahren anwenden, die es in der Branche bereits gibt.“
Der Test ist Teil des allgemeinen Klimafahrplans der EZB. Dabei geht es allerdings nicht um die Kapitalausstattung, sondern vielmehr darum, dass Banken wie auch Bankenaufsicht Erkenntnisse gewinnen. Es wurden qualitative und quantitative Informationen erhoben, um zu beurteilen, inwieweit die Branche auf Klimarisiken vorbereitet ist. Außerdem sollten Best Practices für den Umgang mit klimabezogenen Risiken gesammelt werden.
104 Banken haben an dem Test teilgenommen, der sich aus drei Modulen zusammensetzt. Die Banken, darunter auch die Raiffeisen Bank International (RBI) und die Raiffeisenlandesbank Oberösterreich, mussten Informationen über ihre eigenen Kapazitäten für Klimastresstests, ihre Abhängigkeit von kohlenstoffintensiven Branchen und ihre Ergebnisse in verschiedenen Szenarien über mehrere Zeithorizonte bereitstellen.
Handlungsbedarf in der Methodik
Dabei zeigt sich, dass die meisten europäischen Großbanken noch Handlungsbedarf in der methodischen Auseinandersetzung mit Klimarisiken haben. Gesamthaft hätten die Banken die hohe Erwartungshaltung der EZB nicht erfüllt, findet RBI-Risikovorstand Hannes Mösenbacher, aber „der Stresstest ist eine wichtige Übung, da hier das erste Mal versucht wurde, eine Quantifizierung potenzieller zukünftiger klimarelevanter Übergangsrisiken für die wichtigsten Banken Europas durchzuführen. Die EZB sieht diesen Stresstest als erste Lernübung mit dem Ziel, die Fähigkeiten von Banken und deren Aufsichtsbehörden zur Bewertung von Klimarisiken zu verbessern. Die Komplexität dieser Quantifizierung ist hoch und wir befinden uns noch mitten in der Analysephase aus dem Peervergleich, um für uns wichtige Schlussfolgerungen zu ziehen.“ Nachhaltigkeit habe für die RBI jedenfalls schon vor dem Klimatresstest eine große Rolle gespielt. „Wir sind uns der Herausforderungen, die der Klimawandel an unsere Bank stellt, sehr bewusst. Aber natürlich lernt man mit jedem Test etwas dazu“, so Mösenbacher.
Auch Heinrich Schaller, Generaldirektor der RLB OÖ, betont: „Die Ergebnisse zeigen einerseits, dass die bisherige Arbeit Früchte trägt, andererseits gibt es noch sehr viel zu tun.“ Viele Banken stünden hier erst am Anfang. In Oberösterreich sei das anders: „In der Raiffeisenlandesbank OÖ werden die finanzierten Treibhausgasemissionen bereits seit längerer Zeit gemessen und gemonitort, darüber hinaus führen wir Stressrechnungen durch, um steigenden CO2-Preisen begegnen zu können. Die Ergebnisse der EZB unterstreichen unsere eigenen Einschätzungen und bestärken uns, an unseren geplanten Handlungsfeldern weiterzuarbeiten. Vor allem das erstmalige Benchmarking gegenüber anderen Banken bringt wichtige Erkenntnisse“, kommentiert Schaller das Ergebnis der RLB OÖ.
Der Klimastresstest fügt sich in eine Reihe von regulatorischen Anforderungen zum Thema Klima- und Umweltrisiken ein. Sowohl für die aufsichtsrechtlichen Anforderungen als auch für die interne Risikosteuerung arbeitet die RLB OÖ gerade intensiv an einer geeigneten Dateninfrastruktur sowie an Modellen zur Risikomessung von steigenden CO2-Preisen und Extremwetterereignissen.
Jede teilnehmende Bank hat von der EZB einen individuellen Report erhalten, darin sind aber keine direkten Handlungsempfehlungen enthalten. Die konkreten Handlungsfelder ergeben sich aus der Integration der Klimarisiken in die Steuerung, in die internen Risikosysteme und für die Erfüllung der neuen aufsichtsrechtlichen Meldungen und Offenlegungspflichten. „Wir werden unseren eingeschlagenen Weg, klimarelevante Risiken datenbasiert in unsere Entscheidungsfindung einfließen zu lassen, fortsetzen“, erklärt Mösenbacher.
