„Die Märkte sind angespannt“

Die Turbulenzen der Banken haben die Finanzmarkt-Erholung unterbrochen. Dennoch könnte es 2023 ein Aktien-Comeback geben.

Börsekurs als Symbolfoto für Aktienmärkte
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Auf die hohen Rückgänge der Aktien- und Anleihenmärkte im Vorjahr folgte heuer in den ersten beiden Monaten ein akzentuierter Rebound. „Man konnte auf den Aktienmärkten wieder ganz gut verdienen“, erklärte Helge Rechberger, Senior Aktienanalyst bei Raiffeisen Research beim Webinar der Kathrein Privatbank über die aktuelle Kapitalmarktentwicklung. Die Zeiten, in denen Aktien konkurrenzlos am Finanzmarkt waren und die Dividendenrenditen über der Inflation lagen, seien aber vorbei. Seit Anfang 2023 entwickelten sich die Anleihenrenditen wieder stärker nach oben. „Das Comeback des risikolosen Zinses ist in irgendeiner Weise da. Man kann wieder relativ risikolos mit deutschen oder österreichischen Staatsanleihen aktuell um die 2,5 Prozent lukrieren, wenn man nach Italien schielt, sind es schon über 4 Prozent“, so Rechberger. Damit können Portfolios wieder breiter aufgestellt werden. Das setze dem Aktienmarkt zusätzlich zu den höheren Refinanzierungskosten der Unternehmen zu.

Bezüglich der Konjunktur hielt Rechberger fest: „Wir hatten eine wirtschaftliche Erholungsdynamik aus der Corona-Pandemie heraus, die jetzt verpufft ist.“ Daher erwarte man für heuer ein Wachstum auf niedrigem Niveau. Positiv stimme, dass die Inflation derzeit in der Eurozone deutlich zurückgeht. Österreich hinke da etwas hinterher, aber auch hierzulande sollte die Teuerungsrate in den kommenden Monaten spürbar zurückgehen. Ein Grund sei, dass die Energiepreise mittlerweile niedriger seien als im Sommer 2022. Deshalb erwartet der Finanzanalyst sogar einen deflationären Beitrag von der Energieseite, während die Lebensmittelpreise weiterhin hoch bleiben dürften. 

Über der Wohlfühlmarke

Auch die Kerninflation, also die Teuerung ohne Energie- und Lebensmittelpreise, sollte weiterhin hoch bleiben oder sogar weiter steigen und sich auf einem Niveau von 4 bis 5 Prozent bewegen. „Deswegen wird die Inflation heuer und im nächsten Jahr über der Wohlfühlmarke der EZB von 2 Prozent bleiben“, ist Rechberger überzeugt. Große Rezessionssorgen habe er aufgrund der Konjunkturentwicklung derzeit nicht. Eine Einschränkung gebe es dennoch: „Außer es käme noch etwas von den Banken her“, betonte der Analyst mit Blick auf die Turbulenzen im US-Bankensystem bzw. die Rettung der Credit Suisse durch die Schweizer Großbank UBS. „Wie sich die Notenbanken jetzt verhalten, wird entscheidend für die weitere Entwicklung der Zinsen und Renditen“, mahnt Rechberger zur Vorsicht. Er erwartet, dass der Zinsgipfel spätestens heuer im Halbjahr erreicht sein werde und sowohl EZB als auch US-Fed keine Zinsschritte mehr vornehmen werden. Daher spreche aktuell viel für ein Aktien-Comeback. Historisch gesehen habe der S&P 500, nachdem die Fed ihre letzte Zinserhöhung in einem Zyklus verkündet hatte, in der Regel überdurchschnittlich stark zugelegt – bis zu 25 Prozent. Allerdings müsse man dabei beachten, dass es andere konjunkturelle Zeiten waren.

Als Treiber für den Aktienmarkt könnte weiterhin die starke Entwicklung der Unternehmensgewinne sein. Nach dem besonders kräftigen Gewinnjahr 2021 mit einem Plus von 62 Prozent – damals wurden die Lockdowns verdaut – kamen im sehr schwierigen Jahr 2022 noch einmal 22 Prozent oben drauf. „Das hätten wir uns Mitte oder Anfang 2022 nicht vorgestellt“, so Rechberger. Anscheinend war die Nachfrage nach dem Höhepunkt der Corona-Pandemie so groß, dass die Konsumenten bereit waren, alles zu zahlen. Die Schätzungen für die Unternehmensgewinne für 2023 gingen in den letzten Monaten zwar nach unten, aktuell liegen sie aber immer noch bei +2 Prozent.

Lesson learned

Die Volatilität auf den Aktienmärkten sei derzeit aufgrund der Turbulenzen im Bankenbereich sehr hoch, allerdings auch weit weg von historischen Höchstständen, erklärte Kathrein-Vorstand Harald P. Holzer. Die große Frage sei, ob es zu einer systemischen Bankenkrise in den USA komme oder ob es bei Einzelereigenissen bleibe. Die US-Notenbank habe in den kritischen zwei Wochen seiner Ansicht nach richtig gehandelt und den Kreditinstituten Liquidität bereitgestellt. Auch die Rettung der Credit Suisse, die „eine schlecht gemanagte Bank war“, sieht Holzer positiv. Alle hätten die Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers im Hinterkopf. „Heute würde man Lehman wahrscheinlich retten, das war die Lesson Learned aus 2008“, so Holzer. Die Kosten für eine Absicherung gegen Wertverluste von Bankenanleihen seien auf ein historisch überdurchschnittliches Niveau gestiegen. „Die Märkte sind angespannt“, konstatierte Holzer.