Konjunktur fasst wieder Tritt 

Österreichs Wirtschaft kehrt nach der Vollbremsung ab dem Halbjahr wieder auf einen Wachstumskurs zurück. Die Inflation bleibt dabei das Sorgenkind.

Euromünzen fallen auf einen Tisch.
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Mannigfaltige Unsicherheiten dürften das Wirtschaftsjahr 2023 bestimmen – neben den bisher üblichen Verdächtigen wie Inflation, Krieg, eine schwächelnde Konjunktur sowie einer restriktiven Geldpolitik kommen nun auch Sorgen über die Finanzmarktstabilität hinzu. Nach dem starken Wirtschaftswachstum von 5 Prozent im Vorjahr und der konjunkturellen Vollbremsung im Winterhalbjahr zeichnet sich nun ein moderater Wirtschaftsaufschwung ab der Jahresmitte ab. Dieses durchwachsene Konjunkturbild spiegelt sich auch in der Wirtschaftsstimmung wider. So zeigten die Konjunkturindikatoren zuletzt keine eindeutige Richtung. Während sich die Wirtschaftsaktivität in der Industrie zunehmend eintrübt, da es an Neuaufträgen mangelt, zeigt sich der Dienstleistungssektor bisher überraschend stark. 

Dementsprechend erwarten das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) und das Institut für Höhere Studien (IHS) für heuer in Österreich ein geringes Wirtschaftswachstum von 0,3 bzw. 0,5 Prozent und eine weiterhin hohe Inflationsrate von über 7 Prozent. Etwas optimistischer sind die Experten von Raiffeisen Research, die für heuer eine Wirtschaftsleistung von 0,9 Prozent prognostizieren. Dabei dürften die in der Zwischenzeit relativ hohen Zinsen die Konjunktur stärker bremsen als im Vorjahr. Das gilt insbesondere für zinssensitive Sektoren wie die Bauwirtschaft. „Zudem dürfte der private Konsum über weite Strecken des Jahres 2023 die konjunkturelle Schwachstelle bleiben“, erklärt Matthias Reith, Senior Ökonom bei Raiffeisen Research. Denn das für heuer erwartete Plus bei den Reallöhnen werde nicht ausreichen, um die Reallohnverluste der beiden Vorjahre auszugleichen.

Steiniger Abstieg

Porträt von Matthias Reith
Matthias Reith (c) RBI

In der anhaltend hohen Inflation sehen Wirtschaftsexperten weiterhin die größte Gefahr für die Konjunktur. Zwar wurde der Inflationsgipfel im Spätherbst hierzulande wie in der Eurozone bereits erreicht, der Abstieg dürfte in Österreich aber steiniger werden als in der Währungsunion, prognostiziert Reith. Obwohl der inflationserhöhende Effekt von Material- und Rohstoffkosten sowie Energie heuer abnimmt, sieht die Situation bei den Löhnen anders aus, die 2023/24 stärker steigen dürften als 2022. Das wird insbesondere bei den Dienstleistungen den Disinflationsprozess in die Länge ziehen. 2024 sollten die Konsumentenpreise etwa 20 Prozent höher sein als 2021. „Für einen ähnlichen Preisanstieg brauchte es in den Jahren vor der Pandemie nicht drei, sondern zehn Jahre“, so der Ökonom. Auch wenn die hohe Inflation nicht „die neue Normalität“ sei, sei aber klar, „dass es nach einer Normalisierung keine Rückkehr zum Umfeld der niedrigen Inflation der Vor-Corona-Jahre geben wird“.

Hausgemachte Knappheit

Auf dem Arbeitsmarkt hat sich die Arbeitskräfteknappheit zum dominierenden Thema entwickelt. Diese stellt etwa für die heimischen Industriebetriebe mittlerweile das größte Produktionshindernis dar – und hat damit die Materialknappheit als limitierender Faktor abgelöst. „Ein Teil dieser Knappheit ist dabei durchaus ‚hausgemacht‘. Denn durch Corona geänderte Arbeitspräferenzen haben zu einem Teilzeitboom und weniger Überstunden geführt“, analysiert der Raiffeisen-Experte. Die Folge: Es arbeiten zwar deutlich mehr Menschen auf dem österreichischen Arbeitsmarkt als vor der Pandemie (+3 Prozent), die in Österreich insgesamt geleisteten Arbeitsstunden liegen jedoch trotzdem noch unter dem Vor-Corona-Niveau (-2 Prozent). Das „fehlende“ Stundenvolumen entspricht etwa 125 Tausend Vollzeitstellen. Daran haben auch wirtschaftliche Notwendigkeiten aufgrund der hohen Inflation wie sinkende Reallöhne – zumindest bisher – nichts geändert.

Die jüngsten Entwicklungen auf dem Bankensektor – Stichwort US-Banken und Credit Suisse – und die hohen Kerninflation (Teuerung ohne Lebensmittel und Energie) werden sich nach Ansicht von Raiffeisen Research auf die Geldpolitik auswirken. Zwar sieht EZB wie der Finanzmarkt nach wie vor die Notwendigkeit, weitere Zinserhöhungen vorzunehmen. Das Ausmaß der geldpolitischen Straffung dürfte aber niedriger auf 25 Basispunkte angesetzt werden. Der Zinsanhebungszyklus sollte sich zumindest bis ins zweite Quartal, aber vielleicht auch bis ins dritte Quartal fortsetzen. Alles in allem verspricht das Wirtschaftsjahr 2023 spannend zu bleiben.