„Wir wollen Hemmnisse abbauen“

Frauen sind an den Kapitalmärkten noch immer unterrepräsentiert. Sabine Macha, Leiterin des Produktmanagements, und Fondsmanagerin Lydia Reich erklären, wie die Raiffeisen KAG das mit verschiedenen Initiativen ändern will.

Frauen sind an den Kapitalmärkten noch immer eine Minderheit. Warum?
Sabine Macha: Das hat verschiedene Gründe: Es ist traditionell noch immer so, dass sich meist die Männer in den Familien um die Finanzen kümmern. Wenn es um Veranlagung geht, sind Frauen zudem eher risikoavers und der Kapitalmarkt ist natürlich mit einer Risikokomponente verbunden. Ich glaube auch, dass Frauen den Aufwand, sich damit zu beschäftigen, überschätzen, denn so eine Raketenwissenschaft ist die Veranlagung am Kapitalmarkt nicht. Aber es bestehen gewisse Hemmschwellen.
Lydia Reich: Frauen planen sehr viel, aber gerade diesem Bereich widmen sie – vielleicht auch aus Zeitgründen – wenig oder keine Aufmerksamkeit. Es gibt genug Umfragen, die zeigen, dass es leichte Verbesserungen gibt, aber es besteht noch immer viel Nachholbedarf.

„Frauen sind stärker von Altersarmut betroffen“

Sabine Macha

Warum ist es ein Problem, dass sich Frauen so wenig mit dem Kapitalmarkt beschäftigen?
Macha: Es ist absehbar, dass sich eine Lücke in der Pensionsfinanzierung ergeben wird und davon sind Frauen besonders stark betroffen. Durch eine hohe Teilzeitarbeitsquote und Erwerbslücken durch Kinder oder die Pflege von Angehörigen sind Frauen generell stärker von Altersarmut betroffen. Es ist daher besonders notwendig, dass Frauen schon früh mit der Altersvorsorge beginnen.

Die Raiffeisen KAG ist einer der Hauptsponsoren der Fondsfrauen in Österreich, einem Netzwerk von über 100 Frauen aus der Finanzbranche. Welche Motive stehen aus Unternehmenssicht hinter diesem Sponsorship?
Macha: Es ist ein Zeichen sowohl nach innen -als attraktiver Arbeitgeber -als auch nach außen. Die Raiffeisen KAG hat erkannt, dass es wichtig ist, Frauen stärker in das Veranlagungsthema hineinzubringen und die Fondsfrauen setzen hier einige Initiativen.

Sie sitzen auch im Beirat der Fondsfrauen. Was hat dieses Netzwerk bereits gebracht?
Macha: Die Gründung der Regionalgruppe war eigentlich eine Raiffeisen-Initiative. Dafür wurden wir 2020 auch mit der Auszeichnung „Company of the year“ bedacht. Das ist eine große Ehre und ein guter Referenzpunkt für weitere Initiativen. Wir stehen jetzt in der Auslage und müssen deshalb etwas weiterbringen. Das funktioniert mit verschiedensten Initiativen sehr gut, sowohl beim Thema Finanzbildung, aber auch intern gab es das Programm „Führung braucht Frauen“, wo es unter anderem darum geht, dass bei jeder Stellenbeschreibung mitgedacht wird, auch für Frauen attraktiv zu sein. Es ist prinzipiell wichtig, dass es kein von oben verordnetes Programm ist, sondern dass es zu allen durchdringt und jeder in seinem Bereich schaut, einen positiven Impact zu leisten. Wir werden heuer im ersten Halbjahr einen Frauenpower-Tag machen, der sich speziell an junge Frauen richtet. Wir sehen, dass die Banken als Arbeitgeber bei jungen Frauen als schwierig wahrgenommen werden. Wir müssen schauen, dass wir die jungen Frauen mobilisieren und ein attraktiver Arbeitgeber sind.

Merkt man bei den Bewerbungen schon etwas?
Macha: Wir haben aktuell eine Position ausgeschrieben, wo wir in der Vergangenheit Schwierigkeiten hatten, dass sich auch Frauen dafür bewerben, das war jetzt schon besser. Aber das ist natürlich nichts, was von heute auf morgen passiert. Man muss Anstrengungen hineinstecken und darf sich nicht zurücklehnen und sagen, wenn sich niemand bewirbt, kann ich auch niemanden einstellen. Das wäre zu einfach gedacht.

Die Fondsfrauen wollen die Präsenz von Frauen an den Kapitalmärkten stärken -als Fondsmanagerinnen einerseits, aber auch als Anlegerinnen für die eigene, private Vorsorge. Wie ist die Ausgangslage in Österreich?
Macha: Man kann nicht genau sagen, wie hoch die Veranlagung von Frauen ist, weil viele Depots auch gemeinsam geführt werden und man nicht weiß, wer die Entscheidungen trifft.
Reich: Ich merke bei den Workshops für Frauen, dass die Durchdringung nicht groß ist, aber das Interesse schon. Viele haben kein Depot, wollen aber gerne eines eröffnen. Die regulatorischen Anforderungen durch die unterschiedlichen Fragebögen bei einer Depoteröffnung bringen manche Frau aber ins Schwitzen. Es ist auch Ziel des Workshops, dass man solche Hürden aktiv anspricht und die Hemmnisse abbaut.

