Schaller: „Hätte mir gewünscht, dass wir noch weiter kommen“ 

Heinrich Schaller zieht zum Ende seiner Karriere als Generaldirektor der Raiffeisenlandesbank OÖ persönliche Bilanz über Erfolge, Herausforderungen und Enttäuschungen.

Mit 30. April endet Ihre Karriere bei Raiffeisen nach 13 Jahren an der Spitze der RLB Oberösterreich. Mit welchem Gefühl erleben Sie die letzten operativen Tage?
Heinrich Schaller: Mit einem guten Gefühl und einer gewissen Vorfreude auf die Zeit danach.

Sie gehen acht Monate vor Ihrem Vertragsende. Warum?
Schaller: Wenn die Entscheidung gefallen ist, dann hat es keinen Sinn, die Übergangsphase hinauszuzögern, weil das ein Unternehmen lähmen könnte. Daher ist es am vernünftigsten, wenn man es so macht wie wir. 

Was werden Sie am meisten vermissen? 
Schaller: Ich habe wirklich große Freude im Beruf gehabt, aber es hat alles seine Zeit. Vermissen werde ich sicherlich den Umgang mit den vielen Leuten, das wird bestimmt eine Umstellung. 

Wie würden Sie Ihre Amtszeit kurz subsumieren? Was bleibt?
Schaller: Das Haus steht wirklich auf festen Beinen. Und ich glaube und ich hoffe, dass das so bleibt und man bestimmte Kennzahlen ganz genau im Auge behält. Es geht immer um eine einfache Frage: Wie viel könnte mir ein Engagement schaden, wenn es schiefgeht? Diese Frage immer im Blick zu haben, ist das Wichtigste überhaupt, nicht nur in einer Bank, sondern generell bei Unternehmen.

Was sehen Sie als Ihre größten Meilensteine?
Schaller:
Die Anfangszeit war nicht einfach, weil genau zu dieser Zeit das europäische Aufsichtssystem begonnen hat, das immer schärfer, härter und überbordender geworden ist. Da Schritt zu halten und das Richtige zu machen, die Ressourcen dementsprechend zur Verfügung zu stellen und trotzdem zu schauen, dass man genug Geschäft machen kann, das war kein Meilenstein, sondern ein Prozess, der uns sehr gut gelungen ist. Die Entwicklung des Risikomanagements hat uns aber gutgetan. Wir mussten anfangs konsolidieren, um dann 2015 wieder den Expansionskurs einzuschlagen, das war auch nicht einfach, hat aber funktioniert. Die Strukturierung des Beteiligungsbereichs war ebenfalls extrem wichtig, um darauf aufzubauen. Und auch die IT-Situation war im gesamten Sektor noch viel zersplitterter, als sie heute ist. Und was mich auch sehr freut, war das Aufsetzen des neuen Zentralgebäudes in Holz-Hybridbauweise, das beschlossen wurde und im kommenden Jahr soll mit dem Bau begonnen werden, und natürlich auch die Raiffeisen Arena. 

Das Beteiligungsportfolio haben Sie strukturiert und zuletzt wieder deutlich ausgeweitet mit dem Einstieg bei Rosenbauer. Wie gut ist das Beteiligungsgeschäft aufgestellt und wie würde die Bank ohne Beteiligungen ausschauen? 
Schaller: Das möchte ich mir gar nicht vorstellen. Der Beteiligungsbereich ist ein wichtiger Teil unseres Konzerns und sehr gut aufgestellt. Da hat Reinhard Schwendtbauer mit seinen Leuten wirklich super Arbeit geleistet. 

Was hat Ihnen mehrere schlaflose Nächte bereitet?
Schaller: Bei neuen regulatorischen Anforderungen hat man schlaflose Nächte, weil man sich so ärgert. Ein paar Fälle bei Kreditvergaben haben mir in der Vergangenheit schon hin und wieder Kopfzerbrechen bereitet.

Muss sich Ihr Nachfolger darüber auch Gedanken machen?
Schaller: Er weiß alles und daher glaube ich nicht. 

Ihre Ziele 2012 waren, die Organisation zu verschlanken und Doppelgleisigkeiten zu beseitigen. Wie gut ist das gelungen?
Schaller: Wir haben sicher einiges gehoben, aber fertig ist man nie. Die Zusammenarbeit mit dem oberösterreichischen Sektor ist durch die beiden Projekte RBG Oberösterreich 2020 und 2025 deutlich weitergekommen. Da sind viele Projekte und Maßnahmen gemeinsam beschlossen und umgesetzt worden. Das hat dem Sektor extrem gutgetan.

