Höllerer: „Ich sehe weder regional noch inhaltlich Grenzen“

Die Raiffeisen-Holding NÖ-Wien will gesund und nachhaltig wachsen – in bestehenden und neuen Geschäftsfeldern. Wie das gelingen soll und warum man dazu mehr Zusammenarbeit sucht, das erklärt Generaldirektor Michael Höllerer im Interview.

Die Raiffeisen-Holding Niederösterreich-Wien konnte im ersten Halbjahr das Gesamtergebnis um 20 Prozent auf fast 200 Mio. Euro steigern, obwohl sich Österreich im zweiten Jahr in einer Rezession befindet. Wie ist das gelungen?
Michael Höllerer: Über alle Segmente läuft das operative Geschäft ganz zufriedenstellend, insbesondere der Bankbetrieb der RLB NÖ-Wien. Bei den Beteiligungen gibt es manche, die besser laufen als andere, aber das ist den Preisentwicklungen zu verdanken. 
Insgesamt kann man mit dem Ergebnis in diesem wirtschaftlichen Umfeld sehr zufrieden sein und auch der Kapitalausbau ist bislang gelungen.

Sehen Sie irgendwo Handlungsbedarf?
Höllerer: Ich sehe die Holding und die RLB sehr gut aufgestellt. Aber man hat natürlich laufenden Optimierungsbedarf, das gehört zum aktiven Management heutzutage dazu. 

Wo liegen momentan die strategischen Schwerpunkte?
Höllerer: Der Aufsichtsrat und genossenschaftliche Vorstand haben im heurigen Jahr eine neue Holding-Strategie beschlossen: Wir wollen die Geschäftsfelder breiter aufstellen und gesundes, nachhaltiges Wachstum. Diese Strategie arbeiten wir jetzt ab. In der Landesbank haben wir uns ja schon im Vorjahr eine neue Strategie gegeben, wo wir ebenfalls gesund und nachhaltig wachsen wollen. 

Sieht man schon Auswirkungen der neuen Strategie?
Höllerer: Manches ändert sich natürlich nicht von heute auf morgen. Man gibt sich so eine Strategie in der Regel für drei bis fünf Jahre. Wir haben aber ein paar Aspekte und Teilbereiche, wo wir sehr gut unterwegs sind und erste Meilensteine setzen konnten. Bei der Bankstrategie geht es uns um absolute Kundenzentrierung und innovative Lösungen, das ist uns mit Bitpanda und der Raiffeisen Junior-App gut gelungen. Wir wollten auch in der Neukundenakquise in Wien aktiv sein, das gelingt uns bisher auch sehr gut. In der Holding haben wir, gerade was neue Geschäftsfelder und das Wachstum unserer bestehenden Beteiligungen betrifft, einige Projekte in der Pipeline und ein paar Themen schon abschließen können. 

Hält man an allen bestehenden Segmenten der Holding fest?
Höllerer: An unseren Segmenten – Bank, Nahrungs- und Genussmittel, Infrastruktur und Medien – halten wir weiterhin fest und wollen diese erweitern um Gesundheit. Aufgrund der gesellschaftlichen Entwicklungen wollen wir hier aktiver sein.

Wichtigste Säule ist die Bank. Die EZB setzt wieder Zinsschritte nach unten. Stellt man sich als Bank wieder auf geringere Erträge ein?
Höllerer: Es ist erstens einmal erfreulich, dass es die Zinswende nach oben gab, weil mit der Nullzinspolitik die Sparer jahrelang enteignet wurden und Geld eben sehr billig war. Ja, jetzt sinken die Zinsen wieder, aber das heißt nicht, dass unser Schwerpunkt im Banking darunter leidet. Der Bankbetrieb ist unser Herzstück und da liegt auch unser voller Fokus drauf. Wir sehen wieder ein gutes Zinsergebnis, aber dadurch auch wieder mehr Risikokosten. Es ist eine Art Rückkehr zur Normalität. 

Michael Höllerer im Interview
© Roland Rudolph

Ziel der RLB NÖ-Wien ist Wachstum. Die Bilanzsumme betrug 2022 – wie Sie Generaldirektor geworden sind – 29 Mrd. Euro, jetzt beträgt diese 34,1 Mrd. Euro. Kommt man damit wieder unter die direkte EZB-Aufsicht? 
Höllerer: Wir werden aufgrund unseres Geschäftsbetriebs dauerhaft über 30 Milliarden sein und deshalb voraussichtlich 2025 unter der Aufsicht des SSM sein. Davon gehen wir aus und bereiten uns vor.

