„Wir brauchen viel mehr Kooperationen“

Reinhard Schwendtbauer ist seit 1. Mai neuer Generaldirektor der Raiffeisenlandesbank OÖ. Wie er als Manager tickt, welche Pläne er verfolgt und warum Zusammenarbeit ein Gebot der Stunde ist, erklärt er im Interview.

Im Dezember wurden Sie einstimmig zum Nachfolger von Heinrich Schaller bestellt. Wie hat sich die Übergabe gestaltet?
Reinhard Schwendtbauer: Die Übergangsphase war sehr ruhig und professionell. Heinrich Schaller ist ein großer Fußballfan und deshalb möchte ich ihm sagen: Das war Champions League.

Sie kennen das Haus und die Abläufe ja auch schon seit 13 Jahren.
Schwendtbauer: Das hat den ganzen Prozess natürlich massiv erleichtert.

Ihr erster Job war in der RLB OÖ. Haben Sie damals schon ins Auge gefasst, Generaldirektor zu werden?
Schwendtbauer: Nein. Ich war Assistent von Ludwig Scharinger, bin dann nach Wien ins Kabinett von Wilhelm Molterer, wollte aber gleich wieder in die Wirtschaft zurück und bin schließlich nach zehn Jahren der Selbstständigkeit im M&A-Beratungsgeschäft wieder in die RLB zurückgekehrt.

Ihrem Vorgänger ist das Bankgeschäft buchstäblich in die Wiege gelegt worden. Wie war das bei Ihnen?
Schwendtbauer: Komplett anders: Ich bin in sehr einfachen, aber guten Familienverhältnissen aufgewachsen. Ich habe es meiner Volksschullehrerin und einer Freundin der Familie zu verdanken, dass mich meine Eltern aufs Gymnasium gelassen haben. Schon in der Volksschule habe ich gemerkt, Leistung lohnt sich – das ist für mich bis heute ein wichtiger Grundsatz. Ich wollte Steuerberater werden, hab in Linz fertig studiert und gegen Ende meines Studiums auf der Uni Diskussionsrunden organisiert. Ich war damals als Studentenvertreter am Podium und Ludwig Scharinger als Wirtschaftsvertreter. Nach der Diskussion hat er mich in die RLB geholt.

Mit welchem Gefühl übernehmen Sie nun die Funktion des Generaldirektors?
Schwendtbauer: Auf der Bühne würde man sagen, mit einem gewissen Lampenfieber. Ich habe großen Respekt und Demut vor der Aufgabe. Es überwiegt aber trotzdem die Freude, weil wir jetzt nach vielen Vorarbeiten im Vorstandsteam, das mit Gerald Aichhorn verstärkt wurde, endlich loslegen können.

Was haben Sie denn vorgearbeitet?
Schwendtbauer: Die Ziele sind klar: Wir sind eine starke Kommerzbank, eine Beteiligungsbank, eine Verbundbank und haben starke Geschäftsfelder im Retailbereich und Private Banking. Das wollen wir weiterentwickeln und dazu haben wir schon Strategieprojekte vorbereitet.

Reinhard Schwendtbauer im Interview
© RLB OÖ/Wakolbinger

Aufsichtsratsvorsitzender Volkmar Angermeier hat hohe Erwartungen an Sie gerichtet: „Er wird die strategische Ausrichtung und laufende Weiterentwicklung des Konzerns in den nächsten Jahren maßgeblich prägen.“ Wie groß ist der Druck als neuer GD frischen Wind hineinzubringen?
Schwendtbauer: Die Erwartungshaltung ist schon sehr groß. Wir haben in der Vorbereitung bereits eine neue Geschäftsverteilung ab 1. Mai beschlossen. Allein dadurch, dass damit mehr als 1.000 der insgesamt 3.700 Mitarbeiter in der RLB die Vorstandszugehörigkeit wechseln, wird es starke Impulse geben. Wir haben von den sechs Vorständen jetzt vier als Marktvorstände definiert – für Kommerz, Retail &Private Banking, Beteiligungen und den Verbund. Wir haben sehr viel neu aufgeteilt, das hat praktische Gründe und Kompetenzgründe, aber auch, um damit in der Bank einen Ruck hineinzubekommen. Wenn man 13 Jahre dabei ist, kennt man die Stärken, aber auch die Schwächen des Hauses, da kann man ansetzen.

Sie haben früher einen Teilbereich gemanagt, jetzt tragen Sie die Gesamtverantwortung. Wie schwierig ist der Perspektivenwechsel?
Schwendtbauer: Es hilft extrem, dass ich bisher schon die CFO-Funktion für den Gesamtkonzern gehabt habe. Als Finanzvorstand muss man die Gesamtsicht haben und durch unser SAP-Projekt kenne ich die Abläufe gut. Es hat also keine Überraschungen gegeben.

