Vollbremsung in der Baubranche

Auch die Lagerhäuser sind davon betroffen. RWA-Generaldirektor Reinhard Wolf fordert rasche Gegenmaßnahmen.

Vom absoluten Boom während der Coronazeit zur Vollbremsung in diesem Jahr, das ist die derzeitige Situation in der Baubranche. Der Baustoffhandel ist um insgesamt 25 Prozent eingebrochen. Davon betroffen sind auch die Lagerhaus-Genossenschaften, die mit ihrem dichten Standortnetzwerk zu einem der größten Baustoffhändler in Österreich zählen und im Baubereich eine breite Palette an Produkten und Serviceleistungen anbieten – vom Ziegel bis zum Fertigteilhaus. „Der Rückgang bei uns fällt nicht ganz so stark aus, aber ist dennoch überdurchschnittlich hoch. Uns geht es also wie allen anderen auch, wir spüren eine große Zurückhaltung und eine geringe Nachfrage“, berichtet RWA-Generaldirektor Reinhard Wolf. 

Die Zahl der baubewilligten Wohnungen ging laut Statistik Austria im ersten Quartal 2023 im Vergleich zum Vorjahr um 36,2 Prozent zurück, gleichzeitig sank die Anzahl der Kredite für Immobilien um 70 Prozent. „Diese Zahlen machen uns wirklich Sorgen, weil es kein Anzeichen der Erholung gibt. Ganz im Gegenteil, der Ausblick bis 2025 zeigt einen weiteren massiven Rückgang bei der Wohnungsproduktion“, erklärt Wolf. 

Kredithürden als Ursache

Begonnen hat der Abwärtstrend in der Baubranche im Herbst des Vorjahres mit der von der Finanzmarktaufsicht (FMA) eingeführten sogenannten KIM-Verordnung (Kreditimmobilienmaßnahmen-Verordnung). Zusätzlich zu den strengeren Regelungen für Immobilienkredite – Laufzeit max. 35 Jahre, 20 Prozent Eigenkapitalquote, Kreditrate darf 40 Prozent des Einkommens nicht übersteigen – hat die Europäische Zentralbank mit deutlichen Zinserhöhungen auf aktuell 4,5 Prozent Leitzinssatz begonnen. „Diese Kombination von hohen Zinsen und zusätzlichen Kredithürden versetzte alle Bauwilligen in eine Schockstarre“, analysiert Wolf. Verstärkt werde dies außerdem durch diverse politische Absichtserklärungen, wie zum Beispiel die Diskussion über den Entfall der Grunderwerbsteuer. 

Reinhard Wolf im Porträt


Der Rückgang bei uns fällt nicht ganz so stark aus, aber ist dennoch überdurchschnittlich hoch.

Reinhard Wolf

„Wenn wir diese Negativ-Spirale nicht stoppen, dann stehen wir in ein, zwei Jahren nicht nur mit viel zu wenig Wohnraum da, sondern die gesamte Baubranche und nachgelagerte Wirtschaftszweige werden so nicht mehr existieren. Damit verbunden ist ein starker Anstieg der Arbeitslosigkeit“, prognostiziert der Generaldirektor und appelliert: „Aus diesem Grund steht für mich außer Zweifel, dass wir hier so rasch wie möglich konkrete Maßnahmen setzen müssen.“ 

„Motor in der Baubranche zum Laufen bringen“

Wolf fordert, die KIM-Verordnung sofort auszusetzen und nicht bis Juni 2025 laufen zu lassen. Zusätzlich sollte eine öffentliche Sanierungs- und Bauinitiative gesetzt werden. Und drittens bräuchte es ein Finanzierungspaket, bei dem für Sanierungsprojekte und nachhaltigen Wohnbau Zinsstützungen vorgesehen sind. „Damit können wir nicht nur den Motor in der Baubranche zum Laufen bringen, sondern gleichzeitig eine Nachhaltigkeitsinitiative im Baubereich starten“, ist der Generaldirektor überzeugt. Er bezieht sich dabei auf den seit kurzem feststellbaren Trend zum Um- und Zubau und auf die im Zuge der Klimaschutz- und Energiespardiskussion geforderten bautechnischen Maßnahmen. 

„Wir erleben in der Baubranche aktuell einen finanziellen Engpass, den wir überwinden müssen. Grundsätzlich ist der Wunsch nach einem Eigenheim und der Bedarf an Wohnungseinheiten aber nach wie vor sehr hoch“, weiß Wolf.

AusgabeRZ41-2023

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