Die RLB NÖ-Wien will auch weiter wachsen. Wie soll das gelingen?
Höllerer: Wir haben den Fokus auf den Mittelstand – sei es den unternehmerischen Mittelstand, sei es der private Mittelstand – mit all den Produkten, von der Betriebsmittel-Finanzierung bis zur Hypothekar-Finanzierung, die Absicherung von Lebensrisiken und die Vorsorge. Wien ist sicherlich der härteste Bankenmarkt in Österreich, aber wir sehen sehr wohl Potenzial, weil wir noch eine Bank sind, die beispielsweise in Filialen investiert und vor Ort ist. Das wird sehr geschätzt und da sehe ich Wachstumspotenzial, aber natürlich wächst man nicht in den Himmel. Österreich ist ja schon ein sehr saturierter Markt. 

Neben dem Bankensegment haben Sie im ersten Halbjahr von „sehr guten operativen Ergebnissen“ im Infrastruktur-Segment berichtet. Wie ist das möglich, wenn doch die Immobilienbranche momentan stagniert? 
Höllerer: Zum Infrastruktur-Segment gehört einerseits die Strabag-Beteiligung und andererseits unser Immobilien-Portfolio. Das Immobilien-Portfolio haben wir selektiv ausgeweitet und die Strabag ist in ihren Märkten sehr gut unterwegs. 

Momentan gibt es eine „Marktbereinigung“ in der Immobilienbranche. Wie wirkt sich das auf die eigenen Immobilien-Töchter und das Geschäft aus?
Höllerer: Durch die Zinswende ist es bei den Immobilienfinanzierungen natürlich zu gewissen Herausforderungen gekommen und zum Anstieg der Risikokosten. Wenn ich mir unsere NPL-Ratio anschaue, sind wir da sehr gut und konservativ aufgestellt. Aber Immobilienfinanzierungen sind ein großes Thema, das man sauber abarbeiten und Schlüsse für die Zukunft ziehen muss. Ich bin aber überzeugt, dass es mittelfristig mit den Finanzierungen und der Nachfrage wieder bergauf geht. Was bedeutet es für die Holding: Wir sind ein stabiler Investor und ich mache mir für uns keine Sorgen. 

Energie ist seit dem Ukrainekrieg ein Dauerthema. Wo gibt es für die Holding in diesem Segment Möglichkeiten? 
Höllerer: Wir wollen nicht zum Energieversorger werden, aber aufgrund der Energiewende beim Aufbau von Energiegenossenschaften und mit unserem Stromtarif Auri einen Beitrag leisten. Das Segment wird nie die Bedeutung haben wie das Bankgeschäft, aber wir haben in den letzten Jahren gesehen, das Thema Energie ist eines, das die Menschen bewegt. Gerade wir als Raiffeisen mit unserem klaren Nachhaltigkeits-Gen und der Nähe zu den Menschen können hier einen Beitrag leisten. Bei Auri sehen wir auch, dass es sehr gut angenommen wird. Wie die Strompreise gestiegen sind, war das Thema natürlich von größerem Interesse, jetzt wo die Preise eher unten sind, lässt die Nachfrage nach. Aber uns geht es gar nicht darum, dass wir aggressiv Kunden keilen, sondern wir wollen ökologisch sauberen Strom zu sehr günstigen Bedingungen anbieten – vor allem KMUs. 

Michael Höllerer im Interview
© Roland Rudolph

Eine neue Säule in der Holding ist das Thema Gesundheit. Was verbirgt sich konkret dahinter?
Höllerer: Es ist ähnlich wie beim Energiethema: Wir sehen einfach, dass das Thema gesellschaftspolitisch von immenser Bedeutung ist. Gesundheit und Pflege beschäftigen unsere Kunden und Mitglieder sehr und wir wollen Lösungen mit einem gewissen Link zum Bankgeschäft anbieten. Wir werden jetzt nicht zu einem Krankenhausbetreiber, aber mit unserem Partner Uniqa sind wir am Weg, uns stärker zu profilieren.

Wann wird man auf der Website die ersten Firmen unter diesem Segment sehen?
Höllerer: Wir werden das aktiv darstellen, wenn wir eine gewisse kritische Masse überschritten haben. Kleinere Investments werden wir nicht gleich darstellen, sondern im Sinne der mittelfristigen Abarbeitung der Strategie erst, wenn wir Kerninvestments gesetzt oder ein Portfolio aufgebaut haben. 

Die Agrana erwartet für heuer einen deutlichen Gewinnrückgang. Wie steht es insgesamt mit dem Segment Nahrungs- und Genussmittel?
Höllerer: Wenn man sich das Jahr 2023 anschaut, das in manchen Bereichen ein Rekordjahr war, geht es jetzt wegen der allgemeinen Preisentwicklung runter. Aber wir sind zufrieden und alle sind operativ gut unterwegs. Das Paradebeispiel ist aktuell sicherlich die NÖM: Man sieht, wie gutes Management, Innovationskraft und stabile Eigentümer ein Unternehmen wieder auf die Siegerstraße führen können. 