„Durch diese Workshops ermutigen wir Frauen.“

Lydia Reich

An wen richten sich die Workshops „Fit for Finance“ der Fondsfrauen und wer nimmt sie an?
Reich: Schon bei den ersten Treffen der Fondsfrauen hat sich herauskristallisiert, dass es uns eine Herzensangelegenheit ist, unser Finanzwissen auch zu Frauen in anderen Sektoren und Branchen zu bringen. Wir haben die Problematik erkannt, dass eben Frauen immer noch zu wenig für ihre Finanzen tun. Dieses „Fitnessprogramm“ ist ein Einsteigerkurs, der Finanzwissen kurz und knapp vermittelt. An drei Abenden mit zirka zwei Stunden werden die Themen Depoteröffnung, was passiert am Kapitalmarkt und welche Veranlagungsinstrumente gibt es überhaupt behandelt. Durch diese Workshops ermutigen wir Frauen, das Finanzthema nicht auf die lange Bank zu schieben, sondern den ersten Einstieg in die Veranlagung zu machen. Und es gab bereits Depoteröffnungen aufgrund dieses Workshops.

Frau Macha, Sie leiten das Produktmanagement in der Raiffeisen KAG. Viele Banken bieten eigene Veranlagungsprodukte für Frauen an. Ist das sinnvoll?
Macha: Wir beobachten das natürlich und sind aktuell in recht intensiver Diskussion, was der wirkungsmächtigste Zugang ist. Geht es mehr darum, dass wir Frauen spezifisch ansprechen müssen – also ist es mehr ein Kommunikationsthema? Oder ist es tatsächlich ein Thema des Produktangebotes? Da haben wir gewisse Zweifel. Ich könnte mir schon vorstellen, dass wir da einmal etwas machen, aber grundsätzlich ist die Notwendigkeit bei Männern und Frauen nicht ganz unterschiedlich. Alle Grundsätze wie langfristige und breite Veranlagungen gelten für Männer und Frauen gleichermaßen. Man muss ein bisschen aufpassen, dass man nicht in diese Pink-Marketing-Ecke kommt, die behagt uns nicht so. Wenn, dann muss das auch auf der Investmentseite ein belastbarer Case sein und nicht nur ein Marketingmascherl.

„Alle Grundsätze gelten für Männer und Frauen gleichermaßen“

Sabine Macha

Ist es noch so, dass Frauen stärker zu Nachhaltigkeitsthemen tendieren?
Macha: Das Nachhaltigkeitsthema ist sicher ein guter Einstieg, um die Scheu vor dem Kapitalmarkt zu nehmen. Man kann über ein positiv besetztes Thema sprechen, dass Frauen und jungen Leuten ein großes Anliegen ist. Das trifft sich ganz gut mit unserer strategischen Ausrichtung und dem Wunsch, diese Kundengruppen stärker auf den Kapitalmarkt zu bringen.

Wie könnte man die Schere zwischen Männern und Frauen am Kapitalmarkt erst gar nicht entstehen lassen?
Macha: Wir müssen dort sein, wo die jungen Leute sind. Wenn ich daran denke, wie das die Bitcoin-Trading-Plattformen machen, wo es plötzlich ein riesiges Interesse an diesem Thema gibt, dann liegt es vielleicht auch daran, dass wir als behäbig wahrgenommen werden. Wir müssen an der Wahrnehmung etwas ändern. Es kann nicht sein, dass Leute kein Wertpapierdepot haben, aber mächtig in Bitcoin veranlagt sind.
Reich: Das Thema Financial Literacy wird sicher auch im Schulbereich noch nicht konkret angesprochen. Es gibt zwar schon einige Initiativen, aber noch viel Potenzial.

Welche Aktivitäten planen die Fondsfrauen für heuer?
Macha: Wir hoffen, dass es mit Corona bald besser wird und wir das Netzwerk stärker aktivieren können. Die Fondsfrauen Österreich wollen dann die einzelnen Mitgliederinnen noch stärker in die Auslage stellen – so eine Art Role-Model-Konzept. Die Kolleginnen in Deutschland machen auch viel zum Thema Young Professionals. Also wie kommen wir an die Universitäten, um die Frauen in die Branche hineinzubringen? Und es gibt eine Initiative Karriere nach der Karriere. Es gibt sehr viele Themen, die wir auf unserer Liste haben.

„A man is not a financial plan“

Lydia Reich

Was ist die wichtigste Botschaft an Frauen, die sich noch nicht an die Kapitalmärkte herangetraut haben?
Macha: Das Wichtigste ist, dass man sich traut. Es ist – wie eingangs gesagt – keine Raketenwissenschaft und tut nicht weh. Und dass man versucht, ein realistisches Bild zu entwickeln: Es ist ein langfristiges Thema, wo ein regelmäßiges Ansparen ein sinnvoller Zugang ist. Dann kann man auch Risiko nehmen. Denn ohne Risiko gibt es keinen Ertrag am Kapitalmarkt.
Reich: A man is not a financial plan. Frauen sollten das Thema Finanzplanung von Beginn an selbst gestalten.

AusgabeRZ09-2022

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