„Geschlechtergerechtigkeit ist ein Gebot der Stunde“

Evelin David und Doris Haidlen-Birnbaumer stehen als Vorsitzende und stellvertretende Vorsitzende dem Funktionärinnen-Beirat vor. Sie sprechen über ihre Motivation und über die Herausforderungen, mehr Frauen für Aufsichtsgremien zu gewinnen.

Frau David, 2014 wurde der Funktionärinnen-Beirat ins Leben gerufen. Sie sind vor einem Jahr Anita Straßmayr als Vorsitzende gefolgt. Was hat Sie motiviert, diese Funktion zu übernehmen?
Evelin David: Einige Kolleginnen im Funktionärinnen-Beirat sind auf mich zugekommen und haben mich gebeten, als Vorsitzende zu kandidieren. Für mich ist Geschlechtergerechtigkeit ein Gebot der Stunde und ich bin überzeugt, dass man am meisten bewegen kann, wenn man ganz vorne steht. Somit war es für mich eine einfache Entscheidung.

Vieles ist im Funktionärinnen-Beirat in den vergangenen zehn Jahren gelungen. Dennoch gibt es noch Handlungsbedarf. Welche Schwerpunkte wollen Sie in Ihrer Funktionsperiode setzen?
David: Tatsächlich konnten wir mit einer Erhöhung des Funktionärinnen-Anteils im Bankenbereich um ca. 14 Prozentpunkte bereits beachtliche Erfolge verbuchen und stehen jetzt bei 22 Prozent. Wir werden unser Ziel von 25 Prozent bis 2025 sicherlich erreichen. Unser Endziel kann jedoch nur eine Spiegelung der Bevölkerung, der Kunden und Mitglieder sein – und das ist ca. 50/50. Bei den Lagerhäusern und Molkereien stehen wir noch am Anfang und dort ist noch viel zu tun. Neben dem Schwerpunkt, den Frauenanteil weiter zu erhöhen, ist auch die strukturierte Nachfolgeplanung eine wichtige Notwendigkeit. Beides geht für mich Hand in Hand, denn wenn Nachfolge ordentlich geplant wird und es dazu auch Spielregeln gibt, gelingt es besser, Frauen und Jugend in unsere Gremien zu bringen.

„Strukturierte Nachfolgeplanung ist eine wichtige Notwendigkeit.“

Evelin David

Frau Haidlen-Birnbaumer, aus welchem Grund haben Sie sich entschieden, Funktionärin zu werden?
Doris Haidlen-Birnbaumer: Ich habe mich entschieden, Funktionärin zu werden, weil mir von Beginn an der Gedanke gefallen hat, in einer Raiffeisengenossenschaft Verantwortung zu übernehmen und damit eine wichtige Funktion im gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben zu erfüllen.

Was ist Ihnen in Ihrer Tätigkeit im Funktionärinnen-Beirat besonders wichtig?
Haidlen-Birnbaumer: In meiner Tätigkeit im Funktionärinnen-Beirat ist mir besonders wichtig, als Botschafterin für die „Normalität in den Gremien“ aufzutreten. Ich möchte die Bereitschaft für ein Umfeld fördern, in dem Gleichberechtigung und Wertschätzung im Vordergrund stehen und eine ausgewogene personelle Zusammen­setzung die Basis für professionelle und konstruktive Zusammenarbeit bildet.

Wo sehen Sie die größte Herausforderung auf dem Weg, mehr Frauen in Aufsichtsgremien zu gewinnen?
David: Zurzeit liegt die größte Herausforderung darin, dass es wenige verfügbare Mandate gibt und kaum jemand freiwillig sein Mandat zur Verfügung stellt. Ich sehe immer wieder, wenn der Wille da ist, ist die Besetzung eines Mandats mit einer Frau kein Problem. Es kommt halt immer darauf an, wie man mit der betreffenden Frau spricht.

