Richtiges Managen der Zukunft

Risikomanagement und ESG-Transformation sind aktuell die großen Themen – auch bei der Eigenveranlagung von Banken. Die Raiffeisen KAG informierte beim Nostrotag, wie Banken ihre Geldreserven gut anlegen.

Gruppen bild der Teilnehmer des Nostrotages
(c) Raiffeisen KAG

Die Zeiten werden unsicherer und unberechenbarer. Das ist nicht nur ein Gefühl, sondern spiegelt sich auch in aktuellen Daten, Fakten und Analysen wider. Auf eine gefährliche Mischung aus Sicherheits- und Umweltrisiken weisen etwa die Experten des Stockholmer Friedensforschungsinstituts (SIPRI) hin. Auf dieses „neue Zeitalter der Risiken“ müssen sich Entscheidungsträger besser vorbereiten. Viele Lösungen können dabei in Zusammenarbeit entstehen. Genau unter diesen Vorzeichen fand der Nostrotag 2022 der Raiffeisen KAG statt, zu dem rund 60 Raiffeisenbank-Kollegen aus ganz Österreich ins Burgenland gekommen sind. Bei der Eigenveranlagung von Banken sind in herausfordernden Zeiten „Flexibilität und ein fundiertes Risikomanagement notwendig“, erklärt Christiane Flehberger, Leiterin des Institutionellen Geschäfts der Raiffeisen KAG. 

Seit 2016 unterstützt die Raiffeisen KAG verstärkt die Landesbanken und Raiffeisenbanken beim Veranlagen ihrer eigenen Liquidität. „Das Hauptgeschäft einer Raiffeisenbank ist das Kundengeschäft. Das Nostrogeschäft gehört nicht zum Kerngeschäft“, betont Rainer Schnabl, Geschäftsführer der Raiffeisen KAG. Dieses Sektorservice der Fondsgesellschaft wird auch von immer mehr Raiffeisenbanken angenommen. Mittlerweile greifen 190 Raiffeisenbanken auf Lösungen der Raiffeisen KAG zu; 150 Raiffeisenbanken verfolgen einen monatlichen Vermögensaufbauplan. „Richtige Entscheidungen zu treffen, ist nur möglich, wenn man Fachleute an der Hand hat und vertrauensvoll zusammenarbeitet. Vertrauen ist in Krisenzeiten noch viel mehr wert“, unterstreicht Rudolf Könighofer, Generaldirektor der Raiffeisenlandesbank Burgenland.

Die Herausforderungen im Nostrogeschäft kennt Schnabl genau: „Das Nostro ist ein regulatorisch-getriebenes Thema und natürlich auch dadurch getrieben, dass man etwas verdienen will.“ Jedes Bundesland verfolge dabei eigene Regeln und auch die immer größer werdenden Primärbanken entwickeln ein stärkeres Selbstverständnis, wie man das Nostro verantworten will. Schnabl erkennt einen Trend zu Spezialfonds nach eigenen Kriterien, wobei Nachhaltigkeit eine immer größere Rolle spielt. Stark nachgefragt sind bei den Raiffeisenbanken auch Laufzeitenfonds aufgrund ihrer planbaren Ausschüttungen. 

Neben maßgeschneiderten Produktlösungen richtet die Raiffeisen KAG auch ein Augenmerk auf die Digitalisierung. Per Knopfdruck sollen Banken zukünftig ihr Nostro-Portfolio einsehen, die Performance und gewisse Kennzahlen auswerten können. Dieses Informationsservice wird in schnelllebigen Zeiten immer wichtiger. 

Rainer Schnabl, Raiffeisen KAG-CEO, beim Nostrotag
Rainer Schnabl (c) Raiffeisen KAG

Mit Unerwartbarem rechnen

Wie eng das Risikomanagement mit der Digitalisierung verknüpft ist, weiß Hannes Mösenbacher, Risikovorstand der Raiffeisen Bank International, zu berichten: „Nur wenn ich wirklich zeitnah und sinnvoll messen kann, kann man die richtigen Schlussfolgerungen ziehen.“ Als Mösenbacher 2008 in der RBI begonnen hat, habe man einmal im Monat einen Liquiditätsreport erstellt und dafür drei bis vier Tage gebraucht. Heute sind die Liquiditätsreports der gesamten RBI-Gruppe tägliche Basis, genauso wie die Risikogewichte. Er schilderte, wie künstliche Intelligenz und Advanced Analytics im Risikomanagement eingesetzt werden und sich die Infrastruktur flexibel weiterentwickelt. Am grundlegenden Modell des Risikomanagements ändere das aber wenig: „Die 3-M-Regel hat nach wie vor Gültigkeit: M wie messen, monitoren und managen.“ Im Risikomanagement gehe es grundsätzlich darum, die Abweichung vom Erwartungswert zu managen. Den Konflikt zwischen Russland und der Ukraine habe man intensiv durchgerechnet und rechtzeitig mit höheren Absicherungen reagiert. Dass es tatsächlich zu einem Angriffskrieg in der Ukraine kommt, daran habe der RBI-Vorstand nicht geglaubt, aber „wir haben uns auf so eine Situation vorbereitet“. Das sieht Mösenbacher auch mit den realisierten Kreditausfällen von nur 35 Mio. Euro im ersten Quartal bestätigt. Trotz Widerstandsfähigkeit und Resilienz der RBI sei die Anspannung weiterhin da, wenn drei von dreizehn RBI-Märkte vom Krieg betroffen sind, so der Risikovorstand.

