Der Blick über den Tellerrand

Vertical Farming, Insekten statt Fleisch und Essen aus dem Drucker – das Technische Museum Wien beleuchtet die Rolle von technischen Innovationen für nachhaltiges Essen.

Insekten werden in einer Pfanne zubereitet
(c) Technisches Museum Wien

Rund 2.300 m2 Anbaufläche beansprucht ein Mensch (so er sich zu den Allesessern zählt), um seinen Nahrungsmittelbedarf pro Jahr zu decken. Doch während die einen im Überfluss leben – rund ein Drittel der weltweit produzierten Nahrungsmittel landen jährlich im Müll – leiden über 800 Millionen Menschen an Hunger. Diesen weltweit zu beenden sowie „Ernährungssicherheit und eine bessere Ernährung – durch nachhaltiges Essen – zu erreichen und eine nachhaltige Landwirtschaft zu fördern“, zählt zu den Zielen der 2015 von der UN definierten 17 Sustainable Development Goals (SDGs) für eine nachhaltige Entwicklung. Um diese Ambitionen umzusetzen, braucht es jedoch nicht nur neue Formen der Landwirtschaft und Transportketten, sondern auch ein Umdenken bei den Konsumenten. 

Mit der aktuellen Sonderausstellung „Foodprints“ möchte das Technische Museum zeigen, wie weitreichend und eng das Thema Ernährung mit den nachhaltigen Entwicklungszielen verknüpft ist. Die Palette der angesprochenen Themen reicht von der Frage, welche Lebensmittel für uns gesund sind und wie wir diese über fairere Arbeitsbedingungen erzeugen können, bis hin zu den Herausforderungen, die die Klimakrise für die Menschheit bereithält. Die Lösungsansätze erweisen sich dabei als vielfältig und erstrecken sich auf so gut wie alle 17 in der Agenda 2030 formulierten SDGs – von „Sofortmaßnahmen ergreifen, um den Klimawandel und seine Auswirkungen zu bekämpfen“, bis zur „Gleichstellung der Geschlechter“. 

Nachhaltiges Essen als Alternative 

Allein in den vergangenen 100 Jahren ist die Sahara um 10 Prozent gewachsen und fruchtbare Böden gingen verloren. Durch Aufforstung und Bodenaufwertung soll dem entgegengewirkt werden. Gleichzeitig gilt es, verstärkt Wissen um Lebensmittel und Rezepte aus Trockengebieten zu sammeln. Vor allem auch in Europa würde sich die Umstellung der Ernährungsgewohnheiten nicht nur als klimafreundlicher, sondern als gesünder erweisen. Algen und Insekten als Alternative zu Rindfleisch könnten demnach auch hierzulande immer öfters auf dem Teller landen. 

Während sich beispielsweise das mitten in Niederösterreich gelegene Unternehmen „Spirulix“ seit 2017 der Aufzucht und dem Verkauf hochwertiger Spirulina-Algen widmet, setzt die in Wien beheimatete Firma „Zirp“ auf die Entwicklung nahrhafter und wohlschmeckender Produkte aus Insekten. Vom „Burger Patty mit Buffalowürmern“ bis zum Mehlwurmfalafel ist man bemüht, schmackhafte Produkte zu kreieren und dabei die Ressourcen zu schonen. Denn Insekten benötigen nicht nur deutlich weniger an Wasser, Platz oder Futtermittel, um dieselbe Menge Protein herzustellen, wie etwa Rindfleisch, sie sind zudem reich an Eisen, Vitamin B12 und Ballaststoffen. 

Wer zudem einen Blick in die Vergangenheit wirft, sieht, dass auch in Europa das Essen von Insekten einst Tradition hatte – wie beispielsweise ein Rezept aus dem Jahr 1844 in dem in Leipzig erschienenen „Magazin für Staatsarzneikunde“ für Maikäfersuppe unterstreicht. Achten sollte man jedoch stets darauf, dass alle Hygienebedingungen erfüllt werden. Zu wissen woher sein Essen kommt und was drinnen ist, stellt auch hier einen wesentlichen Faktor für eine gesunde Ernährung da. 

