„Die Luft wird immer dünner“

Raiffeisen Research analysiert die Effekte der Corona-Pandemie auf den österreichischen Wohnimmobiliensektor.

„Das Corona-Jahr 2020 bescherte Österreich eine Rezession historischen Ausmaßes, der heimische Immobilienmarkt hat sich davon aber „regelrecht unbeeindruckt gezeigt“, hält Matthias Reith, Senior Ökonom für die österreichische Volkswirtschaft und den Immobilienmarkt bei Raiffeisen Research, fest. Die Preise von Wohneigentum legten im Gesamtjahr 2020 um 7 Prozent zu. Besonders gefragt waren Wohnungen mit Außenflächen, wie der leichte Anstieg der „Balkonprämie“ belegt: Gegenüber 2019 hat sich der Aufschlag für Außenflächen pro Quadratmeter Wohnfläche um 10 Prozent erhöht. Während in Wien der Anteil der Balkonprämie am Gesamtpreis von 23 auf 25 Prozent gestiegen ist, erhöhte sich der Anteil in Österreich von 18,7 auf 19,3 Prozent. Daraus lässt sich – wenig überraschend – ableiten, dass Außenflächen in Städten seit Beginn der Pandemie mehr geschätzt werden. 

Profitiert hat zudem die „zweite Reihe“ der Bezirke, weniger die absolute Peripherie. „Im erweiterten Speckgürtel gelegen, überdurchschnittlich groß und mit Balkon oder Terrasse – so sah der idealtypische ‚Corona-Profiteur‘ am österreichischen Wohnimmobilienmarkt im Jahr 2020 aus“, fasst Casper Engelen, Ökonom für den österreichischen Wohnimmobilienmarkt bei Raiffeisen Research, zusammen.

Relativ unverändert blieben die Preisentwicklungen in den Bundesländern. Es gilt, was auch zuvor galt: „Was teuer ist, wird teurer – erschwinglichere Regionen bleiben erschwinglicher“, sagt Engelen. Das heißt, die preislichen Hotspots in Österreich verzeichneten in den letzten Jahren stärkere Preiszuwächse als die preislichen Nachzügler. „Wien, Vorarlberg, Salzburg und Tirol bleiben hochpreisig, während die Nachzügler Burgenland, Steiermark und Kärnten etwas leistbarer bleiben.“ In Wien liege das Preiswachstum mittlerweile nur geringfügig über dem Österreich-Schnitt. Daraus lässt sich folgern, dass die gesunkene Leistbarkeit in Wien das Preispotenzial bereits dämpft.

Im laufenden Jahr 2021 hält der „Run“ auf Wohnimmobilien weiter an. Zentrales Kaufmotiv dürfte heuer der „Inflationsschutz“ sein, wie Engelen sagt. 2020 war noch das „Sicherheitsmotiv“ maßgeblicher Preistreiber. Weiters sorgen globale Lieferengpässe für ein Ansteigen der Preise von Baumaterialien, „was nicht folgenlos für die Angebotspreise im Neubau bleiben dürfte“, kommentiert der Raiffeisen Research-Analyst. Zudem lässt das knappe Angebot an Gebrauchtwohnungen die Preise steigen. 

Angesichts des „explosiven Wachstums im ersten Quartal 2021“ sei eine Wiederholung oder sogar eine Steigerung des jährlichen Wachstums über 7 Prozent sehr wahrscheinlich, prognostiziert Engelen: „Selbst wenn die Preise ab jetzt stagnieren würden, ergibt sich für das Jahr 2021 ein Jahreswachstum ähnlich dem Vorjahresniveau.“ Gleichzeitig werde „die Luft immer dünner“, denn das Thema Leistbarkeit rückt immer mehr in den Fokus. Weitere Preisanstiege sollten sich daher „mittelfristig gemächlicher“ vollziehen. Ein Sinkflug der Preise zeichne sich aber nicht ab, denn die fundamentalen Rahmenbedingungen sowie das Zinsumfeld sind weiterhin unterstützend. „Die grundsätzlichen Voraussetzungen für eine längerfristige Fortsetzung des preislichen Steigflugs, wenn auch mit geringerem Tempo als zuletzt gesehen, sind weiterhin intakt“, resümiert Matthias Reith. 

Finanzierungsrekord

Auch die Entwicklung der Raiffeisen Bausparkasse (RBSK) im Jahr 2020 unterstreicht die Analyse von Raiffeisen Research. Die Nachfrage nach Immobilienfinanzierungen erreichte ein Allzeithoch: „Überraschenderweise war 2020 ein Rekordjahr – mit dem besten Ergebnis in der Geschichte der RBSK mit einer Finanzierungsleistung von knapp 1,5 Mrd. Euro“, betont Geschäftsführer Christian Vallant. Auch im laufenden Jahr stehen schon wieder alle Zeichen auf Rekord: „Im ersten Halbjahr 2021 verzeichnen wir die höchste Finanzierungsleistung seit Bestehen der Raiffeisen Bausparkasse, also der letzten 60 Jahre.“ Im Vergleich zum ersten Halbjahr 2020 stiegen die Wohnbaufinanzierungen um 24,3 Prozent auf rund 802 Mio. Euro.

Vor allem die hohe Nachfrage an langfristigen Fixzinsfinanzierungen sei ausschlaggebend für diese außergewöhnlich hohe Finanzierungsleistung, erläutert Vallant. Er geht allerdings davon aus, dass sich die Nachfrage in den kommenden Monaten auf hohem Niveau einpendeln wird. 

Der Großteil dieser Finanzierungen geht in den Neubau. Angesichts der ökologischen Auswirkungen, allen voran die Bodenversiegelung, müsse man künftig das Augenmerk stärker auf bereits bestehende Wohngebäude legen, ist Vallant überzeugt: „Bauen auf bereits erschlossenen, im besten Fall auf Grundstücken mit vorhandener Bebauung als Ergänzungsbauten oder vollkommene Ersatzneubauten bei wirtschaftlich nicht vorteilhaft zu entwickelnden Bestandsobjekten, sollte viel mehr in Betracht gezogen werden.“ Dadurch könne ein wertvoller Beitrag zur Reduktion des Ressourcenverbrauchs geleistet werden. 

Dass mittlerweile immer öfter über Alternativen zum Neubau nachgedacht wird, zeigen auch die Finanzierungsanfragen bei der RBSK für die Zwecke „Um-/Zubau“ beziehungsweise „Sanierung und Renovierung“. Auch die durchschnittliche Darlehenshöhe sowie die Anzahl an Finanzierungen in diesen Bereichen sind im Vergleich zum ersten Halbjahr 2020 deutlich angestiegen. Waren es im ersten Halbjahr 2020 im Bereich Um-/Zubau noch 322 Finanzierungen mit einer durchschnittlichen Darlehenshöhe von 130.000 Euro, so waren es im ersten Halbjahr dieses Jahres bereits 368 Finanzierungen mit einer durchschnittlichen Summe von 145.000 Euro. Im Bereich Sanierung und Renovierung stieg die Anzahl der Finanzierungen von 412 (1. HJ 2020) auf 487. Die durchschnittliche Darlehenssumme verzeichnete einen Anstieg auf 79.000 Euro (63.000 Euro im 1. HJ 2020).

„Wir sehen gerade in diesen Kategorien noch großes Potenzial und es wäre wünschenswert, die Attraktivität von Sanierung und Renovierung in Österreich noch weiter zu fördern, um auch zukünftigen Generationen die Realisierung ihrer Wohnträume ermöglichen zu können,“ erklärt Vallant. 

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