Aus welchen Gründen gelingt es in manchen Bundesländern besser, in manchen weniger gut, Funktionärinnen zu gewinnen?
Haidlen-Birnbaumer: In einigen Bundesländern haben vorausschauende und zukunftsorientierte Entscheidungsträger die Zeichen der Zeit frühzeitig erkannt und sich bereits vor Jahren darum bemüht, Frauen in Aufsichtsratsgremien zu integrieren. Dadurch gibt es in diesen Bundesländern keine Primärbanken ohne Funktionärinnen. Wir sind überzeugt, dass jedes Bundesland genügend Funktionärinnen gewinnen kann, wenn die Strukturen dafür geschaffen werden.

Welche Aktivitäten sollte der ÖRV setzen, um den Funktionärinnen-Beirat zu unterstützen?
David: Der ÖRV hat den Funktionärinnen-Beirat ins Leben gerufen, um mehr Frauen in die Aufsichtsräte von Raiffeisen zu bekommen. Die Arbeit der Funktionärinnen auf Bundesebene wird vom ÖRV sehr gut unterstützt. Bettina Kastner als Koordinatorin ist mit Herz und Seele dabei und somit die beste Unterstützung, die hier aufgeboten werden konnte. Wir im Funktionärinnen-Beirat erfüllen unsere Aufgabe, indem wir Problemfelder aufzeigen, Strategien erarbeiten und Lösungsvorschläge unterbreiten. Mit Generalanwalt Erwin Hameseder werden unsere Themenfelder akkordiert und an die Landesorganisationen weitergegeben. Die aktive Unterstützung des Generalanwaltes zur Umsetzung der notwendigen Schritte ist am wichtigsten.

„Lippenbekenntnisse allein genügen nicht.“

Doris Haidlen-Birnbaumer

Generalanwalt Hameseder ist das Funktionärinnen-Thema ein großes Anliegen. Wie wichtig ist es, dass gerade männliche Führungskräfte hinter den Zielen des Funktionärinnen-Beirates stehen?
Haidlen-Birnbaumer: Die Mehrheit der Entscheidungsträger, Vorstände, Aufsichtsratsvorsitzenden und höheren Führungskräfte im Raiffeisensektor sind Männer. Es ist entscheidend, dass diese Männer es ermöglichen, dass Frauen ihren Platz in den Gremien einnehmen können. Lippenbekenntnisse allein genügen nicht, diese Männer müssen auch mit gutem Beispiel vorangehen!

Welchen Rat geben Sie jungen Funktionärinnen für ihre ehrenamtliche Tätigkeit?
David: Mit der Funktionärstätigkeit bei Raiffeisen haben wir die Möglichkeit unsere Region mitzugestalten, denn Raiffeisen ist ein Big-Player, ein wichtiger Arbeitgeber und bedeutend für die Wirtschaft. Entscheidungen in den Gremien wirken sich also überall aus. Jungen Funktionärinnen empfehle ich, sich gut zu vernetzen – sowohl mit Frauen als auch mit Männern, die Weiterbildungsangebote anzunehmen und offen und mutig zu bleiben. Und das Allerwichtigste: authentisch bleiben, Fragen stellen und die eigene Meinung vertreten!

Wie soll Raiffeisen in zehn Jahren in puncto Funktionärinnen aufgestellt sein?
Haidlen-Birnbaumer: Meiner Meinung nach sollte es im Jahr 2034 selbstverständlich sein, dass die Zusammensetzung der Gremien der Bevölkerungszusammensetzung entspricht. Wie diese aussieht, ist uns allen bekannt. (Das sage ich mit einem Augenzwinkern, aber durchaus ernsthaft gemeint.)
David: Ich hoffe, dass es in zehn Jahren keine Rolle mehr spielt, ob eine Frau oder ein Mann ein frei gewordenes Funktionärsmandat erhält. Das kann nur sein, wenn eine ausgewogene Geschlechterverteilung in den Gremien herrscht. Wenn dies erreicht ist, hat der Funktionärinnen-Beirat seine Aufgabe erfüllt.

AusgabeRZ24-24

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