Eigenanbau und Vertical Farming 

Pilze, die sich aus dem zum Substrat umgearbeiteten Kaffeesatz heimischer Kaffeehäuser nähren, bietet beispielsweise seit 2015 das Wiener Unternehmen „Hut & Stiel“. Das Pilzmyzel durchwächst den Kaffeesatz vollständig und bereits nach fünf Wochen bilden sich Fruchtkörper und die ersten Pilze können geerntet werden. Mit dem „Pilz aus dem Kübel“ können auch zuhause auf dem „eigenen“ Kaffeesatz Austernpilze gezüchtet werden. 

Sein Essen verstärkt selbst zuhause anbauen, könnte zukünftig einen weiteren Faktor auf dem Weg zu einer gesünderen und umweltfreundlicheren Ernährung darstellen. Indoor-Grow-Systeme wie beispielsweise der „Bosch Smart Grow“ erlauben im stylischen Design selbst das ganze Jahr über Pflanzen und Kräuter anzubauen. 

Eine Möglichkeit, Lebensmittel direkt auch in Ballungszentren umweltschonend und in großen Mengen zu produzieren, bietet beispielsweise die Methode des „Vertical Farming“. Bis Mitte dieses Jahrhunderts werden nahezu zwei Drittel der Menschheit in Städten leben. 

„Durch das Ausnutzen des Raumes in der Vertikalen anstatt der Grundfläche wird nur ein Bruchteil der Bodenfläche für die Lebensmittelproduktion benötigt, der bei konventioneller Landwirtschaft beansprucht wird. Die Gebäudehülle, neue Bewässerungssysteme und Beleuchtungsmethoden ermöglichen Lebensmittelproduktion unabhängig von der Witterung – das gesamte Jahr über“, heißt es auf der Website des österreichischen „Vertical Farm Institute“. 

Keine Zukunftsmusik

Dass man sich zuhause selbst auch sein Steak herstellen kann, mag nach wie vor wie ein Kapitel aus einem Science-Fiction-Roman klingen, doch tatsächlich läuft die Forschung an 3D-Druckern, die es einem erlauben fantasievolle Essenskreationen zu realisieren, bereits auf Hochtouren. 

Die ersten 3D-Drucker wie der in Spanien entwickelte „Foodini“ sind bereits in einige Haushalte eingezogen. Die Handhabung verspricht einfach zu sein. Die zusammengemischten Zutaten werden in Kapseln gefüllt und danach mittels App das gewünschte Rezept ausgewählt. 

Firmen wie die israelischen „SuperMeat“ oder „Redefine Meat“ oder das amerikanische Unternehmen „Beyond Meat“ forschen zudem erfolgreich daran Kunstfleisch aus pflanzlichen Eiweißquellen im 3D-Drucker herzustellen. Wer keinesfalls auf den Genuss von echtem Fleisch verzichten will, könnte zukünftig zum – aus künstlich im Labor vermehrten Stammzellen – gedruckten Steak greifen. 

Zugelassen ist das Kunstfleisch aus dem Drucker in den meisten europäischen Ländern derweil allerdings noch nicht. Laut einer Bitkom-Umfrage könnten sich jedoch immer mehr Menschen (etwa zuletzt 17 Prozent) vorstellen, Fleisch aus dem Drucker zu essen. Ein Vorteil verspricht die Anpassung des Essens an individuelle Bedürfnisse. Das japanische Lokal „Sushi Singularity“ bietet nach seiner Eröffnung auf der Basis der zuvor eingeholten Biodaten des Kunden speziell ein für diesen entwickeltes Sushi an, das vor seinen Augen im Lokal mit Hilfe eines 3D-Druckers entsteht. Bis zum nachhaltigen Essen aus dem Replikator wie in der Science-Fiction-Serie „Star Trek“ scheint es allerdings nach wie vor ein weiter Weg.