RWA: „Wir sind massiv gefordert“

RWA-Generaldirektor Reinhard Wolf blickt aufgrund starker Kostensteigerungen in allen Bereichen auf ein herausforderndes Jahr 2023 zurück. Der Ausblick auf das laufende Jahr ist vorsichtig optimistisch.

RWA-Generaldirektor Reinhard Wolf im Porträt
RWA-Generaldirektor Reinhard Wolf © RWA

Die Rahmenbedingungen in der Landwirtschaft gestalten sich derzeit alles andere als einfach. Vom Klimawandel und geopolitischen Verschiebungen, die das Marktgeschehen direkt beeinflussen, bis hin zu Regulierungen und Digitalisierung gibt es viele Facetten, die Einfluss auf landwirtschaftlich geprägte Lebensbereiche und -gebiete haben, in denen die Raiffeisen Ware Austria (RWA) und die Lagerhaus-Genossenschaften tätig sind. „Wir sind massiv gefordert und mit Kostensteigerungen in praktisch allen Bereichen konfrontiert“, fasst RWA-Generaldirektor Reinhard Wolf die herausfordernde aktuelle Situation zusammen. 

Der RWA-Konzern erwirtschaftete im Geschäftsjahr 2023 trotz der volatilen Einflussfaktoren in den unterschiedlichen Geschäftsbereichen einen Konzernumsatz von 3,56 Mrd. Euro. Der Rückgang im Vergleich zu 2022 mit einem Umsatz von 4,03 Mrd. Euro ist laut Wolf „rein preisbedingt“, die Mengen seien gestiegen. Der Gewinn von 23,93 Mio. Euro vor Steuern sei angesichts der stark rückläufigen Rohstoffpreise zufriedenstellend, aber mit dem außergewöhnlichen Erfolg des Vorjahres nicht vergleichbar. „Wir liegen mit diesem Ergebnis etwas unter dem langjährigen Schnitt“, unterstreicht Wolf.

Ausblick vorsichtig optimistisch

Der Ausblick auf das laufende Geschäftsjahr 2024 gestaltet sich vorsichtig optimistisch: „Die Märkte sind gut versorgt, wir erwarten daher keine großen Preissprünge. Die weitere Entwicklung hängt aber von möglichen Trigger-Events ab“, spricht Wolf die anhaltende Verunsicherung der Märkte durch die Krisenherde Ukraine und Gaza sowie mögliche Lieferketten-Unterbrechungen an. Auch die Inflation – und damit die Kaufzurückhaltung der Bevölkerung – sei nach wie vor zu hoch. „Geld kostet wieder Geld“, bringt es Wolf auf den Punkt und führt vor allem die gestiegenen Lohn- und Finanzierungskosten als belastenden Faktor ins Treffen. Mehrere Zinserhöhungsschritte der EZB innerhalb kurzer Zeit haben langfristige Investitionsplanungen deutlich erschwert. 

Mit Investitionen von rund 40 Mio. Euro 2023 und einem ähnlichen Betrag 2024 steuert die RWA den veränderten Rahmenbedingungen gegen. So entsteht im Garant-Mischfutterwerk in Pöchlarn derzeit eine energiesparende Großtrocknungsanlage für Nassmais, die im Herbst 2024 eröffnet wird. In Korneuburg wird ein Ersatzteillager erweitert und im serbischen Rumenka wurde 2023 der Bau eines neuen Saatgutwerks begonnen, das im Sommer 2024 in Betrieb gehen wird. Als Ergänzung zum bestehenden Portfolio wurde in Kroatien ein Futtermittelunternehmen übernommen. 

Green Deal belastet

„Ein starker Einflussfaktor im landwirtschaftlichen Umfeld ist der europäische Green Deal“, unterstreicht Wolf. Die von der EU gesetzten Ziele hätten zur Folge, dass in Europa weniger produziert wird. Um die Versorgung zu gewährleisten, sind deutlich mehr agrarische Importe aus Ländern notwendig, die geringere Auflagen und Qualitätsstandards haben. 

Durch das Verbot von bewährten Beizmitteln und den Mangel an neuen Wirkstoffen in der EU leidet aber zunehmend die Ertragssicherheit. „Die fehlende Beize beim Kürbis 2023 und deren Folgen ist nur eines von vielen Beispielen. In den Jahren 2021 bis 2023 stehen 15 nicht mehr zugelassene Wirkstoffe gerade einmal vier Neuzulassungen gegenüber“, so Wolf. Ein weiteres Beispiel sei die Kartoffel. Nach dem Verbot von Goldor Bait als Beizmittel gegen den Drahtwurm haben sich die Verluste in den letzten Jahren laufend erhöht. 2023 war jedoch mit Abstand das schlechteste Kartoffeljahr mit 30 bis 45 Prozent Ernteausfall. Die Folge: Die Kartoffel-Anbaufläche in Österreich ist seit 2020 wegen des erhöhten Produktionsrisikos um 15 Prozent gesunken, damit hat sich auch der Eigenversorgungsgrad stark reduziert.

RWA-Bereich Agrar stabil

Die RWA ist in den fünf Geschäftsfeldern Agrar, Technik, Baustoffe, Bau- und Gartenmarkt, Energie, Dienstleistungen & Services tätig, in denen sich die schwierigen Marktbedingungen auf ganz unterschiedliche Weise zeigen. Der Bereich Agrar verzeichnete 2023 ein insgesamt stabiles Geschäftsjahr. Die Erlöse für landwirtschaftliche Erzeugnisse sind wieder gesunken, parallel dazu aber auch die Preise für Dünger und andere Betriebsmittel. Die Investitionen in die Wachstumsfelder Saatgut und Futtermittel haben sich bewährt. 