„Wenn man das ausdehnt, dann würde man gewaltige Effizienzen heben.“

Auch auf Bundesebene wurden Synergien gehoben. Wie viel Potenzial sehen Sie denn in der Raiffeisenbankengruppe Österreich noch?
Schaller: Wir haben noch sehr viel Potenzial. In einigen Bereichen haben wir begonnen, dass einzelne Landesbanken bestimmte Funktionen für alle ausüben – etwa in den Bereichen Compliance, Geldwäsche und Recht. Wenn man das ausdehnt und beispielsweise Abwicklungsbereiche gemeinsam macht, dann würde man gewaltige Effizienzen heben. Das ist aber Zukunftsmusik und nicht so einfach, weil noch immer unterschiedliche IT-Systeme im Einsatz sind und es auch sehr sensible Bereiche sind. Man kann auch im Rechnungswesen noch intensiver zusammenarbeiten, das machen wir zum Beispiel mit Salzburg und teilweise mit Tirol. 

Über die Kooperationsgenossenschaft haben Sie in den vergangenen Jahren nicht viel gesprochen. Eventuell ist jetzt ein guter Zeitpunkt?
Schaller: Es ist eine gute Einrichtung. Früher haben wir uns im Leitungsausschuss berieseln lassen, das hat sich mit der Kooperationsgenossenschaft geändert. Die meisten Teilnehmer sind gut vorbereitet und es werden zu einzelnen Themen Fachleute herangezogen. Wir reden etwa über rechtliche Themen, Produkte, Marktthemen, Werbung oder Abwicklungsthemen – insbesondere immer dann, wenn es sich auf einer anderen Ebene zu spießen beginnt. Es ist wichtig, dass es dann noch eine Ebene gibt, die sagt, so und so machen wir es jetzt.

Die Idee und Umsetzung der Kooperationsgenossenschaft haben Sie nach der Fusion RZB mit RBI maßgeblich vorangetrieben. Bleibt sie nach Ihrem Abgang bestehen?
Schaller: Mir ist nichts darüber bekannt, dass man es abschaffen will. Und wir haben uns bei der letzten Sitzung auch über meine Nachfolge als Obmann der Kooperationsgenossenschaft unterhalten. Aber Internes darf ich nicht ausplaudern. 

In Ihrem Antrittsjahr 2012 war die Staatsschuldenkrise und Österreichs Wirtschaft hat mit 0,9 plus geschwächelt. Jetzt ist Österreich schon länger in der Krise. Was ist heute anders als damals?
Schaller: Die Staatsschuldenkrise und davor die Finanzkrise waren schon sehr gefährdend. Heute sind wir, was eine Finanzkrise betrifft, wesentlich sicherer aufgestellt – das gilt für den gesamten europäischen Raum. Da haben die Regeln und die Aufsicht schon etwas bewirkt. Die jetzige Krise ist anders und betrifft definitiv die Realwirtschaft. Die Voraussetzungen im europäischen Raum, dass die Realwirtschaft, insbesondere die Industrie, vernünftig wachsen kann, sind derzeit nicht gegeben. Das halte ich für gefährlich und bedenklich. 

Als Bank ist man näher an Unternehmen dran als Politiker. Was bräuchten die Unternehmen?
Schaller: Freiheit! Geld ist vorhanden. Die wirklich großen Unternehmen haben von der Finanzkrise viel gelernt und die Liquiditätsvorsorge ist eine ganz andere im positiven Sinn als damals. Das trägt natürlich zur Sicherheit des gesamten Systems bei. Auch die Banken haben derzeit das Geld und sind sicher genug, um Investitionen zu finanzieren.

Was bräuchte es also, um die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen?
Schaller: Es braucht Anreize wie Investitionsförderungen und wir müssen die Unternehmen vom Verwaltungsaufwand befreien. Wir müssen ihnen etwa die Möglichkeit geben, selbstverantwortlich Nachhaltigkeit zu betreiben. Es gibt nicht wenige Unternehmen im Industriebereich, die sagen, wenn ich expandiere, dann mache ich es unter diesen Voraussetzungen nicht in Europa. 

„Raiffeisen hat Herausforderungen immer sehr gut bewältigt. Ich mache mir keine Sorgen, dass das in der Zukunft anders ist.“

Die Zukunft wird immer unvorhersehbarer, das sagte Markus Hengstschläger schon vor Trump. Ist Raiffeisen gut aufgestellt, um künftige Herausforderungen gut zu meistern?
Schaller: Absolut. Wenn man die Anfänge von Raiffeisen bis zum heutigen Tag ansieht, Raiffeisen hat Herausforderungen immer sehr gut bewältigt. Ich mache mir keine Sorgen, dass das in der Zukunft anders ist. Die größte Herausforderung wird dabei die weitere technische und digitale Entwicklung sein. 

