Vertraute Feinde

In Österreichs Museen nagt nicht nur der Zahn der Zeit – auch Käfer, Motten und Co. könnten sich aufgrund des Klimawandels verstärkt an Ausstellungsstücken zu schaffen machen. Im Naturhistorischen Museum in Wien setzt man auf Forschung und Prävention.

Rund 30 Millionen Objekte lagern im Naturhistorischen Museum (NHM). Einige davon sind einzigartig und nur in Wien zu finden. Als Ausstellungsstücke offenbaren sie nicht nur einen faszinierenden Blick in die Welt der Naturgeschichte, sondern dienen zudem regelmäßig als Material für die wissenschaftliche Forschung. Doch was tun, wenn Schädlinge wie Käfer, Papierfischchen und Kleidermotten daran nagen? 

„Es gar nicht erst so weit kommen lassen“ – eine Antwort, die zwar simpel klingt, sich aber in der Praxis naturgemäß weitaus komplexer gestaltet. „Den meisten Besuchern ist überhaupt nicht bewusst, welcher enorme Aufwand dahintersteckt, die Präparate zu reinigen und für die Nachwelt zu erhalten“, erzählt Pascal Querner aus seinem Museums­alltag. 

Als Biologe und Experte im Bereich „Integrated Pest Management“ ist er am Naturhistorischen Museum unter anderem für das Monitoring von Museumsschädlingen – also für die Überwachung der Aktivität und Diversität von Insekten – zuständig. Querner weiß, naturhistorische Museen gelten generell als „Hochrisikosammlungen“. So fressen beispielsweise Pelzkäfer und Kleidermotten organisches Material wie Felle, Federn und getrocknete Insekten. Gebietet man ihnen keinen Einhalt, drohen teils drastische Auswirkungen – bis hin zur Entsorgung beschädigter Objekte. 

Früher setzte man auf Giftstoffe wie das heute verbotene Insektizid DDT (Dichlordiphenyltrichlorethan), heutzutage hingegen auf giftfreie Bekämpfungsmethoden wie Frieren oder Stickstoffbegasung. Wichtig ist vor allem die Prävention. Ohne sie würden sich die Zukunftsaussichten trüben – insbesondere, wenn sich durch den Klimawandel das Innenklima verändert und Schädlinge verstärkt auftreten.

Die Zeit läuft

Schuld am vermehrten Vorhandensein der ungebetenen Gäste ist die Klimaerwärmung. „Höhere Temperaturen beschleunigen die Entwicklung der Tiere, erhöhen ihre Aktivität und führen zu mehr Nachkommen“, erläutert Katrin Vohland, Generaldirektorin und wissenschaftliche Geschäftsführerin des NHM. 

Die Zahlen sprechen für sich: Liegt beispielsweise die vollständige Entwicklungszeit eines Brotkäfers vom Ei bis zum erwachsenen Tier bei einer Temperatur von 17 Grad bei etwa 231 Tagen, verringert sich diese bei 27 Grad auf 56 Tage. Ähnlich verhält es sich bei der Kleidermotte – hier verkürzt sich die Entwicklungszeit bei einer Temperaturerhöhung von 6 Grad von 196 auf 54 Tage. 

In Österreich könnten künftig auch bisher kaum verbreitete Arten zum Problem werden. Beispiele aus den letzten Jahren sind Schädlinge wie Papierfischchen, Erdtermiten und der Amerikanische Wespenkäfer. Letzterer war vor zehn Jahren nur in einem Museum zu finden – heute ist er in 14 Museen nachgewiesen. Eingeschleppt wurde er vermutlich mit einer biologischen Sammlung aus Übersee.

Nachhaltiger Schutz  

Um sich vor derlei ungebetenen Gästen zu wappnen, lassen Museen wie das NHM die Präparate nach ihrem Eintreffen bestimmte Sicherheitsmaßen durchlaufen: Ob es sich um Ankäufe, Schenkungen oder Leihgaben handelt, bevor sie in die Sammlung eingegliedert oder ausgestellt werden, kommen die Objekte in eine Stickstoffbegasungskammer, wo Eier, Larven und Käfer durch den Entzug von Sauerstoff gezielt abgetötet werden. 

Um die eingelagerten Präparate nachhaltig vor Schädlingsbefall zu schützen, herrschen im Tiefspeicher das ganze Jahr Temperaturen um die 10 Grad. Eine der besten Methoden, um Schäden vorzubeugen, stellt jedoch laut Querner vor allem neben den regelmäßigen Kontrollen die Arbeit mit der Sammlung dar. Sammlungen sind „vor allem dann gefährdet, wenn sich niemand um sie kümmert“, weiß der Experte. Im NHM ist man diesbezüglich gut aufgestellt. Ein Tier, das bis auf Schnabel und Federkiele von Schädlingen abgenagt wurde, wird man in der Sammlung des NHM laut Querner nicht finden.

In Pose gesetzt

Aktuell zu sehen ist ein solches Opfer von Schädlingsfraß im Museum dennoch. Bei dem nur mehr als Schatten seiner selbst vorhandenen Objekt handelt es sich um einen Tukan (eine Leihgabe aus einem dänischen Museum), der aktuell in der Sonderausstellung „Hier nagt nicht nur der Zahn der Zeit“ den Türrahmen ziert. Mit Fotografien von zerstörten Tierpräparaten befindet er sich in der Schau in bester, wenn auch armseliger Gesellschaft. 

Traurig muss man als Besucher trotz allem nicht sein – versprühen die von dem österreichischen Fotografen Klaus Pichler kunstvoll drapierten Tiere einen gewissen Humor. So präsentiert sich ein von Schädlingen malträtiertes Nagetier in heroischer Pose, während eine Gruppe von Schädlingen auf der gegenüberliegenden Seite ihren großen Auftritt hat. Mit seinen großformatigen Bildern lädt der deutsche Fotograf Udo Schmidt die Betrachter dazu ein, auch die spezielle Schönheit der Schädlinge zu entdecken.

Nachhaltiger Kulturschutz 

Welche Schäden die Tiere anrichten und wie rasant sich auch der Schimmel verbreiten kann, wird anhand weiterer Originalobjekte in den Vitrinen in der Saalmitte veranschaulicht. Die Palette reicht von Parkettbodenbefall durch Nagekäfer bis zu den Papierschäden, verursacht durch Schimmelbefall oder eine gewöhnliche Hausmaus. Blicke durchs Mikroskop und in die Lade eines in der Präparationsabteilung aufgestellten Kastens, in der mehrere Hundert Dornspeckkäfer ihrer Arbeit – dem gewollten Abnagen von Geweberesten an einem Vogelskelett – nachkommen, ergänzen die Schau.

Der von Querner initiierten Ausstellung vorangegangen war ein dreijähriges Forschungsprojekt, das den Zusammenhang zwischen Klimawandel und schädlichen Insekten und Pilzen untersucht. Unterstützt wurde die kleine, aber feine Sonderausstellung zudem durch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU). Die Stiftung wurde 1990 gegründet und fördert Projekte, die zum nachhaltigen Kulturschutz beitragen. Ziel ist es, Verfahren zu etablieren, die das Ableiten von Prognosen einer Befallswahrscheinlichkeit und des Schädigungspotenzials ermöglichen, um unerwartete Schadensereignisse zu minimieren. 

Die Ausstellung ist noch bis 15. Juni im Naturhistorischen Museum zu sehen und wird danach auf Wanderschaft durch mehrere europäische Städte gehen.

AusgabeRZ13-2025

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