Die Aufsichtsrat-Entscheidung wurde auch mit einem „tiefgreifenden Verständnis für das Geschäftsmodell der RLB OÖ“ begründet. Ist die RLB OÖ sehr komplex?
Schwendtbauer: Komplex ist der falsche Ausdruck, aber das Geschäftsmodell der Raiffeisenbankengruppe OÖ ist groß und breit. Wir sind ein starkes Dreieck mit starken Raiffeisenbanken, einer starken RLB als Top-5-Bank in Österreich und einem sehr starken Beteiligungsportfolio mit mehr als 350 Beteiligungen. In diesem Zusammenschluss sind wir der Wirtschaftsmotor, Stabilitätsanker und Impulsgeber für unsere Region, da ist es schon wichtig, die gesamten Zusammenhänge zu kennen. Wir haben eine wirtschaftspolitische, eine regionalpolitische und eine sozialpolitische Aufgabe. Die einzige Aufgabe, die wir sicher nicht haben, ist eine parteipolitische Aufgabe, das ist mir extrem wichtig.

Sie haben 13 Jahre den Beteiligungsbereich verantwortet. Wie zufrieden sind Sie mit der Entwicklung?
Schwendtbauer: Wir haben jetzt ein knapp 50-köpfiges Team, das die strategischen Beteiligungen, das gesamte Geschäft des Private Equity -also der Invest AG als größte Private-Equity-Gesellschaft Österreichs -und das Beteiligungscontrolling managt. Es ist eines der besten Teams in Mitteleuropa, vorsichtig formuliert. Inhaltlich bin ich sehr stolz, dass wir eines unserer Markenzeichen, die Standortsicherungs-Beteiligungen, weiter ausgebaut haben -zuletzt mit Rosenbauer. Im Private-Equity-Bereich haben wir hunderte Transaktionen zur Stärkung von mittelständischen Unternehmen in Österreich gemacht -bei Unternehmensnachfolgen oder Akquisitionen. Diese zwei großen Äste haben wir sehr gut aufgestellt.

Kommen die Unternehmen auf die RLB OÖ zu oder umgekehrt?
Schwendtbauer: Wir gehen nie auf Einkaufstour. Wenn es eine Situation gibt und man eine österreichische Lösung haben möchte, dann kommen die Eigentümer der Unternehmen direkt zu uns. Da sind wir auch in Zukunft gesprächsbereit.

„Wir werden noch viel Stärker wachsen.“

Will man im Beteiligungssegment weiter wachsen?
Schwendtbauer: Ja, ganz klar. Nicht nur bei den strategischen Beteiligungen, sondern auch den Private-Equity-Fonds haben wir jetzt auf über 500 Millionen erhöht. Es freut mich, dass hier alle oberösterreichischen Raiffeisenbanken, die Landesbank Steiermark und der Raiffeisenverband Salzburg investiert sind. Ich gehe davon aus, dass wir in den nächsten Jahren noch viel stärker wachsen werden. Wenn Interesse besteht, führen wir auch gerne mit anderen Landesbanken Gespräche.

Vor welchen großen Herausforderungen steht die RLB OÖ in den kommenden Jahren?
Schwendtbauer: Die größte Herausforderung wird sein, nicht zu überlegen, wie wir uns in drei bis fünf Jahren sehen. Sondern wie können wir in Erfahrung bringen, was unsere Kunden in drei bis fünf Jahren wollen. An ihren Bedürfnissen müssen wir unsere Produkte ausrichten. Auf der anderen Seite müssen wir an der Kostenschraube drehen, das geht wahrscheinlich nur in einer Gesamtsektorsicht -bundesweit.

Wie wollen Sie die Kundenbedürfnisse erheben oder feststellen?
Schwendtbauer: Wir haben in Vorarbeit ein breites Strategieprojekt aufgesetzt, bei dem wir jetzt sofort loslegen wollen. Wir haben die Auswahl eines internationalen Beraters getroffen, mit dem wir eine neue Strategie der RLB festlegen und die strategischen Kundenbedürfnisse herausarbeiten werden. Das Strategieprojekt soll bis Spätherbst dieses Jahres stehen. Das ist sehr ambitioniert, aber aus meiner Erfahrung sollten Strategieprojekte nicht zu lange dauern. Zusätzlich werden dann noch weitere Projekte anschließen -ein Strategieprojekt Richtung Raiffeisenbanken und ein Re-Organisationsprojekt in der RLB.