Über eine gute Nachfrage nach Neumaschinen konnten sich das Lagerhaus TechnikCenter (LTC) und die Genossenschaften auch 2023 freuen. Die LTC-Exklusiv-Marke John Deere ist Marktführer bei Traktoren mit mehr als 150 PS, auf dem Gesamt-Traktorenmarkt liegt sie auf Rang 2. 

Im Energiesektor dominiert der stark forcierte Ausbau der erneuerbaren Energie. Vor allem im ersten Halbjahr kam es zu einer enormen Nachfrage nach Pellets. Die RWA als Marktführer baut diesen Bereich weiter aus. Das Tochterunternehmen Solar Solutions ist mittlerweile einer der größten Projektentwickler für Photovoltaikanlagen in Österreich. 2023 wurden rund 300.000 m2 Sonnenmodule für externe Kunden montiert. 

Nach zwei außergewöhnlich guten Jahren konnte der Bereich Haus & Garten im vergangenen Jahr einen leichten Zuwachs erwirtschaften. Besonders beliebt ist das große Angebot an Pflanzen und Gartenpflegeprodukten. Der Bereich Baustoffe hingegen zeigt sich negativ beeinflusst von stark gestiegenen Baukosten, teuren Finanzierungen und der deutlich erschwerten Kreditvergabe an private Kaufinteressenten. 

Marktverunsicherung

Die deutlich spürbaren Einflüsse des Klimawandels haben das Saatgutjahr 2023 maßgeblich beeinflusst. „Einer hohen Nachfrage aufgrund der Ausfälle 2022 stand ein geringeres Angebot an Vermehrungs­flächen gegenüber“, analysiert Wolf. 

Der Bereich Landwirtschaftliche Erzeugnisse war 2023 vor allem durch eine starke Marktverunsicherung und enorme Preisschwankungen geprägt. Neben Ukrainekrieg und Exportlage beeinflusste zunehmend auch die Trockenheit die Preisentwicklung. Der im Frühjahr 2023 einsetzende Rückgang der Marktpreise für so gut wie alle Getreide- und Ölsaatenkulturen sowie der kräftige Anstieg der Zinsen, der die Kosten der Vorratshaltung erheblich erhöhte, haben dazu geführt, dass sich die verarbeitende Industrie in ihrem Einkaufs­verhalten sehr zurückhaltend gezeigt hat. Der Umstand, dass die Exporte von Getreide und Ölsaaten aus der Ukraine trotz des Kriegsgeschehens laufen, hat zu einer Beruhigung der Märkte geführt. 

Im Bio-Bereich ist seit Herbst 2023 eine leichte Erholung spürbar, von Herbst 2022 bis zum Frühjahr 2023 war das Bio-Geschäft aufgrund der Inflationssituation deutlich zurückgegangen. 

Neues Umfeld 

In Österreich hat sich die Gesamtsituation im Futtermittelbereich am Markt gegenüber 2022 deutlich verändert. Die kontinuierlich sinkenden Rohstoffpreise im ersten Halbjahr standen einem angespannten Mischfuttermarkt gegenüber. Die zweite Jahreshälfte zeigte wieder stabile Verhältnisse. Der Bereich Schwein stand nach wie vor unter großem Druck angesichts der öffentlichen Diskussion über Vollspaltenböden und dem gekippten Regierungsübereinkommen für die Übergangsfrist. Die Bereiche Rind und Fisch hingegen entwickelten sich stabil und Geflügel erzielte 2023 ein weiteres Wachstum. 

EU-weit ist die Futtermittel-Produktion im vergangenen Jahr um 2 Prozent zurückgegangen. Der Markt zeigt sich stark beeinflusst vom Druck durch die Politik, von den Auswirkungen des Klimawandels und vom Thema Tierkrankheiten. In der Balkanregion fokussiert sich die RWA mit PatentCo auf die Produktion und den Vertrieb von Mischfutter, Proteinkonzentraten und Premix, während das Unternehmen auf allen Kontinenten erfolgreich mit Futtermittelzusatzstoffen vertreten ist. 

2023 intensivierten agromed und PatentCo. ihre Zusammenarbeit. Die komplementären Produktportfolios konnten aufeinander abgestimmt und die internationalen Teams vergrößert werden. Zum Bereich Futtermittel in der RWA zählen die drei Tochterunternehmen Garant Tiernahrung GmbH, als Marktführer für Mischfutter in Österreich, das serbische Unternehmen PatentCo sowie die agromed Austria GmbH als Systemanbieter für Futtermittelzusatzstoffe. 

Düngermengen sinken

Im Bereich Betriebsmittel gingen die Düngermengen 2023 stark zurück. Durch stark fallende Gaspreise und damit anhaltend fallende Stickstoffkosten kam es zu deutlichen Preisreduktionen. Im Spätsommer 2023 lagen die Preise auf Vorkriegsniveau. Dennoch konnte die Kaufzurückhaltung der letzten Monate des Jahres 2022 nicht kompensiert werden. Es ist anzunehmen, dass der Düngemitteleinsatz 2024 wieder steigen wird. 

Im Pflanzenschutzmarkt zeichnete sich 2023 ein Wechsel des Schwerpunkts ab. Die Anwendung durch den Landwirt und auch die Verkäufe der Lagerhaus-Genossenschaften zeigten ein leichtes Marktwachstum. Hingegen waren die Verkäufe von Industrie und Großhandel sehr durchwachsen. Thema war vor allem der Einsatz von Fungiziden im Getreideanbau nach dem Einsetzen starker Niederschläge im ersten Halbjahr 2023. In der zweiten Jahreshälfte sorgten optimale Wetterbedingungen im Herbst für eine lange Anwendungsperiode im Getreidebau.