Integration von ESG-Risiken

„Nachhaltigkeit ist auch Risikomanagement“, kehrt Dieter Aigner, Geschäftsführer der Raiffeisen KAG, noch einen wichtigen Aspekt hervor. Die Raiffeisen KAG verfolgt deshalb ESG-Themen nicht nur in den Investmentprozessen, sondern auf allen Ebenen. „Wir verstehen Integration von Nachhaltigkeit als ganzheitliches Konzept“, betont Aigner. Es ist ein zyklischer Prozess zwischen vermeiden, unterstützen und Einfluss nehmen. Mit einem Gesamtfondsvolumen von rund 50 Mrd. Euro habe man als Fondsgesellschaft durchaus eine Stimme am Markt. „Aktives Management ist ganz wichtig. Dazu muss man wissen, worum es geht. Wir müssen zu den großen Themen, die uns bewegen, von Mobilität, Energie, Ernährung, Kreislaufwirtschaft und so weiter, eine Meinung entwickeln“, fordert Aigner. Die Aufarbeitung von Themen in Arbeitsgruppen und die Erstellung von Policies soll forciert werden. Vor einigen Wochen wurde etwa eine Arbeitsgruppe zum Thema Sicherheitsarchitektur gestartet, die bis zum Sommer eine fundierte Meinung bilden soll. Dabei wird erörtert, wie die Raiffeisen KAG zu Waffenlieferungen an die Ukraine steht oder zur Erweiterung der NATO. „Die Wertehaltung zu Entscheidungen rückt immer mehr in den Vordergrund“, erkennt Aigner. 

Der Trend zu nachhaltigen Geldanlagen geht jedenfalls weiter. Bei der Raiffeisen KAG ist das nachhaltige Fondsvolumen im Vorjahr um 90 Prozent auf 19,5 Mrd. Euro gestiegen und macht mittlerweile rund 41 Prozent der gesamten Assets aus. Publikumsfonds zum Thema erneuerbare Energien wie der Raiffeisen-Smart-Energy-ESG-Aktien seien so etwas wie direkte Profiteure des Konflikts mit Russland, analysiert Valentin Hofstätter, Leiter der regionalen Bankenbetreuung Österreich in der Raiffeisen KAG. In seiner Kapitalmarktanalyse sieht Hofstätter aktuell vor allem Zinsängste eingepreist, aber noch keine Öl- und Gaspreisschocks. Für Anleger gebe es derzeit zwei Strategien, so Hofstätter: „Wer an die Konjunktur glaubt, der sollte Aktien kaufen. Wer an eine Rezession glaubt, Anleihen.“ Wobei Konjunkturvorlauf­indikatoren aktuell keine Rezession indizieren.

Begabung für Lösungen

Wie man sich am besten für die Zukunft rüstet, damit beschäftigt sich Humangenetiker Markus Hengstschläger schon lange. Für ihn ist klar: „Die Welt war noch nie so gläsern wie heute. Wir haben heute so viele Daten wie noch nie, aber gleichzeitig ist die Zukunft weniger vorhersehbar. Denn die Zukunft ist noch nie so schnell in die Gegenwart gekommen wie jetzt.“ Generell hat auch die vorhersehbare Zukunft zugenommen, aber da kann man keinen Vorteil erzielen, weil auch alle anderen darauf vorbereitet sind. Punkten könne eine Organisation nur bei Unvorhersehbarem und dabei gehe es um die Kraft des Individuums, Diversität und Flexibilität. „Wenn der Mensch in Bewegung ist, findet er Dinge, die er gar nicht gesucht hat.“ Gerichtetes Wissen allein reicht für eine Lösungsbegabung nicht, sondern es brauche auch ungerichtete Kompetenzen wie soziale Intelligenz, Fleiß oder Kreativität.