Rund 500 Interessierte aus ganz Österreich nahmen online beim „Brennpunkt Sommer 2024“ des Raiffeisen Campus teil und holten sich aktuelle Informationen und Impulse zu den Themen Konjunktur und Geopolitik.
Matthias Reith, Analyst bei Raiffeisen Research, beleuchtete in seinem Vortrag die aktuelle Konjunktur-, Zins- und Finanzmarktentwicklung. Die Konjunktur in Österreich habe sich nach der Rezession im Vorjahr im Ausmaß von 0,8 Prozent nun wieder auf einen zaghaften Wachstumskurs begeben. Im ersten Quartal 2024 gab es ein Miniwachstum von 0,1 Prozent auf Quartalsebene. Die Vorlaufindikatoren bzw. das Wirtschaftsvertrauen zeigen tendenziell nach oben. Im Jahresverlauf rechnet der Ökonom mit einem moderaten Wirtschaftsaufschwung.
Die kräftigen Lohnanstiege seien Fluch und Segen zugleich. Der Segen sei, dass die deutlich gestiegenen Reallöhne den privaten Konsum befeuern und damit die Konjunktur stützen. Der Fluch sei allerdings, dass die Lohnzuwächse höher seien als in der gesamten Eurozone, was die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Unternehmen verschlechtert. Zudem schmälern sie die Gewinne der Unternehmen und damit auch deren Investitionsmöglichkeiten.
Marginales Wirtschaftsplus
Unterm Strich bedeutet das nicht nur weniger Exportwachstum, sondern auch ein geringeres Investitionswachstum, so Reith. Daher erwartet Raiffeisen Research heuer für Österreich ein marginales Wirtschaftsplus von 0,2 Prozent, das sich 2025 auf 1,4 Prozent steigern sollte.
Auf dem ins Stocken geratenen Wohnimmobilienmarkt müsse man auch heuer mit Preiskorrekturen rechnen, so Reith. Im Vorjahr verbilligte sich Wohneigentum in Summe um 1,6 Prozent. Heuer könnte dieser Trend noch zulegen. Trotz der Zinssenkung durch die EZB bleibt der Gegenwind für Kaufinteressenten von Immobilien beträchtlich. Die variablen Kreditzinsen dürften 2024 kaum niedriger sein als im Vorjahr. „Der Markt befindet sich weiterhin in einer Findungsphase“, erklärte der Immobilienexperte.
Systemische Rivalität
Auf die globalen geopolitischen Spannungen und Kriege ging im Anschluss Sicherheitsexperte Walter Feichtinger ein. „Immer wenn sich etwas ändert, dann kommt es zu Krisen an den Rändern der jeweiligen Einflussgebiete“, so Feichtinger. Vor allem die USA als bestehende Großmacht und China als aufstrebende Macht bestimmen dabei das Geschehen maßgeblich. Im Kern gehe es um eine Rivalität der politischen Systeme: Auf der einen Seite befinden sich Demokratien und auf der anderen Seite autoritäre bis diktatorische Systeme.
Beide Seiten versuchen, viele Staaten hinter sich zu versammeln. In diesem Zusammenhang seien auch die Kriege in der Ukraine und im Gaza-Streifen zu sehen. Aktuell identifizierte Feichtinger global insgesamt sechs Arenen der Geopolitik – darunter auch Osteuropa mit dem großen Krieg in der Ukraine. Russland habe sich vollkommen von Europa abgekehrt.
„Geografie ist aber etwas Brutales, denn sie ändert sich nie“, so Feichtinger. Russland sei ein wichtiger Nachbar Europas und es müsse im Interesse aller sein, gute Beziehungen zu den Nachbarn zu haben. Ein Krieg auf Dauer dürfe und könne keine Zukunft haben. Die geopolitischen Konflikte sieht Feichtinger in Osteuropa aber nicht nur auf die Ukraine begrenzt. So werde etwa das Geschehen in Weißrussland von Russland bestimmt. Offene Fragen seien auch, wie es mit Moldawien und Georgien weitergehen werde.