Flaschenpost aus dem Strom der Zeit

Mit 70 historischen Klängen laden das Arnold Schönberg Center und die österreichische Mediathek zur „transatlantischen Hörreise“.

Arnols Schönberg dirigiert fürs Radio: Funkstunde Berlin 1926.
Arnols Schönberg dirigiert fürs Radio: Funkstunde Berlin 1926. (c) Arnold Schönberg Center, Wien

Als das „Öffnen einer Flaschenpost mit akustischen Zeugnissen Arnold Schönbergs“ wird die neue Online-Ausstellung „Schönberg. Eine transatlantische Hörreise“ vom Wiener Arnold Schönberg Center beschrieben. Entstanden ist sie gemeinsam mit der Österreichischen Mediathek und seit Mitte Juli permanent im Internet abzurufen. (Welchen Auftrag die Österreichischen Mediathek verfolgt, erfahren Sie in diesem Artikel.)

Der Präsentation vorausgegangen war die Digitalisierung von 400 Tonträgern, die aus dem mehr als 20.000 Musik- und Textmanuskripte sowie zahlreiche persönliche Dokumente und Fotografien umfassenden Nachlass des Komponisten stammen. Der Nachlass – der vor zehn Jahren ins UNESCO-„Memory of the World“-Register aufgenommen wurde – wird seit 1997 in Wien verwahrt. Im April 2019 übernahm die Österreichische Mediathek die Sammlung zur Digitalisierung und digitalen Langzeitarchivierung. Eine Auswahl von 70 Tondokumenten wurde in den „audiovisuellen Atlas“ auf der Seite der Mediathek eingebettet und zeichnet Arnold Schönbergs Weg von Europa in die USA nach. Dabei werden die unterschiedlichen Lebensstationen Schönbergs sowie die Personen, mit denen er in Kontakt stand und die sich um die Förderung seines Werkes verdient gemacht haben, mit den Tondokumenten der Sammlung in Verbindung gesetzt. 

Von Wien ins Exil 

Den chronologischen Auftakt zu dieser akustischen Reise bilden in den 20er-Jahren in Berlin entstandene Aufnahmen der „Verklärten Nacht op. 4.“. Geschrieben wurde das Werk von Schönberg, basierend auf einem Gedicht von Richard Demel, bereits 1899 auf Sommerfrische in Payerbach-Reichenau. In Berlin – wo sich Schönberg seit Anfang des 20. Jahrhunderts immer wieder für längere Zeit aufgehalten hatte und ab 1925 eine prestigeträchtige Professur an der Akademie der Künste in Berlin innehatte – sollte es mit der Staatskapelle Berlin eingespielt werden. Rechtliche Probleme verhinderten jedoch die Fertigstellung, sodass Schönberg lediglich drei Probeplatten mit den aufgenommenen Takten erhielt. 

Die Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 zwangen den Komponisten schließlich aufgrund seiner jüdischen Herkunft Berlin zu verlassen und mit seiner Familie den Weg ins Exil anzutreten. Nach einem kurzen Aufenthalt in Frankreich (im audiovisuellen Atlas nachzuhören ist eine Aufnahme vom „Konzert für Streichquartett und Orchester (B-Dur) nach Georg Friedrich Händel: Concerto grosso op. 6 Nr. 7“ an dem Schönberg 1933 in seinem letzten Sommer in Europa im französischen Arcachon arbeitete) ließ sich die Familie in den USA nieder, wo er von Boston nach New York und weiter nach Los Angeles übersiedelte. 

In den USA komponierte Schönberg bezugnehmend auf seine Erfahrungen im Exil und mit der Bedrohung des Nationalsozialismus das „Klavierkonzert op. 42“, die „Ode to Napoleon Buonaparte op. 41“ und „A Survivor from Warsaw op. 46“. Bei Letzterem verfasste er basierend auf Berichten, die er direkt oder indirekt erhalten hatte, zudem selbst den Text. Im Nachlass erhalten hat sich ein Livemitschnitt der US-amerikanischen Erstaufführung unter der Leitung von Dimitri Mitropoulos. 

Audiobriefe aus den USA 

Obwohl Schönberg Aufnahme-Medien gegenüber eher kritisch eingestellt zu sein schien – er spricht 1950 im Rundfunk von „der Gewöhnung des Ohres an einen unsäglich rohen Ton und an die breiige unklare Zusammensetzung des Klangkörpers, die jede feine Unterscheidung ausschließt“ –, wusste er dennoch um deren Vorteile. Zum einen erhoffte er sich eine größere Verbreitung seiner eigenen Werke, zum anderen empfahl er auch seinen Schülern Aufnahmen für das Studium zu nutzen. Und nicht zuletzt zeugen die erhaltenen Audiobriefe, die Schönberg mit seiner Familie nach Wien schickte, von der persönlichen Verwendung des Künstlers im privaten Bereich. Eine für seine Schwiegermutter Henriette Kolisch 1935 aufgenommene Sprachnachricht findet sich zudem in klanglich optimierter und bebilderter Version vom Schönberg Center auf YouTube gestellt und zählt zu den besonders eindringlichen Zeugnissen dieser Zeitreise im Netzwerk Schönbergs.