Technisch, IT-mäßig hat man sich ja schon weiterentwickelt. Hat man auf die richtigen Themen gesetzt oder irgendeinen Trend übersehen?
Schaller: Nicht übersehen, aber wo man mehr hätte machen können, das gilt für uns alle und nicht nur für unser Haus, ist bei der Verwendung von KI. Das hätte aber viele Ressourcen gebraucht, die aufgrund steigender regulatorischer Anforderungen nicht zur Verfügung gestanden sind. Wir haben schon einige KI-Anwendungen im Einsatz, aber für die Zukunft ist das sicherlich noch zu wenig.

Wo sehen Sie Chancen für die Raiffeisenbanken oder Raiffeisen insgesamt?
Schaller: In der Ausweitung unseres Geschäfts. Das ist möglich, weil wir eine Kraft und starke Verbreitung haben. Das ist ein riesiger Vorteil im Vergleich zu allen anderen. Es wird das Bankgeschäft ganz sicher nicht nur über die digitale Schiene gehen. Es wird immer wieder notwendig sein, Kunden zu betreuen und zu beraten. Die Raiffeisenbanken kennen die Firmenkunden außerhalb der Zentralräume wesentlich besser als andere. Da kann man ganz anders agieren und auf sie zugehen. Das haben wir bei Großunternehmen auch als Landesbank geschafft. Da muss man aufpassen, dass man diese Dynamik beibehält. 

In Ihrer Zeit ist die Bilanzsumme der RLB OÖ von knapp 40 Mrd. auf fast 50 Mrd. Euro gestiegen. Gibt es eine Wachstumsgrenze für die Landesbank OÖ?
Schaller: Ja, freilich. Darum lege ich immer so großen Wert auf die Kapitalausstattung. Wenn die nicht mehr stimmt, kann ich nicht wachsen. Wir haben jedenfalls auch 2024 wieder Neukunden dazugewonnen. 

2018 haben Sie eine Filiale in Stuttgart eröffnet und damals nicht ausgeschlossen noch weiter in den Norden zu ziehen. 
Schaller: Süddeutschland läuft wirklich gut und ich könnte mir vorstellen, dass darüber nachgedacht wird. Für uns war immer wichtig, kleine Schritte zu setzen. Das ist in Deutschland passiert und damit sind wir gut gefahren. 

„Wir müssen uns gegenseitig auf die Finger schauen.“

Viele glauben, dass mit Ihrem Nachfolger die Kooperation mit NÖ-Wien intensiver ausfallen könnte. Wie würden Sie Ihr Verhältnis zu Niederösterreich beschreiben? Gibt es ein Wetteifern oder wie genau schauen Sie auf die Entwicklungen in NÖ?
Schaller: Das Verhältnis ist gut. Wir müssen uns gegenseitig auf die Finger schauen, weil wir gemeinsam in einem Haftungsverbund sind. Es gibt keine Neidkomplexe oder sonst irgendwas. Ich bin ein absoluter Befürworter, dass jeder selber schaut, dass er weiterkommt. Aber wenn uns gute Zusammenarbeit und Kooperation im Hintergrund hilft, dann sollten wir das nutzen. Da sehe ich von beiden Seiten durchaus Bereitschaft. 

Welche To-dos sind offengeblieben? Gibt es Ziele, die Sie nicht erreichen konnten?
Schaller: Definitiv. Bei manchen großen Themen hätte ich mir eigentlich in der Zusammenarbeit schon gewünscht, dass wir ein bisserl weiter kommen, als wir derzeit sind. Wir haben aber in den letzten Jahren gute Schritte gemacht, darum bin ich zuversichtlich, dass das so weitergeht.

Sie waren ja als OeNB-Gouverneur, zuletzt als ÖFB-Präsident im Gespräch. Wieso kommt Ihr Name da immer wieder vor? 
Schaller: Das habe ich mich auch gefragt. Plötzlich habe ich Gratulationen zum ÖFB-Aufsichtsratsvorsitz bekommen. Ich habe meinen Augen und Ohren nicht getraut und hab keine Ahnung, wie das kommt. 

Worauf freuen Sie sich in der Pension? Werden Sie problemlos runterfahren können? 
Schaller: Ich hoffe es, zumindest habe ich es mir vorgenommen. Ich freue mich auf Reisen und Sport. Und dann schauen wir, was wir sonst so machen. 

AusgabeRZ16-2025

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