Vollbremsung bei Wohnimmobilien

Die Finanzierungsleistung der Raiffeisen Bausparkasse hat sich im ersten Halbjahr 2023 aufgrund der „toxischen“ Rahmenbedingungen fast halbiert.

Zwei Einfamilienhäuser im Rohbau als Symbolbild für Wohnbau, Raiffeisen Bausparkasse
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Hohe Immobilienpreise, eine rasant gestiegene Inflation und infolgedessen auch stark angehobene Zinsen – allein dieser „toxische Cocktail“ hätte ausgereicht, um die boomende Marktentwicklung spürbar einzubremsen, ist Christian Vallant, Geschäftsführer der Raiffeisen Bausparkasse, überzeugt. Die aufsichtsrechtliche Verschärfung der Kreditvergabe durch die sogenannte KIM-Verordnung habe den Markt zur Vollbremsung gezwungen. „Der Immobilienfinanzierungsmarkt hat sich derart geändert wie nie zuvor“, betont Vallant. Das spiegelt auch die Finanzierungsleistung seines Hauses wider: Im ersten Halbjahr habe dieses rund 550. Mio. Euro betragen, allerdings sei ein Gutteil davon noch aus dem Vorjahr gekommen. „Wenn man sich das Urkundenneugeschäft anschaut, dann reden wir von nicht einmal 300 Mio. Euro per Ende August. Das ist eine echte Vollbremsung“, so Vallant. Zum Vergleich: Im boomenden Ausnahmejahr 2022 hatte die Finanzierungsleistung noch 973 Mio. Euro betragen, im Gesamtjahr waren es an die 2 Mrd. Euro. 

Wie enorm der Rückgang der Nachfrage ist, kann man auch an der Verwendung der Finanzierungen ablesen: Lediglich 9 Prozent wurden für Neubauprojekte aufgenommen, im Gesamtjahr 2022 waren es noch 20 Prozent. Knapp 40 Prozent der vergebenen Darlehen nahmen die Kunden der Bausparkasse für Sanierungs- und Renovierungsarbeiten. Zum Vergleich: Im gesamten Vorjahr hatte dieser Anteil 25 Prozent betragen, davor war er sogar im einstelligen Bereich. Am Markt herrsche aktuell eine Patt-Situation: Die Verkäufer seien derzeit nicht bereit, die Verkaufspreise zu reduzieren, und viele Interessenten warten auf bessere Zeiten, fasst Vallant zusammen. Aus Sicht der Bausparkasse sei es positiv, dass die Obergrenze für Darlehen pro Bausparvertrag von 240.000 auf 260.000 Euro hinaufgesetzt wurde. Paare können sich damit ihren Wohntraum bis zu 520.000 Euro via Bauspardarlehen finanzieren. Das spiegelt zum Teil auch die gestiegenen Immobilienpreise der letzten drei Jahre wider, so Vallant. 

Bausparen beliebt wie nie zuvor

Während die Finanzierungsseite quasi zum Stillstand gekommen ist, erlebt der Trend zum Ansparen aktuell wieder ein Comeback. „Der Bausparvertrag ist beliebt wie nie zuvor. Im ersten Halbjahr wurden 120.000 neue Bausparverträge abgeschlossen, bis Ende August waren es fast 170.000. Das sieht nach einem sehr guten Jahr aus“, kommentierte Vallant die Entwicklung, die auch dem Schritt zur Normalität geschuldet sei. Nach Jahren der Negativzinsen, in denen Sparer keine Verzinsung erhielten, sei nun der Wert von Eigenkapital bzw. von Spareinlagen wieder gestiegen. Gerade der Bausparvertrag sei ein wertvolles Instrument, um sich auch künftig Eigentum leisten zu können.

Und dass die Aussichten dafür herausfordernd bleiben, zeigte Matthias Reith, Immobilienexperte bei Raiffeisen Research, in seinen Ausführungen. Der zinsseitige Gegenwind bläst derzeit dem Immobilienmarkt eiskalt ins Gesicht. Das Thema „Leistbarkeit“ werde die neue Nachfrage nach Eigentum noch längere Zeit empfindlich dämpfen. Für 2023/24 erwartet er in Summe einen Rückgang der nominellen Immobilienpreise in Österreich um rund 10 Prozent, berücksichtigt man dabei noch die Inflation, dürfte sich der reale Wertverlust um die 20 Prozent betragen. Dem steht ein Anstieg der Immobilienpreise von 2020 bis 2022 um rund 30 Prozent gegenüber. Damit dürften die Immobilienpreise auch künftig über den Vor-Corona-Niveaus bleiben. „Auf den steilen Steigflug sollte kein Sturzflug folgen“, so Reith. 

Allerdings sind Immobilien nicht gleich Immobilien. „Wir erleben seit Anfang 2022 eine Zweiteilung des Marktes“, so Reith. Während sich neue Wohnungen seit Mitte 2022 weiter verteuert haben, verbilligten sich gebrauchte Wohnungen deutlich. Dass sich beim Blick auf die Immobilienpreise insgesamt bisher nur eine sehr moderate Korrektur zeigt, ist somit auch der sehr speziellen Preisentwicklung von Neubauwohnungen geschuldet. Reith sieht darin einen potenziell anhaltenden Trend.

Für die weitere Entwicklung des Immobilienmarktes spiele vor allem die Zins- und Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) eine zentrale Rolle, die wesentlich die Finanzierungsbedingungen mitgestaltet. Reith erwartet keine weiteren Zinserhöhungen der EZB mehr im September und sieht den Zinsgipfel bereits erreicht. Ein eventueller Zinsschritt um 25 Basispunkte jetzt im September hätte eine nur untergeordnete Rolle für den Markt. Viel wichtiger sei die offensichtliche Weichenstellung der EZB, nach dem Erreichen des Zinsgipfels für längere Zeit dort verharren zu wollen. „Wir werden keinen schnellen Zinssenkungszyklus sehen“, ist Reith überzeugt. Er erwartet erste moderate Zinssenkungen frühestens in der zweiten Hälfte 2024.