Künstliche Investments

Auch in der Geldanlage nimmt Künstliche Intelligenz eine stärkere Rolle ein. Komplett KI-gesteuerte Investmentfonds konnten bis dato allerdings nicht überzeugen.

Seit Ende 2022 und dem Start von ChatGPT ist das Bewusstsein und das Interesse für Künstliche Intelligenz (KI) stark gestiegen. Innerhalb der ersten fünf Tage, nachdem ChatGPT für die Öffentlichkeit frei zugänglich geworden war, meldeten sich eine Million Nutzer an. Der Chatbot nutzt Künstliche Intelligenz, um textbasierte Nachrichten und Antworten auf verschiedenste Aufgabenstellungen der Nutzer zu erstellen. Verblüffend gut, denn ChatGPT hat sogar die österreichische Matura auf Anhieb geschafft. Die Einsatzmöglichkeiten sind vielseitig. So lassen sich auch Anlagetipps in Sekundenschnelle einholen, wobei der Chatbot noch auf die Dienste professioneller Anlageberater verweist. Durch ChatGPT macht die Interaktion zwischen Mensch und Maschine jedenfalls einen großen Sprung nach vorne und liefert einen Vorgeschmack, wie Artificial Intelligence das Bankgeschäft verändern könnte.

Auch bei Raiffeisen beschäftigt man sich mit dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz. Die Kepler-Fonds KAG, die Fondstochter der Raiffeisenlandesbank OÖ, arbeitet seit Anfang 2022 mit der FH Hagenberg zusammen, um neueste wissenschaftliche Erkenntnisse in das Fondsmanagement zu integrieren. Im ersten Projekt geht es um das frühzeitige Erkennen von negativen Unternehmensentwicklungen. „Die analysierten Wahrscheinlichkeiten daraus geben uns wertvolle Hinweise, welche Aktien aufgrund ihrer fundamentalen Situation besser gemieden werden sollten. Mit den Ergebnissen sind wir sehr zufrieden“, erklärt David Striegl, Leiter Aktienmanagement bei Kepler-Fonds. Das KI-Modell ist im März fertig geworden und läuft in den nächsten Monaten zunächst testweise mit. „Wir müssen noch ein Gefühl dafür bekommen, aber dass wir es in unseren Investmentprozess implementieren werden, ist schon klar“, so der Fondsmanager. 

Wertvoller Hinweisgeber

Die Vorteile von Künstlicher Intelligenz liegen auf der Hand: Blitzschnell und völlig emotionslos können enorme Datenmengen verarbeitet werden. Das KI-Modell der Kepler-Fonds KAG verarbeitet für jedes Unternehmen Datensätze zu 16 verschieden Fundamentalkriterien. „Wir könnten die KI täglich für Prognosen anstoßen, aber als langfristig orientierte Investoren werden wir eher in wöchentlichen oder monatlichen Abständen screenen“, sagt Striegl. Dass KI richtig eingesetzt einen großen Mehrwert als Datenassistent und Informationsquelle liefern kann, davon ist der Fondsmanager fest überzeugt, allerdings auch davon: „Der Mensch bleibt ausschlaggebend.“ Es müsse in der Fondsindustrie noch Verständnis aufgebaut werden, was KI leisten kann und was nicht. „Wir sehen, die KI kann uns signifikant gut unterstützen, aber keine eigenständigen Entscheidungen treffen“, betont Striegl. 

Strukturelle Schwäche

Viele komplett KI-gesteuerte Fonds sind bereits wieder vom Markt verschwunden, weil die Performance nicht überzeugend war. Die Tücken in der Praxis werden mit der Dynamik der Finanzmärkte begründet. „Es besteht die Gefahr, dass man ein Modell zu sehr auf vergangene Daten programmiert. KI hat immer dann Probleme, wenn Strukturumbrüche am Markt stattfinden, also wenn die Muster der vergangenen Daten auf die Zukunft nicht übertragbar sind“, weiß Striegl. Ursprünglich wurden in das Kepler-Modell auch makroökonomische Daten, Stimmungsindikatoren und Sektordaten einbezogen, aber viele Daten in unterschiedlicher Frequenz seien ebenfalls ein Problem. „Bei KI ist es generell gefährlich, in die Zukunft zu schauen.“ 

Im Moment sei die Performance von Künstlicher Intelligenz schlechter als von Fondsmanagern oder einem Index. „Aber natürlich, wenn die KI noch mächtiger und noch mehr Daten interpretieren kann, dann wird es sicher ein spannendes Thema. Aber so weit sind wir noch nicht“, erklärt Striegl und macht sich keine Sorgen, dass sein Job in naher Zukunft von Maschinen erledigt wird. Selbst wenn KI-gesteuerte Fonds dauerhaft besser performen, kommen andere Wettbewerbsfaktoren hinzu. Denn wenn KI-Modelle gleiche Antworten und Signale geben, dann kann das natürlich oder wohl eher künstlich zu Überhitzungen bei Aktien führen. Es geht dann also um Technik-, Geschwindigkeits- und Datenvorteile. Ende März hat der Informationsdienstleister Bloomberg sein großes Sprachmodell BloombergGPT vorgestellt, das über 50 Milliarden Parameter verarbeiten soll. „Es ist noch nicht ganz klar, wie mächtig BloombergGPT ist, aber wenn BloombergGPT jedem zur Verfügung steht, wird es nicht den großen Mehrwert haben“, zeigt sich Striegl eher skeptisch. 

Fix ist jedenfalls, dass man um die Künstliche Intelligenz in Zukunft nicht herumkommen wird, dessen sind sich auch viele Anleger bewusst, das zeige sich auch in Kundenveranstaltungen. „Man muss schon vorsichtig sein, aber auch offen. Künstliche Intelligenz ist für uns Hinweisgeber, wird aber den Menschen nicht ersetzen“, betont der Assetmanager.

AusgabeRZ19-2023

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