Zertifikate: Open Interest erreicht Rekordwert

Der heimische Zertifikatemarkt befindet sich seit Jahren im Aufwärtstrend. Das Potenzial ist weiterhin hoch. Wie man die Intelligenz der Produkte noch besser zu den Anlegern bringt, das wurde beim Zertifikatekongress 2025 diskutiert.

„Der österreichische Markt zeigt seine Reife. Zertifikate sind angekommen“, analysiert Frank Weingarts, Vorsitzender des Zertifikate Forums Austria (ZFA). Das Open Interest in Österreich erreichte mit 16,3 Mrd. Euro per Ende April einen neuen Höchststand. Der größte Anteil davon liegt im Kapitalschutz- und Teilschutz-Bereich. „Die Zahlen sprechen eine klare Sprache. Anleger erkennen den Wert von strukturierten Produkten, trotz Störfaktoren von vielen Seiten“, freut sich auch Heike Arbter, ZFA-Aufsichtsratsvorsitzende und Präsidentin des europäischen Dachverbandes EUSIPA. 

„Der Zertifikatemarkt ist ein Wachstumsmarkt, aber dafür müssen wir auch etwas tun“, erklärt Weingarts. Der 19. Zertifikatekongress, der in der Raiffeisen Bank International stattfand, führte vor Augen: Das größte Risiko für Anleger ist, nicht investiert zu sein. „Regelmäßige Investitionen in den Kapitalmarkt bringen die besten Ergebnisse“, so Weingarts. Als Einstiegsprodukt und zum Vermögensaufbau seien Zertifikate ­bestens geeignet. „Zertifikate sind äußerst intelligente Veranlagungslösungen. Wenn wir den Anlegern ihre Chancen und Risiken transparent darstellen, wird unsere Branche auch in den kommenden Jahren wachsen“, ist Arbter überzeugt. 

Verzerrtes Bild

Der Zertifikate-Kongress folgt der Devise: Man muss die Märkte verstehen, um die Zukunft gestalten zu können. „Und die Ausgangssituation ist eine verzerrte Risikowahrnehmung in der Politik und bei Verbraucherschützern“, analysiert Christian Vollmuth, geschäftsführender Vorstand des Bundesverbands für strukturierte Wertpapiere (BSW). Der deutsche Branchenverband hat es sich deshalb zur Aufgabe gemacht, das Risiko der Branche auszuweisen, damit strukturierte Produkte bei Reformvorschlägen zur privaten Altersvorsorge von der deutschen Regierung nicht ausgeklammert werden. Die Vorschläge der vorigen deutschen Regierung hat Zertifikate in der höchsten Risikoklasse 7 eingestuft und somit bei ihren Plänen ausgeschlossen.

„Aber es besteht die Chance auf die Positiv­liste zu kommen“, betont Vollmuth, nachdem die Produktklassifizierung der Zertifikate überarbeitet wurde. Man verabschiedet sich vom Bild des Fußballfelds und unterteilt nun in 12 Produktgruppen in drei Kategorien nach Risiko und Rendite. 

Risiko im Vergleich

„Als nächsten Schritt werden wir der Aufsicht zeigen, wo sich die Risiken befinden“, erklärt Vollmuth. Die Risikokennzahlen der einzelnen Kategorien zeigen nämlich ganz unterschiedliche Werte: Zertifikate mit Kapitalgarantie befinden sich in der Risikoklasse 1, das wären also 50,7 Prozent des aktuellen Volumens in Deutschland. Die Risikokennzahl aller strukturierten Produkte würde bei durchgerechnet 2,55 liegen – Optionsscheine in der höchsten Risikostufe 7 eingerechnet. Zum Vergleich nennt Vollmuth die Leitindizes ATX und DAX, die beide in der Risikoklasse 5 eingestuft sind. Einzeltitel des DAX liegen auf Stufe 5 oder 6. „Diese Ergebnisse müssen wir zeigen, damit man bei einer nächsten Reform die Zertifikate nicht wieder im Katalog der zulässigen Anlageformen vergisst“, sagt Vollmuth. Nach der Risiko-Transparenz will man mit Kosten-Transparenz mehr Aufklärung leisten. 

„Die Transparenz-Initiative in Deutschland ist beispielgebend. In Österreich wollen wir uns das auch anschauen“, sieht Heike Arbter auch in Österreich noch weiteren Aufklärungsbedarf. „Viele Investoren haben kein Gefühl, was Risiko wirklich bedeutet“, analysiert Arbter. 

Interesse wecken

Wie Österreicher gegenüber Wertpapieren eingestellt sind und wie gut informiert sie sind, das hat sich Bettina Fuhrmann, Vorständin des Instituts für Wirtschaftspädagogik an der WU, bei einer breit angelegten Studie kürzlich angesehen. Ihr Fazit: „Das allgemeine Finanzwissen allein scheint das Investitionsverhalten nicht zu erklären.“ Österreich hat im internationalen Vergleich nur ein moderates Level an Wertpapieren und einen hohen Anteil an niedrig verzinsten Spareinlagen, obwohl es keine signifikanten Defizite beim Finanzwissen gibt. Seit der Pandemie habe sich das Anlageverhalten vor allem bei der Altersgruppe der 18- bis 25-Jährigen zwar vervierfacht, aber das Engagement sei weiterhin bescheiden. 

Die Gründe für die geringe Kapitalmarktbeteiligung ist laut Umfrage die weit verbreitete Überzeugung, dass Investieren nur etwas für Reiche ist und der Aktienmarkt einem Glücksspiel ähnelt. Das Interesse am Kapitalmarkt ist gering und vor allem bei Frauen überwiegen Skepsis und Verlustangst. „Der Umgang mit Risiko ist es wert, sich diesem Thema in Zukunft mehr zu widmen“, begrüßt auch Fuhrmann die Transparenz-Initiative der Zertifikatebranche.

AusgabeRZ24-2025

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein

Mehr lesen

Aktuelles

Die Welt der Raiffeisenzeitung

Banner für die Newsletter Anmeldung
Banner: