„Mama ist froh, wenn ich heil heimkomme“

Wenn es um spektakuläre Sprünge über Schanzen oder das Durchfahren gefinkelter Hindernis-Parcours geht, macht dem 17-jährigen Tiroler Florian Pale so leicht keiner etwas vor. Zuletzt stellte er sein Können bei den europäischen Jugend-Spielen unter Beweis.

Freeskier Florian Pale kurz vor einem Sprung
© Privat

Wer selbst schon einmal seinem eigenen Nachwuchs dabei zugeschaut hat, wie er das alpine Vergnügen in einen Trickski-Event verwandelt, weiß, dass dabei der eine oder andere Tropfen Angstschweiß fließt. Nicht anders erging es der Mutter von Florian Pale, als der skibegabte Sohn mit acht Jahren anfing, waghalsige Sprünge über Schanzen zu absolvieren und sich immer mehr für Hindernisse als für schöne Schwünge interessierte. „Das ist bis heute so“, sagt der Tiroler lachend. „Mama macht sich immer Sorgen, dass mir etwas passieren könnte und ist froh, wenn ich nach einem Bewerb wieder heil nach Hause komme.“

Dabei kam Pale in den letzten Jahren nicht nur heil, sondern oft auch mit Übergepäck in Form von Pokalen und Medaillen nach Hause. Denn was für andere ein lässiges Freizeitvergnügen blieb, wurde für den Tiroler zu einer Leidenschaft, mit der er es schon ziemlich weit nach oben gebracht hat. Zuletzt vertrat er im Jänner sogar die österreichischen Farben beim European Youth Olympic Festival, kurz EYOF, einer Art Olympischer Spiele, die auf junge Athleten aus Europa beschränkt sind.

„Ich habe im Vorfeld völlig unterschätzt, wie groß dieser Event wirklich ist“, erzählt Florian Pale. „Es waren 1.200 Athleten aus dem ganzen Kontinent im Friaul dabei, allein zur Eröffnungsfeier in Triest wurden die Sportler mit 20 Bussen und Polizei-Eskorte angekarrt. Das war schon ein großartiges Erlebnis.“ Was noch dazu versüßt wurde, da der 17-Jährige auch sportlich zu überzeugen wusste. Im sogenannten Slopestyle kam er auf Rang 13, „da habe ich mir ein paar Patzer erlaubt, deswegen reichte es nicht für weiter vorne.“ Im Big Air allerdings war er hochkonzentriert, schaffte es ins Finale und belegte am Ende den bärenstarken sechsten Rang. „Ich konnte im Vorfeld überhaupt nicht einschätzen, wie stark die Konkurrenz sein würde und wie die Bedingungen sich darstellen. Umso froher war ich, dass es am Ende für eine so gute Platzierung gereicht hat.“

Kreativ-Parcours

An dieser Stelle ist es wichtig, die verschiedenen Disziplinen beim Freeskiing zu erklären. Beim Slopestyle wird ein Parcours absolviert, in dem es Sprünge über Schanzen (Kicker) und verschiedene Hindernisse wie Rails und Boxen zu bewältigen gilt. Beim Big Air dagegen gibt es nur jeweils einen Sprung über eine Schanze. Gleich ist, dass eine Jury die Performance nach klar definierten Kriterien (Höhe, Schwierigkeit und Style der Tricks) bewertet und Punkte vergibt. 

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass auch Sprünge in der Halfpipe beim Freeski dazu gehören – das allerdings ist so gar nicht nach Pales Geschmack. „Ich lasse die Halfpipe völlig aus. Nicht nur, weil es mir weniger Spaß macht, sondern auch, weil es in Österreich kaum Trainingsmöglichkeiten dafür gibt.“ Und auch, wenn ihm bei den EYOF die bessere Platzierung im Big Air gelang – seine liebste Spielwiese ist und bleibt der Slopestyle-Bewerb. „Ich finde, dass man dort am besten seine Kreativität ausspielen kann. Das kommt mir und meinen Fähigkeiten entgegen.“

Echter Meilenstein

Dass der Bursche vom Sportverein Fiss (eine 1.000-Seelen-Gemeinde im Bezirk Landeck) überhaupt zum olympischen Festival nach Italien reisen durfte, hat er seinen bis dahin herausragenden Leistungen zu verdanken. Gerade einmal für zwei österreichische Athleten gab es Freeski-Tickets. Und während sich fünf andere Sportler um einen Platz streiten und eine interne Qualifikation ausfahren mussten, war Florian Pale von Vornherein gesetzt. Was auch daran lag, dass ihm Anfang Dezember des vergangenen Jahres ein echter Meilenstein gelang: Bei einem Slopestyle-Bewerb in der Schweiz feierte er seinen ersten Sieg bei einem offiziellen FIS-Bewerb und sorgte damit für ein Ausrufezeichen. „Das Wetter war schlecht, weswegen es keine Sprünge über große Schanzen gab. Das spielte mir in die Karten, ich konnte meine beste Leistung an diesem Tag abrufen. Eine sehr lässige Geschichte.“

Einen Erfolg, den er bereits mit dem Giebelkreuz auf seiner Ausrüstung feierte, denn seit vergangenem Winter gehört Raiffeisen Tirol zu seinen Sponsoren. Für einen jungen Athleten ein ungemein wichtiges Asset, um auch die finanziellen Belastungen in dieser Phase der Karriere stemmen zu können. „Reisen, Ausrüstung, Betreuung – das ist nicht zu unterschätzen“, erzählt Pale. „Da mein Vater wusste, dass Raiffeisen immer wieder ehrgeizige Athleten, die etwas erreichen wollen, unterstützt, haben wir dort angefragt.“ Sie stießen auf offene Ohren.

Traum von Olympia

Denn Pales Weg führt weiterhin vor allem in eine Richtung: nach oben. Auch wenn es manchmal sehr stressig ist, Schule und Training unter einen Hut zu bekommen. „Aber ich habe einen total verständnisvollen Schul-Direktor, der mir immer freigibt, wenn ich es für einen Wettkampf oder ein Trainingslager benötige.“ Nachsatz mit einem Schmunzeln: „Immer vorausgesetzt, dass die Noten passen und ich alle Sachen wie Hausübungen verlässlich erledige.“ Das ist derzeit der Fall.

Natürlich hat ein Athlet wie Florian Pale Ziele, kurz- wie langfristige. Zu ersteren gehört das Etablieren im Europacup und der Aufstieg vom C- in den B-Kader des Österreichischen Ski Verbandes (ÖSV), „auch wenn das gar keine so großen unmittelbaren Vorteile für mich hätte“. Auf lange Sicht gesehen will er sich dagegen für den Weltcup qualifizieren und auf den allergrößten Bühnen sein Können zeigen. Und natürlich träumt er davon, irgendwann nicht nur bei den Jugend-, sondern bei den echten Olympischen Spielen an den Start zu gehen. Dort ist die noch junge Sportart seit 2014 im Programm und findet aufgrund der spektakulären Szenen immer mehr Anhänger. „Dort einmal dabei zu sein, wäre ein Traum. Wobei mir schon klar ist, dass der Weg ein langer und auch steiniger ist.“ Doch wenn er ihn erfolgreich geht, wird vielleicht auch die Mama eines Tages ihre Sorgen über Bord werfen.