Sie sind seit Kurzem Geschäftsführerin der Zentralen Raiffeisenwerbung. Was reizt Sie an dieser Position?
Petra Walter: Ich wurde im Juni eingeladen, am Hearing für diese Position teilzunehmen. Für einen Marketeer wie mich ist das natürlich ein ganz besonders tolles Angebot. Die Marke Raiffeisen zu verantworten und die Zentrale Raiffeisenwerbung zu führen, ist eine schöne Herausforderung. Das Hearing hat vor allen Generaldirektoren stattgefunden und ich freue mich riesig, dass sich der Vorstand der Kooperationsgenossenschaft für mich entschieden hat. Eine Woche nach dem Hearing habe ich in der RBI die Funktion des Sektormarketing von Leodegar Pruschak übernommen. (Tipp: Im Abschiedsinterview lässt Leodegar Pruschak seine 39 Jahre bei Raiffeisen Revue passieren.)
Sie waren davor Marketingchefin in der RLB NÖ-Wien und haben dort den neuen Auftritt der „Stadtbank“ mitgestaltet. Wie viel können Sie als Marketingchefin einer Landesbank mitnehmen? Oder braucht es in der Gesamtbetrachtung neue Zugänge?
Walter: Es ist schon von Vorteil, zu wissen, wie es auf Landesebene zugeht. Generell habe ich festgestellt, dass der unmittelbare Austausch mit dem Vertrieb, mit den Raiffeisenbanken, mit den Beratern sehr wichtig ist. Dieser Austausch ist auf Landesbankebene noch stärker als auf Bundesebene. Ich hoffe, mich hier stärker einbringen zu können und den Zugang zum Markt nicht zu verlieren. Zu wissen, mit welchen Aktivitäten wir den Vertrieb besonders gut unterstützen, so ein Feedback ist natürlich wertvoll, deshalb will ich unbedingt mehr Impulse vom Markt auf die Bundesebene bringen.
War dieser stärkere Fokus auf Vertriebsunterstützung Teil Ihres Konzepts, mit dem Sie das Hearing für sich entschieden haben?
Walter: Mir ist wichtig, ein modernes Marketing mit integrierter Kommunikation aufzustellen. Die ZRW war jahrelang mit klassischen Werbekampagnen erfolgreich, aber unser Markt und der Vertrieb haben sich deutlich verändert. Die Wahrnehmung einer Marke findet nicht mehr nur mit einem TV-Spot oder einem Plakat statt. Heute geht es darum, was lese ich auf der Website, wie einfach kann ich die App bedienen, schickt mir die Bank E-Mails und was steht da drinnen. Diese integrierte Kommunikation, dieses Zusammenspiel aller Kommunikationskanäle, ist Teil meines Konzepts. Da müssen wir stärker werden. Es ist noch ein Stück Arbeit vor uns, aber der Markt wird dieses Konzept spüren.
In der Landesbank war eines Ihrer Projekte die Digitale Regionalbank. Ist das auch in Ihrer neuen Funktion ein großes Thema?
Walter: Die Digitalisierungsstrategie war eines meiner ersten Projekte in der Landesbank und der Anfang für das Verständnis, dass Raiffeisen eben viel mehr ist als eine Bank mit Beratern drinnen. Die zigtausend Mitarbeiter sind wichtig, aber eine Bank muss auch dorthin, wo ihre Kunden sind und das ist immer mehr auch am Laptop und am Handy, über das mittlerweile 70 Prozent der Zugriffe auf unser Online-Banking stattfinden. Die Kunden sind im Schnitt zwei- bis dreimal die Woche auf unseren Kanälen, sprich bei ihrer Bank. Ich bin mir sicher, das Thema Digitale Regionalbank wird uns daher auch in Zukunft weiterhin sehr beschäftigen.
Viele empfinden das Onlineangebot der Konkurrenz moderner.
Walter: Wir sind Marktführer, haben vier Millionen Kunden. Wir haben mit Elba das Online-Banking, das die meisten Österreicher nutzen. Wir haben die meisten Finanzierungen. Wir sind überall die Nummer eins. Wir müssen das nur wieder selbstbewusster erzählen. Mein Anspruch ist es, dass nicht nur wir wissen, dass wir Marktführer sind, sondern das auch draußen wieder mehr wahrgenommen wird, auch in jüngeren Zielgruppen. Wir müssen die Bank sein, die jeder im Kopf hat, wenn es darum geht, sich für eine Bankbeziehung zu entscheiden. Derzeit ist es noch so, aber der Vorsprung zum stärksten Mitbewerber ist nicht mehr allzu komfortabel. Marktführer zu bleiben ist eine Nummer schwieriger, als Marktführer zu werden. Aber ich bin mir sicher, das wird gelingen.
„Marktführer zu bleiben ist eine Nummer schwieriger, als Marktführer zu werden.“
Petra Walter
Wie geht man dabei vor? Gibt es schon einen Plan?