Mangel an standardisierten Daten
Konkret zeigen die Ergebnisse, dass rund 60 Prozent der 104 untersuchten Banken noch keinen Rahmen für Klimastresstests haben. Entsprechend beziehen die meisten Banken Klimarisiken nicht in ihre Kreditrisikomodelle ein. Dies sei auch darauf zurückzuführen, dass es derzeit noch an standardisierten klimarelevanten Daten mangelt, um die Risiken in einer zufriedenstellenden Genauigkeit analysieren zu können, so die EZB in ihrer Analyse. Zudem berücksichtigen gerade einmal 20 Prozent der Banken Klimarisiken als eine Variable bei der Kreditvergabe.
Bei der RBI spielt das Klimarisiko bereits jetzt in der Kreditvergabe eine wichtige Rolle, unterstreicht Mösenbacher: „Wir erweitern kontinuierlich unsere sektoralen Strategien um klimarelevante Aspekte. Als aktuelles Beispiel haben wir eine neue Coal Policy eingeführt. Die Bedeutung von Klimarisiken wird weiter steigen und wir werden diese faktenbasiert in unsere Geschäfts- und Risikostrategie integrieren.“
Auch bei der RLB OÖ wird im Kreditvergabeprozess ein stärkeres Augenmerk auf klima- und umweltrelevante Aspekte gelegt. Dabei trage die erweiterte Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD) wesentlich zur Informationsgewinnung bzw. Transparenz bei. Ein verstärktes Engagement zu Nachhaltigkeitsthemen wird sich zukünftig positiv auf das Rating und somit auf die Bepreisung auswirken.
Entschlossenes Handeln
Vonseitens der österreichischen Aufsicht kommentiert OeNB-Vize-Gouverneur Gottfried Haber die Ergebnisse des EZB-Klimastresstests so: „Es zeigt sich das gleiche Bild, wie es der OeNB-Klimastresstest aus dem Herbst 2021 für die regional relevanten heimischen Banken erhoben hat: Viele Banken stehen derzeit noch am Beginn der methodischen Auseinandersetzung mit den finanziellen Auswirkungen von Klimarisiken.“ Da Klimastresstests das Ziel haben, das Risikomanagement der Banken gegenüber Klimarisiken zu stärken, fordert der Vorstand der Finanzmarktaufsicht FMA, Helmut Ettl und Eduard Müller, „die Banken zu entschlossenem Handeln auf. Die Integration von Klimarisiken in das Risikomanagement der Banken muss forciert werden.“ EZB, OeNB und FMA wollen gemeinsam die Fortschritte der Banken in diesem Bereich aufsichtlich vorantreiben, eng begleiten und konsequent überwachen.
Wie schnell sind Fortschritte und Verbesserungen möglich? Hannes Mösenbacher: „Das kann man nicht pauschal beantworten. Es gibt Bereiche, wo man ‚quick wins‘ erzielen kann und es gibt Bereiche, wo Verbesserungen eine gewisse Zeit brauchen. Wir können beispielsweise nicht von heute auf morgen unser Kreditportfolio umstellen. Unsere Kunden benötigen eine gewisse Zeit, um ihren ökologischen Fußabdruck zu verbessern. Entscheidend ist, dass sie damit beginnen und wir als Raiffeisen sie dabei unterstützen.“
Für Heinrich Schaller ist ebenfalls klar: „Die aus dem Klimawandel resultierenden Risiken sind nicht nur Thema von Banken, es braucht den Gleichschritt mit einer Vielzahl an Stakeholdern. Wir müssen also speziell den Dialog mit unseren Kunden zu deren Dekarbonisierungs-Strategien intensivieren, um gemeinsam die Risiken zu minimieren. Klar ist, dass das Thema große Umstrukturierungen und Veränderungen mit sich bringen wird.“
Der EZB-Klimastresstest hat zwar keine direkten Konsequenzen für die einzelnen Institute, brachte aber wichtige Erkenntnisse über die Entwicklung von Klimarisikomodellen. „Dieser Klimastresstest ist ein entscheidender Meilenstein im Hinblick auf unser Ziel, die Widerstandskraft unseres Finanzsystems gegenüber Klimarisiken zu stärken“, sagt Frank Elderson, stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsgremiums der EZB. „Wir erwarten, dass die Banken konsequente Maßnahmen ergreifen und kurz- bis mittelfristig robuste Rahmen für klimabezogene Stresstests ausarbeiten.“