Mehr als 70 Notenbanken haben bereits einen „großen“ Zinsschritt von mindestens 0,5 Prozent gesetzt. Die Inflationsbekämpfung ist aktuell das höchste Ziel der Geldpolitik, weiß Ingrid Szeiler, Chief Investment Officer (CIO) der Raiffeisen KAG: „Das sollte angesichts von Inflationsraten weit über den Zielwerten und einer Konjunktur, die sich relativ gut hält, nicht weiter überraschen.“
Die jüngste Erholung an den Aktienmärkten beruht allerdings auf der Annahme, dass die Notenbanken – sollte die Konjunktur stärker einbrechen – zurückrudern und die Wirtschaft sowie die Finanzmärkte wieder mit billigem Geld stützen – so wie in den Jahren nach der Finanzkrise. „Jede Stressphase am Markt wurde von den Notenbanken mit zusätzlichen Liquiditätsmaßnahmen gemildert. Niedrige Inflationsraten waren die Rechtfertigung“, erklärt Szeiler.
Diese Hoffnung könne aber nicht erfüllt werden, denn die Inflation ist aktuell viel zu hoch. Jetzt über erneute Zinssenkungen nachzudenken sei „maßlos verfrüht“ – erst müsse die Inflation sinken. Damit das gelingt, werden die Notenbanken die Zinsen anheben, bis über eine schwächere Wirtschaft die Inflation sinkt, erläutert Szeiler: „Die erhoffte Kehrtwende in der Geldpolitik wird daher länger auf sich warten lassen, als es manche wahrhaben wollen. Die Währungshüter versuchen das dem Markt zu signalisieren, was aber geflissentlich ignoriert wird. Die unangenehme Wahrheit wird die Finanzmärkte jedoch früher oder später einholen.“
Bankanleihen werden attraktiver
Im aktuellen Umfeld erachtet die Raiffeisen KAG – trotz der Querelen in der italienischen Innenpolitik – italienische Staatsanleihen als attraktiv. Darüber hinaus werden in dieser Assetklasse kurz laufende Staatsanleihen bevorzugt.
Am Unternehmensanleihenmarkt geht der Trend aktuell mehr in Richtung Bankanleihen gegenüber Industrieanleihen. Auch Investmentgrade-Anleihen seien gegenüber High-Yield-Unternehmensanleihen zu bevorzugen. Zudem werden deutsche Pfandbriefe weiterhin als attraktiv erachtet.
Emerging-Markets-Hartwährungsanleihen können weiter Erträge bringen, aber vor allem die in Asien zunehmend schwachen Konjunkturindikatoren, ein mehr als problematischer Immobiliensektor und ein offenbar verpuffendes Stimuluspaket sorgen für erhöhtes Risiko. Emerging-Markets-Aktien konnten in den letzten Wochen von der positiven Kapitalmarktstimmung aber kaum profitieren.
Die Rohstoffmärkte präsentierten sich zuletzt wieder etwas fester, wobei in den letzten Monaten vor allem die zyklischen Industriemetalle aufgrund von zunehmenden Konjunkturwachstumsängsten Verluste hinnehmen mussten. Eine Sonderrolle nimmt aktuell unverändert der Energiesektor ein, der stark von der Nachrichtenlage in der Ukraine bzw. von den Entwicklungen im Bereich Erdgas beeinflusst wird.