Gute Felder für Profit

Die RBI zeigt nachhaltige Potenziale für Banken und die Landwirtschaft auf.

Raiffeisen ist in der Landwirtschaft tief verwurzelt. Die erste Genossenschaft und die erste Darlehenskasse nach dem Modell von Friedrich Wilhelm Raiffeisen wurde zur Unterstützung unbemittelter Landwirte gegründet. Daran erinnerte Peter Lennkh, Vorstandsmitglied der Raiffeisen Bank International (RBI), am Beginn der breit angelegten Veranstaltung zum Thema Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft. Diskutiert wurde in dem Zusammenhang auch die Rolle der Banken, die Möglichkeiten von nachhaltiger Landwirtschaft in Zentral- und Osteuropa und wie Innovationen bei Agrartechnik eine nachhaltige Zukunft fördern können. Ziel der Veranstaltung war es, das Bewusstsein zu schärfen, dass es ein großes Potenzial und einen unerschlossenen Markt für ESG in der Agrarwirtschaft gibt, und das Publikum mit Anwendungsfällen zu inspirieren. 

„ESG ist wie Digitalisierung, ein breites Thema mit unterschiedlichen Zugängen“, erklärt Leonhard Gollegger, Geschäftsführer der GoodMills Group. Bei Europas größtem Mehlproduzenten geht es um nachhaltige Produktion, Konsumentenwünsche und regulatorische Vorgaben. In der Mehlproduktion sei man bereits sehr nachhaltig, eine wichtige Stellschraube ist bei GoodMills Group aber der Transport. 232.000 LKWs werden jährlich beladen. Als Lösung angedacht werden teurere Wasserstoff-LKWs und „Giga-Liner“, Trucks, die statt 25 Tonnen mit 60 Tonnen Mehl beladen werden können – dazu fehlen aber die Zulassungen. Generell ist sich Gollegger sicher: „Der wirtschaftliche Nutzen wird das ESG-Thema weiter vorantreiben.“ 

Davon ist auch Petr Polach, Leiter der Unternehmensfinanzierung in der RBI, überzeugt: „Als verantwortungsvolle Banker helfen wir der Gesellschaft und unseren Kunden bei der nachhaltigen Transformation.“ Während andere Banken lediglich das regulatorische Minimum erfüllten, werde in der RBI Nachhaltigkeit als Geschäftsmöglichkeit gesehen. „Wir wollen Profit machen, der nachhaltig ist.“ Dass Banken die Agrarwirtschaft unterstützen können, nachhaltiger zu werden, etwa durch günstigere Kreditkonditionen, steht für alle Diskussionsteilnehmer außer Zweifel. Es sei auch ein Muss hier als Bank anzusetzen, erklärt Christine Würfel, verantwortlich für den Bereich „Responsible Banking“ in der RBI, denn „die Landwirtschaft ist eine Hochrisikozone“. Eine Impact-Analyse der RBI habe die negativen Effekte etwa bei Bodenverbrauch oder CO2-Ausstoß aufgezeigt. Diese Kennzahlen zu verbessern sei allerdings schwierig, denn „wir machen Bankgeschäfte und sind keine Landwirtschaftsexperten“, so Würfel. 

Innovation in der Produktion

Die finden sich jedenfalls in der RWA Raiffeisen Ware Austria. Vorstandsmitglied Christoph Metzker berichtet über viele Innovationen im Bereich Düngemitteleinsatz, Pflanzenschutz, Agrartechnik oder Saatgutproduktion, die die Landwirtschaft nachhaltiger machen, ohne dabei die Produktion einzuschränken, denn mittlerweile geht es um die Versorgung von acht Milliarden Menschen. Auch die RBI beschäftigt sich über ihre Corporate Venture Capital-Einheit, Elevator Ventures, mit Innovationen in der Landwirtschaft. Geschäftsführer Maximilian Schausberger sieht in ESG und Agrarkultur die besten Felder für Venture Capital. Ein Fintech, an dem Elevator Ventures bereits beteiligt ist, ist „Tarfin“. Über die App können Bauern in der Türkei ihre Düngemittel, Futtermittel, Pestizide und Saatgut finden, beziehen und wenn gewünscht erst nach der Ernte bezahlen – durch die Verbindung der App mit dem Konto möglich. 

„Viele denken, dass Technologie nur für große Bauern wichtig ist, aber es sind gerade die kleinen, die davon mehr profitieren“, weiß Elisabeth Köstinger, CEO von Mountain View Data und frühere Agrarministerin. Gerade in Serbien, wo die durchschnittliche Agrarfläche nur fünf Hektar groß ist, ein wichtiges Thema, wie Petar Jovanovic, CEO der RBI-Tochterbank in Serbien, berichtet. Darüber hinaus sind für den EU-Beitrittskandidaten Landflucht und Bildung Themen, die gelöst werden müssten, um die Produktion ESG-konform erhöhen zu können. Im EU-Mitgliedsstaat Rumänien finanziert die RBI viele Agrarbetriebe mit über 1.000 Hektar, für die es laut Cristian Sporis, Vorstandsmitglied der Tochterbank in Rumänien, leichter sei, ESG-Ziele darzustellen. Das werde auch immer wichtiger, da EU-Fördergelder immer stärker von Nachhaltigkeitskriterien abhängig sind. 

Die Schwierigkeiten europäischer Richtlinien nennt EU-Parlamentarier Alexander Bernhuber: „Es muss eine Balance gefunden werden. Es braucht Fortschritt, aber gleichzeitig darf niemand den Anschluss verlieren.“ Josef Plank, Leiter der Abteilung Wirtschafts-, Agrar- und Europafragen im Österreichischen Raiffeisenverband, fordert: „Europäische Standards müssen immer auch Platz für regionale Unterschiede haben, denn Landwirtschaft passiert nun mal regional.“

AusgabeRZ46-2022

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