Medienwirksam waren in den vergangenen Monaten neue Medienbeteiligungen etwa bei „Der Börsianer“ und der Kauf des Agrar-Verlags. Wo sieht man hier Chancen oder ist es ein gesellschaftspolitischer Aspekt? 
Höllerer: Auch, aber wir sehen Medien schon als ökonomische Chance. Medien befinden sich in einer massiven Transformationsphase, aber es gibt Unternehmen, die in unser Portfolio passen. Wir glauben an dieses Ökosystem und wollen uns entsprechend positionieren.

Welche Kriterien müssen Unternehmen generell erfüllen, damit Sie sich beteiligen oder es erwerben?
Höllerer: Wir schauen, ob ein Unternehmen strategisch oder als strategischer Partner zu uns passt. Ist das Unternehmen mit unserer Marke kompatibel? Können wir einen Mehrwert generieren? Das Unternehmen muss wirtschaftlich, aber auch im Hinblick auf unsere genossenschaftlichen Wurzeln passen.

Was müsste passieren, dass die Holding eine Beteiligung abstößt?
Höllerer: Wenn eine Beteiligung dauerhaft unsere strategischen und ökonomischen Zielsetzungen nicht erfüllt, kann man überlegen, eine Beteiligung zu verkaufen. Aber in letzter Zeit war das nicht der Fall. Wir sind ein langfristig-orientierter Investor. 

Nicht nur Beteiligungen, auch die Kooperationen haben Sie deutlich ausgeweitet. Da wäre zum einen die Kooperation mit Bitpanda: Wie gut läuft die?  
Höllerer: Bitpanda wurde bisher sehr gut angenommen. Wir haben 10.000 Kunden, davon ist die überwiegende Zahl Neukunden, insbesondere jüngere Menschen. Es ist also aufgegangen. Wir haben durch diese Kooperation aber auch als Organisation und in manchen Herangehensweisen viel dazugelernt. Bitpanda war unsere erste prominente Kooperation. Wir haben uns zum Ziel gesteckt, dass wir mehrere Kooperationen dieser Machart in Zukunft machen wollen.

Michael Höllerer im Interview
© Roland Rudolph

Kürzlich hat man gemeinsam mit Agrana auch in FoodLab-Fonds investiert. Wie wichtig ist diese Vernetzung? Und wie wichtig ist es, Innovation im eigenen Haus zu haben?
Höllerer: Man braucht beides. Wir haben unseren internen Innovationsprozess „Innovate X“, der heuer zum zweiten Mal gemeinsam mit den niederösterreichischen Raiffeisenbanken läuft. Aber auch bei Innovationsfeldern gilt oft, man muss nicht alles selber erfinden. Und gleichzeitig wollen Start-ups gerne mit einer Bank wie uns zusammenarbeiten. Jeder kann seine Stärken einbringen, darauf setzen wir. 

Mehr Kooperation gibt es auch innerhalb von Raiffeisen. Seit Jahresmitte besteht eine enge Kooperation mit der RLB Burgenland. Wie gut funktioniert diese? Und sehen Sie noch Ausbaumöglichkeiten? 
Höllerer: Das Kooperationsprojekt mit den Burgenländern läuft nicht mehr, weil es kein Projekt mehr ist, sondern wir in der Umsetzung sind. Das Projekt ist hervorragend gelaufen. Die Kollegen beider Landesbanken haben völlig unvoreingenommen zusammengearbeitet. Dabei geht es uns darum, dort wo es Sinn macht, Synergien zu heben, zusammenzuarbeiten, Prozesse zu vereinheitlichen, zu harmonisieren. Das ist uns bisher sehr gut gelungen. 

Was kann man sich in Summe sparen?
Höllerer: Das kann ich noch nicht sagen, weil wir das heurige Jahr als Übergangsjahr haben. Aber in den nächsten Jahren soll das schon zu signifikanten Verbesserungen führen. 

Können Sie sich eine Kooperation ähnlicher Art auch mit anderen Landesbanken vorstellen?
Höllerer: Für die Raiffeisenbankengruppe gilt: Je mehr Zusammenarbeit, desto besser. Ich sehe da weder regional noch inhaltlich irgendwelche Grenzen. Wir haben in den letzten zwei Jahren in einigen Themenbereichen schon einiges weitergebracht. Ich denke, wir haben bundesweit eine sehr gute Atmosphäre der Kooperation gefunden. 

Sie sind viel beschäftigt und sind jetzt auch noch Spartensprecher in der WKÖ. Wie aktiv werden Sie diese Rolle anlegen?
Höllerer: Ich fürchte, sehr aktiv, wenn man sich das regulatorische Umfeld anschaut. Gerade bei Immobilienfinanzierungen, wo wir die KIM-Verordnung und seit kurzem auch einen systemischen Puffer haben, stehen herausfordernde Zeiten bevor. Wir müssen schon schauen, dass wir in der Regulierung eine gewisse Verhältnismäßigkeit haben und man stärker die volkswirtschaftlichen Auswirkungen vor Augen führt. Das sehe ich als meine Hauptaufgabe.

AusgabeRZ42-2024

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