Walter: Ja, es gibt schon erste Pläne. Ich starte aus einer komfortablen Situation, denn wir haben einen sehr breit angelegten Prozess hinter uns, in dem wir unseren Markenkern, unseren genetischen Code neu angeschaut und mit Experten überarbeitet haben. Das Motto „Wir macht’s möglich“ ist unser Leistungsversprechen. Der neue Werbeauftritt ist seit Ende August draußen und wir haben alles, um in die Zukunft zu gehen. Wir werden uns von der Testimonial-Werbung im TV verabschieden. Wir werden andere Kanäle dazunehmen und das Digitale stärker nach vorne stellen. Wir haben alles, um jetzt behutsam einen Schritt nach dem anderen zu gehen. Mit großem Respekt vor den Dingen, die funktionieren, aber trotzdem mutig, um unsere Marke, unsere Werte wieder in den Vordergrund zu stellen und wieder mehr Selbstbewusstsein an den Tag zu legen.
Wie schnell werden diese Pläne Wirkung zeigen?
Walter: In einem Jahr werden wir sehen, ob es uns gelungen ist. Wir schauen jetzt natürlich sehr genau, wie das, was wir tun, greift, wo es funktioniert und wo noch nicht. Die ersten Ergebnisse der Marktforschung zeigen, es geht in die richtige Richtung: Wir kommen bei den Jüngeren wieder gut an. Keine Zukunft ohne Jugend. Wenn man auch in Zukunft Marktführer sein will, geht es nicht ohne Jugend. Wir müssen als Bank insgesamt noch jünger werden und das Thema nicht nur dem Raiffeisen Club überlassen.
„Wir macht’s möglich“ steht für Gemeinschaftssinn und die genossenschaftliche Grundidee. Ist diese Stoßrichtung ein Ergebnis der Markenkern-Analyse?
Walter: Das Genossenschaftliche, Sharing Economy, Coworking – dieses kooperative Wirtschaften ist extrem zeitgemäß, nachhaltig und zukunftsorientiert. Der genossenschaftliche Aspekt unterscheidet uns auch von anderen Banken und ist die Gegenposition zu egoistischer Denke. Dieser Zusammenhalt, diese Solidarität, dass wir Dinge nur gemeinsam weiterbringen, das gewinnt mehr und mehr an Bedeutung, das sehen wir auch in unserer Marktforschung. Jetzt geht es darum, dieses Motto mit Geschichten, Inhalten und Relevanz aufzuladen, zu beleben und spürbar zu machen.
Warum hat es diese Neuausrichtung gebraucht?
Walter: Ein Markenkern muss sich immer wieder verändern. Eine Marke ist ja immer dazu aufgefordert, zeitgemäß und aktuell zu sein. Unsere DNA steht seit 1886 fest. Wenn man unsere Kernwerte ganz genau anschaut, was sich seit 1886 verändert hat, dann ist es nicht zu viel. Aber: Die Art und Weise, wie man diese Dinge interpretiert, verändert sich. Ich nehme da gerne das Beispiel Nähe: Nähe war Friedrich Wilhelm Raiffeisen wichtig: In einer Genossenschaft sollten nur Menschen sein, die man kennt. In unserem ehemaligen Markenmodell aus dem Jahr 1998 steht, Nähe heißt, dass wir in jeder Gemeinde mit mehr als 1500 Einwohnern eine Bankstelle eröffnen. Heute geht es immer noch um Nähe zum Kunden, aber die definiert sich, indem man 24 Stunden für Kunden erreichbar ist. Also dieser Nähe-Wert bleibt der gleiche, aber die Art und Weise, was Nähe heißt, ist halt etwas anderes. Beim Thema „Zukunft gestalten“ hat Friedrich Wilhelm Raiffeisen auch nicht an Online Banking gedacht. Wir haben diese Werte also reflektiert, überprüft ob sie noch das richtige Gefüge sind, um darauf unsere Kommunikation aufzubauen. Und ja, wir haben noch das richtige Gefüge.
Wie läuft die Zusammenarbeit mit dem RBI Group Marketing – unter Leodegar Pruschak war das gesamte Marketing ja vereint?
Walter: Ja, früher war alles vereint, aber ich glaube die Anforderungen haben sich in den letzten fünf bis zehn Jahren geändert. Die Trennung in Sektor-Marketing und RBI Group Marketing halte ich für wichtig und richtig. Es ist gut, dass wir die Herausforderungen zu zweit lösen – ich für den österreichischen Sektor und Christoph Kullnig für die RBI sowie die Gruppe. (Tipp: In seinem Antrittsinterview spricht Christoph Kullnig über die Marketingstrategie der RBI.). Wir sind sehr gut abgestimmt und ich denke, dass wir beide ähnliche Herausforderungen haben. Was uns beide jedenfalls vereint ist die Aufgabe, die erfolgreiche Marke Raiffeisen auch in Zukunft erfolgreich zu gestalten. Und ich denke, Wir macht’s möglich.