Es hat bereits Strategieprojekte Richtung Raiffeisenbanken mit „RBG OÖ 2020“ und „2025“ geben. Kommt jetzt also 2030? Gibt es noch Bereiche, wo man optimieren kann?
Schwendtbauer: In den vergangenen Wochen habe ich mit sehr vielen Geschäftsleitern in Oberösterreich Gespräche geführt. Ich habe noch nicht alle 66 Raiffeisenbanken durch, aber allein aus den bereits geführten Gesprächen rechtfertigt sich ein weiteres Projekt nach 2020 und 2025. Wir brauchen im oberösterreichischen Sektor viel mehr Kooperationen. Das Verständnis der Geschäftsleiter für noch mehr Kooperation und gemeinsame Abwicklung im Hintergrund ist massiv gewachsen. Um die Selbstständigkeit der Raiffeisenbanken erhalten zu können, müssen wir gewisse Tätigkeiten gemeinsam abwickeln, damit die Raiffeisenbank mehr Luft für den Markt hat.

Es gibt ja schon einzelne Raiffeisenbanken, die ihre Kreditabwicklung an die Raiffeisenlandesbank abgegeben haben.
Schwendtbauer: Es sind Pionierschritte gesetzt worden, aber das gehört noch weiter ausgebaut.

Reinhard Schwendtbauer im Interview
© RLB OÖ/Wakolbinger

„Es gehören immer zwei oder viele dazu.“

Viele erwarten sich auch auf Bundesebene, vor allem Richtung Niederösterreich, eine engere Zusammenarbeit. Ist das auch Ihre Ambition?
Schwendtbauer: Absolut. Wenn wir die Struktur unseres Sektors in Österreich erhalten wollen, dann geht das nur, wenn wir in Zukunft auf allen Ebenen viel mehr kooperieren. Wir haben extrem viel Potenzial und ich orte bei allen Bundesländerkollegen eine große Bereitschaft dazu. Für diese Diskussionen wird die Kooperationsgenossenschaft in Zukunft eine noch viel wichtigere strategische Rolle spielen. Mein Grundzugang ist: Wir brauchen innerhalb des Bundeslandes eine umfassende Kooperation, zwischen den Bundesländern eine intensive Kooperation und mit der RBI eine selektive Kooperation. Eine zusätzliche Kooperation mit Niederösterreich, aber auch mit allen anderen Bundesländern ist ein Gebot der Stunde. Wir sind bereit, aber es gehören immer zwei oder viele dazu.

Am Beginn der Kooperationsgenossenschaft hat man groß gedacht. Letztlich sind Kooperationen zwischen einzelnen Landesbanken entstanden. Glauben Sie noch an einen großen Wurf?
Schwendtbauer: Ich finde, es geht hier nicht um den einen großen Wurf, sondern dass wir uns step by step in die richtige Richtung entwickeln.

Wo sehen Sie denn Kooperationsmöglichkeiten?
Schwendtbauer: Beim Dauerbrenner IT kommen wir hoffentlich weiter und in allen Abwicklungsthemen. Man muss sich die gesamte Wertschöpfungskette anschauen. Wir können auf einige gute Sachen aufbauen, wie Compliance und Geldwäsche, wo wir schon sehr gut zusammenarbeiten. Solche Beispiele brauchen wir noch viel mehr.

Bei der IT hat es doch eine Harmonisierung gegeben.
Schwendtbauer: Ja, aber da ist man nicht jeden Schritt ganz konsequent zu Ende gegangen. Es ist allen bewusst, dass wir uns aufgrund der Kosten in Zukunft zu einer echten Harmonisierung hinbewegen müssen.

Sie haben bei Ludwig Scharinger begonnen und mit Heinrich Schaller lange zusammengearbeitet. Wo ordnen Sie Ihren Führungsstil ein?
Schwendtbauer: Jeder muss seine eigene Rolle finden. Ich bin sehr leistungsorientiert, lösungsorientiert und besonders entscheidungsorientiert. Ein Stück Humor muss aber auch immer dabei sein. Wichtig ist mir zudem eine Offenheit und Transparenz gegenüber den Mitarbeitern. Ich will motivieren und eine Begeisterung für das Unternehmen entfachen. Ziel sollte sein, dass wir alle stolz darauf sind, zur Raiffeisenfamilie zu gehören.

Heinrich Schaller war medial sehr präsent. Wie aktiv werden Sie nach außen kommunizieren?
Schwendtbauer: Mein Großvater hat immer gesagt: „Wenn du was Gescheites zum Reden hast, dann sprich.“ Ich hoffe, das ist oft der Fall.

AusgabeRZ19-25

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